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BFH-Urteil vom 6.2.1980 (II R 37/76) BStBl. 1980 II S. 355

Verlustübernahme zwischen Schwestergesellschaften aufgrund eines Ergebnisübernahmevertrages.

Die Verlustübernahme aufgrund eines Ergebnisübernahmevertrages kann nicht auf die Erfüllung von Einzel- oder Rahmenverträgen zwischen den Beteiligten des Ergebnisübernahmevertrages gerichtet sein (Anschluß an das Urteil vom 21. September 1977 II R 21/73, BFHE 124, 79, BStBl II 1978, 136).

KVStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 4.

Sachverhalt

I. Die Geschäftsanteile der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, sind in den Händen der Gesellschafter der Kommanditgesellschaft V. Zwischen beiden Gesellschaften wurde 1965 ein Ergebnisübernahmevertrag (EÜV) abgeschlossen. Die Klägerin verpflichtete sich, den jährlichen Handelsbilanzgewinn auf die Kommanditgesellschaft zu übertragen; diese verpflichtete sich ihrerseits, etwaige Handelsbilanzverluste der Klägerin zu übernehmen.

Aufgrund des EÜV übernahm die Kommanditgesellschaft die in den Wirtschaftsjahren 1964/1965 bis 1967/1968 entstandenen Verluste der Klägerin. Daraufhin setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) mit Bescheid vom 8. August 1969 gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes i. d. F. vom 24. Juli 1959 (KVStG 1959) 2,5 % Gesellschaftsteuer fest.

Mit Einspruch und Klage machte die Klägerin vergeblich geltend, es liege keine nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 steuerbare Verlustübernahme vor, sondern ein Austausch gegenseitiger Leistungen zwischen ihr und der Kommanditgesellschaft; sie habe der Kommanditgesellschaft ihre Forschungs- und Entwicklungsergebnisse zur Verfügung gestellt, und dafür habe die Kommanditgesellschaft ihre (der Klägerin) Verluste übernommen. Zumindest seien die Verlustübernahmen erforderlich gewesen, um ihre Überschuldung bzw. ihren Verlust am Stammkapital zu decken (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 KVStG 1959).

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung und den Steuerbescheid aufzuheben, hilfsweise, die Gesellschaftsteuer unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 1 % festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist teilweise begründet.

1. Der Steueranspruch folgt dem Grunde nach aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959.

Die Verpflichtung der KG zur Übernahme der Verluste der Klägerin war i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 im Gesellschaftsverhältnis begründet; denn sie ergab sich aus dem EÜV, und dieser wiederum war Ausfluß der Herrschaftsmacht, welche die Gesellschafter der Klägerin über diese ausübten (vgl. dazu das Urteil vom 8. November 1967 II 176/61, BFHE 91, 172, 175, BStBl II 1968, 213). Unerheblich ist, daß die Verpflichtung in der Person der KG und nicht der Gesellschafter der Klägerin entstanden war. Der Begriff des Gesellschaftsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 ist weiter als derjenige des Gesellschaftsrechtsverhältnisses, so daß sich die Leistungsverpflichtung nicht unmittelbar aus dem Gesellschaftsrecht zu ergeben braucht, sondern nur von den Gesellschaftern kraft ihrer Herrschaftsmacht über die Gesellschaft geschaffen sein muß (BFHE 91, 172, BStBl II 1968, 213). Damit genügt es, daß die Gesellschafter statt sich selbst eine von ihnen beherrschte andere Gesellschaft verpflichteten. Daß die Leistungen in Form der Verlustübernahmen nicht von den Gesellschaftern (der Klägerin) selbst, sondern von der Kommanditgesellschaft erbracht wurden, welche auch in dem EÜV hierzu verpflichtet worden war, ist ebenfalls unerheblich. Gemäß § 4 KVStG 1959 wird die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen, daß Leistungen (§ 2) nicht von Gesellschaftern bewirkt werden, sondern von Personenvereinigungen, an denen die Gesellschafter ihrerseits als Mitglieder beteiligt sind. Die Verluste wurden von der Kommanditgesellschaft übernommen, deren Mitglieder auch die Gesellschafter der Klägerin waren.

Diese Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zu den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Dezember 1969 II R 144/66 (BFHE 98, 2, BStBl II 1970, 330) und vom 21. April 1970 II 206/65 (BFHE 99, 498, BStBl II 1970, 689). Dort ging es um die Gewinnabführung zwischen Schwestergesellschaften. Der BFH hat die Anwendung des § 2 Nr. 2 KVStG mit der Begründung abgelehnt, auch ohne Zwischenschaltung einer Gesellschaft sei die Abführung des Gewinnes eines Gesellschafters an seine Gesellschaft nicht im Gesellschaftsverhältnis begründet und daher keine Leistung im Sinne der genannten Vorschrift, sondern unterliege allenfalls nach § 2 Nr. 4 KVStG 1959 (§ 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG 1965) der Gesellschaftsteuer.

