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BFH-Urteil vom 7.2.1980 (IV R 37/76) BStBl. 1980 II S. 321

Übernimmt ein Richter ohne Entlastung in seinem Amt zusätzlich die Leitung einer Arbeitsgemeinschaft für Rechtsreferendare, so besteht zwischen Haupt- und Nebentätigkeit kein unmittelbarer Zusammenhang. Ob die Nebentätigkeit selbständig ausgeübt wird, ist deshalb nach dem Rechtsverhältnis zu beurteilen, aufgrund dessen sie ausgeübt wird.

EStG § 34 Abs. 4.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis zum 29. Juni 1971 Arbeitsgerichtsdirektor. Die Regierung von ... bestellte ihn mit seinem Einverständnis durch Schreiben vom 22. Februar 1971 zum Leiter der beim Arbeitsgericht ... eingerichteten Arbeitsgemeinschaft für Rechtsreferendare und zahlte ihm 1971 eine Vergütung von ... DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte diese Einnahmen, gekürzt um nachgewiesene Ausgaben von .. DM, bei der Veranlagung für 1971 als mit dem vollen Steuersatz zu versteuernde Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war der Auffassung, es lägen Einkünfte aus freiberuflicher wissenschaftlicher Tätigkeit vor, für die ihm der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1, 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu gewähren sei.

Sein Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Unterricht in arbeitsrechtlichen Arbeitsgemeinschaften zu erteilen, habe nicht zu den dienstlichen Obliegenheiten des Klägers gehört. Die Durchführung der Arbeitsgemeinschaften habe zum Aufgabenbereich der Regierung von ...., nicht aber seines Dienstherrn (oberste Dienstbehörde der Arbeitsgerichtsbarkeit ist das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung) gehört. - Der Kläger habe den Unterricht auch nicht unter der Leitung und im Rahmen der Behördenorganisation der Regierung von ... erteilt. Er habe innerhalb des vorgegebenen Rechtsgebietes "Arbeitsrecht" und der vorgesehenen Stundenzahl den Stoff und die Art der Darbietung nach eigenen Vorstellungen bestimmt. Er habe den Unterricht jederzeit aufgeben und die Regierung von ... habe ihm den Unterrichtsauftrag jederzeit entziehen können. Er habe nur für tatsächlich erteilten Unterricht eine Vergütung erhalten. Schließlich könne aufgrund der geringen Zahl von nicht mehr als sechs Unterrichtsstunden wöchentlich keine Eingliederung in den Behördenorganismus angenommen werden.

Mit seiner wegen grundsätzlicher Bedeutung vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend: Nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. März 1958 VI 36/55 U (BFHE 66, 662, BStBl III 1958, 255) und vom 8. Februar 1972 VI R 7/69 (BFHE 104, 539, BStBl II 1972, 460) könnten für einen Arbeitgeber neben der Haupttätigkeit aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses erbrachte Leistungen nicht unabhängig von dem eigentlichen Dienstverhältnis beurteilt werden, wenn der Dienstherr auch an dem besonderen Rechtsverhältnis beteiligt sei, so daß die Einkünfte aus der Nebentätigkeit der Einkunftsart der hauptberuflichen Tätigkeit zuzurechnen seien. Zu Unrecht folgere das FG, daß der Arbeitgeber des Klägers, das Land Bayern, nicht mehr an dem Nebendienstverhältnis beteiligt sei, weil der Kläger die Nebentätigkeit in einem anderen Behördenzweig erbracht habe als seine Haupttätigkeit. Es komme, da das Land Bayern auch an dem Nebendienstverhältnis beteiligt sei, allein darauf an, ob die Leitung der Arbeitsgemeinschaft dem Kläger als eine Pflicht gegenüber seinem Dienstherrn obgelegen habe, die in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang zur Haupttätigkeit bestanden habe. Dieser Zusammenhang sei gegeben. - Das Land Bayern habe den Vorbereitungsdienst für die zweite juristische Staatsprüfung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Ausbildungsstationen durchzuführen. Soweit die Ausbildung bei den Behörden und Gerichten des Landes erfolge, müsse es sich seiner Beamten mit juristischer Ausbildung und der Richter bedienen. Die den Beamten und Richtern dafür gezahlte Lehrvergütung stelle einen Ausgleich für die zusätzlich übernommene Aufgabe dar. Diese zusätzliche Aufgabe sei bei einem Beamten Teil seines hauptberuflichen Dienstverhältnisses, weil er aufgrund desselben verpflichtet sei, im Rahmen der Aus- und Fortbildung in seinem Dienstbereich Unterricht zu erteilen. Dafür werde eine Vergütung nur gezahlt, wenn das jeweilige Beamtengesetz dies zulasse. Grundsätzlich habe auch der Richter - wie der Beamte - dem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und könne für die von ihm im Rahmen seines Hauptamtes erledigten Aufgaben der Unterrichtserteilung nur nach Maßgabe der (Bayerischen) Nebentätigkeitsverordnung eine Vergütung erhalten. Eine aufgrund der Nebentätigkeitsverordnung gewährte Vergütung fließe im Rahmen des Hauptamtes zu.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vergütung für die Leitung der Arbeitsgemeinschaft hat zu Nebeneinkünften aus selbständig ausgeübter wissenschaftlicher Tätigkeit geführt, für die dem Kläger der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1, Abs. 4 EStG zu gewähren ist.

Einkünfte aus wissenschaftlicher Tätigkeit werden auf Antrag nach § 34 Abs. 4 EStG tarifbegünstigt, wenn es sich um Nebeneinkünfte aus selbständiger Tätigkeit handelt. Diese Nebeneinkünfte müssen neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder neben Einkünften aus einer selbständigen Berufstätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezogen werden. Ob es sich um Nebeneinkünfte aus selbständiger Tätigkeit handelt, ist grundsätzlich nach dem Rechtsverhältnis zu beurteilen, aufgrund dessen die wissenschaftliche Tätigkeit geleistet wird (BFH-Urteile vom 24. November 1961 VI 183/59 S, BFHE 74, 97, BStBl III 1962, 37; vom 19. Januar 1968 VI R 83/66, BFHE 91, 308, BStBl II 1968, 309; vom 25. November 1971 IV R 126/70, BFHE 103, 570, BStBl II 1972, 212; BFHE 104, 539, BStBl II 1972, 460).

Ein Arbeitnehmer kann nicht nur für Dritte, sondern auch für seinen Arbeitgeber Leistungen außerhalb seines Dienstverhältnisses erbringen (BFHE 104, 539, BStBl II 1972, 460). Eine solche getrennte Betrachtungsweise ist aber nicht angebracht, wenn die von dem Arbeitgeber stammenden Nebeneinkünfte aufgrund einer mit der Haupttätigkeit unmittelbar zusammenhängenden Nebentätigkeit bezogen werden (BFHE 104, 539, BStBl II 1972, 460; BFH-Urteil vom 4. Dezember 1975 IV R 162/72, BFHE 117, 547, BStBl II 1976, 291).

Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Haupt- und Nebentätigkeit liegt vor, wenn beide Tätigkeiten gleichartig sind und die Nebentätigkeit unter ähnlichen organisatorischen Bedingungen ausgeübt wird wie die Haupttätigkeit (vgl. BFHE 117, 547, BStBl II 1976, 291; siehe auch BFHE 104, 539, BStBl II 1972, 460). Ein unmittelbarer Zusammenhang liegt auch vor, wenn der Steuerpflichtige mit der Nebentätigkeit ihm aus seinem Dienstverhältnis - faktisch oder rechtlich - obliegende Nebenpflichten erfüllt (BFHE 103, 570, 571, BStBl II 1972, 212), nicht aber dann, wenn der Dienstherr dem Arbeitnehmer lediglich Gelegenheit gibt, Fähigkeiten und Kenntnisse, die der Arbeitnehmer bei seiner unselbständigen Tätigkeit erworben hat, außerhalb seines Dienstverhältnisses zu verwerten (BFHE 103, 570, 571, BStBl II 1972, 212).