Die Klägerin wendet ein, der EÜV zwischen ihr und der Kommanditgesellschaft habe im vorliegenden Fall ausnahmsweise den Austausch von gegenseitigen Leistungen zum Gegenstand gehabt. Sie (die Klägerin) sei mit ihrer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ausschließlich für die Kommanditgesellschaft tätig gewesen. Diese habe ihr die entstandenen Aufwendungen in Form der Verlustübernahmen ersetzt.

Dieser Einwand ist unbegründet. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich hier bei der Ausführung des EÜV nicht um einen Austausch von (gleichwertigen) Leistungen, welcher die Gesellschaftsteuerpflicht ausschließen würde. Ein EÜV verpflichtet zum Ausgleich von Gewinnen und Verlusten und ist daher schon seiner Natur nach nicht auf den Austausch von Leistungen gerichtet (vgl. das Urteil vom 12. April 1972 II 37/63, BFHE 106, 123, BStBl II 1972, 714). Auch im vorliegenden Fall verpflichtete der abgeschlossene EÜV die Kommanditgesellschaft nur zur Übernahme von Verlusten und die Klägerin zur Abführung von Gewinnen. In dem Vertrag ist nicht die Rede davon, daß die Klägerin für die Kommanditgesellschaft Forschungs- und Entwicklungstätigkeit betreiben und die Kommanditgesellschaft ihr dafür ein Entgelt bezahlen sollte. Die Übernahme des negativen Ergebnisses einer Gesellschaft im ganzen kann nicht auf den Austausch von Leistungen mit vereinbartem Preis gerichtet sein (Urteil vom 11. Februar 1976 II R 76-78/67, BFHE 122, 545, BStBl II 1977, 772 unter 3 c der Gründe). Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, über welchen der Senat mit dem Urteil vom 21. September 1977 II R 21/73 (BFHE 124, 79, BStBl II 1978, 136) entschieden hat. Dort waren einer Kapitalgesellschaft von ihrer Alleingesellschafterin freiwillig - also nicht aufgrund eines EÜV - als "Verlustausgleich" bezeichnete Zahlungen geleistet worden. Der BFH hielt es für möglich, daß der Gesellschaft aufgrund von Einzel- oder Rahmenverträgen Zahlungsansprüche gegen die Alleingesellschafterin zugestanden hatten, welche durch die Verlustdeckung "nicht mehr zum Zuge gekommen" waren. Deshalb wurde die Sache an das Finanzgericht (FG) zurückverwiesen. Im vorliegenden Fall ergaben sich die Zahlungsansprüche aus dem EÜV. Die Verlustübernahmen konnten daher nicht auf die Erfüllung von Einzel- oder Rahmenverträgen gerichtet sein, welche nach dem festgestellten Sachverhalt auch gar nicht abgeschlossen worden waren. Den Beteiligten hätte es freigestanden, durch Abschluß eines entsprechenden Dienstvertrages oder Werkvertrages der Klägerin im Wege der Zahlung angemessener Entgelte Mittel zufließen zu lassen. Sie sind diesen Weg jedoch nicht gegangen und müssen sich an der gewählten vertraglichen Gestaltung festhalten lassen.

2. Die Leistungen der Kommanditgesellschaft waren jeweils i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und b KVStG 1959 erforderlich, um Überschuldungen der Klägerin bzw. deren Verluste am Stammkapital zu decken. Die Vorschrift ist auch bei Verlustübernahmen aufgrund eines EÜV anwendbar (Urteil vom 6. Mai 1964 II 183/59 U, BFHE 79, 417, BStBl III 1964, 384).

Unstreitig waren bei der Klägerin jeweils Überschuldungen und Verluste am Stammkapital eingetreten.

FA und FG haben den ermäßigten Steuersatz nicht für anwendbar erachtet mit der Begründung, die Klägerin sei ein sogenannter Zuschußbetrieb. Der BFH hat jedoch seine bisherige Rechtsprechung, daß § 9 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1959 bei Leistungen an Kapitalgesellschaften mit zu geringer Kapitalausstattung nicht anwendbar sei, in dem Urteil vom 21. September 1977 II R 21/73 (BFHE 124, 79, BStBl II 1978, 136) aufgegeben.