Zwischen den vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten als Richter und als Leiter einer Arbeitsgemeinschaft bestand kein solcher unmittelbarer Zusammenhang. Die Tätigkeiten sind nicht gleichartig. Zwar setzen beide besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des materiellen Arbeitsrechts und des Verfahrensrechts voraus. Während die richterliche Tätigkeit aber - vorwiegend (vgl. § 54 des Arbeitsgerichtsgesetzes) - rechtsanwendende und streitentscheidende Tätigkeit ist, war die Leitung der Arbeitsgemeinschaft im wesentlichen (wissenschaftliche) unterrichtende Tätigkeit, also darstellender und pädagogischer Art. In organisatorischer Hinsicht waren Haupttätigkeit und Nebentätigkeit voneinander unabhängig, da die Nebentätigkeit ohne Berührung mit der praktischen richterlichen Tätigkeit ausgeübt wurde. Durch die Verschiedenartigkeit der Tätigkeiten und die mangelnde organisatorische Eingliederung des Steuerpflichtigen bei der Ausübung seiner Nebentätigkeit unterscheidet sich der Streitfall von dem in BFHE 117, 547, BStBl II 1976, 291 veröffentlichten Senatsurteil; denn in jenem Fall hatte eine Lehrerin an einer anderen Schule freiwillig zusätzlichen Unterricht unter Einordnung in den Stundenplan und das Unterrichtsprogramm dieser Schule erteilt, so daß ihre Nebentätigkeit als nichtselbständige Tätigkeit zu qualifizieren war.

Auch aus dem Umstand, daß dem Kläger die Leitung der Arbeitsgemeinschaft aufgrund der als Arbeitsgerichtsdirektor erworbenen Fachkenntnisse übertragen worden ist, folgt nichts anderes; denn er erhielt dadurch nur Gelegenheit, seine erworbenen Kenntnisse auf andere Weise nutzbar zu machen. Entgegen der Auffassung des FA kann die vom Kläger ausgeübte Nebentätigkeit nicht als Teil seiner dienstlichen Obliegenheiten aufgefaßt werden; denn die Leitung einer Arbeitsgemeinschaft für Rechtsreferendare gehört im Gegensatz zur Ausbildung der sogenannten Stationsreferendare nicht zu den dienstlichen Pflichten der Beamten und Richter, sofern ihnen diese Aufgabe nicht als Teil des Hauptamtes oder jedenfalls unter Einschränkung der mit dem Hauptamt verbundenen Pflichten als Nebenamt - soweit erforderlich mit ihrem Einverständnis (vgl. § 4 Abs. 2, § 42 des Deutschen Richtergesetzes) - übertragen worden ist. So liegt der Streitfall aber nicht. Der Kläger hat die Leitung der Arbeitsgemeinschaft vielmehr als zusätzliche Aufgabe ohne Dienstentlastung in seinem Amt als Richter übernommen.

Schließlich hat das FG zutreffend dargelegt, daß eine unselbständige Tätigkeit des Klägers als Leiter der Arbeitsgemeinschaft auch bei isolierter Betrachtung der rechtlichen Grundlagen und der tatsächlichen Gestaltung dieses Rechtsverhältnisses nicht angenommen werden kann.

Da die vom Kläger ausgeübte unterrichtende Tätigkeit als Arbeitsgemeinschaftsleiter wissenschaftlichen Charakter i.S. des § 34 Abs. 4 EStG hatte, ist ihm durch die Vorentscheidung zu Recht für die Nebeneinkünfte der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1 und Abs. 4 EStG eingeräumt worden.