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BFH-Urteil vom 6.3.1980 (IV R 160/77) BStBl. 1980 II S. 418

Die Finanzbehörden überschreiten das ihnen in § 3 ZRFG eingeräumte Ermessen nicht, wenn sie es ablehnen, die ersatzweise Anschaffung eines Kraftfahrzeugs durch Sonderabschreibungen zu begünstigen.

ZRFG § 3.

Sachverhalt

Der Rechtsstreit geht um die Frage, ob die Sonderabschreibung nach § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) vom 5. August 1971 (BGBl I, 1237, BStBl I 1971, 370) auch für einen PKW zu gewähren ist, der anstelle eines aus dem Betriebsvermögen ausgeschiedenen PKW angeschafft wurde.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ließ sich im Jahre 1971 als freiberuflich tätiger Tierarzt im Zonenrandgebiet nieder. Im Jahre 1973 ersetzte er einen bisher von ihm benutzten PKW durch ein neues Fahrzeug der Marke "R 16". Für diese Anschaffung begehrte der Kläger bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1973 eine Sonderabschreibung in Höhe von 5.490 DM (50 v. H. der Anschaffungskosten von 10.980 DM). Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die beantragte Sonderabschreibung ab mit der Begründung, es handle sich um eine (nach den Richtlinien zum Zonenrandförderungsgesetz nicht begünstigungsfähige) Ersatzbeschaffung. Auf dieser Grundlage erließ das FA am 26. Mai 1975 einen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1973.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Auf die Klage gegen die - am 16. Juli 1976 zugestellte - Einspruchsentscheidung setzte das Finanzgericht (FG) die Einkommensteuer antragsgemäß herab.

Zur Begründung seiner - in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 298 (EFG 1977, 298) veröffentlichten - Entscheidung führte das FG aus, die gesetzliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 und 6 ZRFG stelle zwar die Gewährung von Sonderabschreibungen in das Ermessen der Behörden. Das in den Richtlinien zur einheitlichen Handhabung dieses Ermessens (Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen - BMWF - vom 18. August 1971 F/IV B 2 - S 1915 - 73/71, BStBl I 1971, 386) enthaltene Verbot, Sonderabschreibungen für Ersatzbeschaffungen zu billigen, stelle jedoch einen Fehlgebrauch des in § 3 ZRFG eingeräumten Ermessens dar. § 3 ZRFG nenne selbst Grenzen für die Ermessensentscheidungen der Verwaltungsbehörden. So würden Steuervergünstigungen ausdrücklich nur im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile gewährt, die sich aus den besonderen Verhältnissen des Zonenrandgebietes ergäben. Daß Förderungsmaßnahmen auch bei der Anschaffung von Ersatzwirtschaftsgütern versagt werden sollen, finde im Gesetz keine Stütze. Der Gesetzgeber habe vielmehr das Verbot der Begünstigung von Ersatzwirtschaftsgütern in das Zonenrandförderungsgesetz bewußt nicht aufgenommen. Er habe die für das Investitionszulagenrecht geltende gesetzliche Regelung (§ 1 Abs. 3 des Investitionszulagengesetzes - InvZulG - 1969), nach der für Ersatzbeschaffungen keine Investitionszulage gewährt werde, nicht in das Zonenrandförderungsgesetz übernommen. - Aber selbst dann, wenn die Versagung der Vergünstigung für Ersatzbeschaffungen ermessensgerecht sein sollte, müßte jedenfalls im Streitfall die Sonderabschreibung auf den im Jahre 1973 erworbenen PKW R 16 gewährt werden. Das ergebe sich aus der Überlegung, daß im Rahmen des Zonenrandförderungsgesetzes auf den Steuerpflichtigen und seine durch die örtliche Lage bedingten wirtschaftlichen Nachteile abgestellt werde und diese Nachteile ein Dauerzustand seien. Das Verbot der Förderung von Ersatzbeschaffungen könne deshalb allenfalls so verstanden werden, daß zwar eine mehrmalige Förderung des gleichen Gegenstandes oder der gleichen Investition verhindert werden solle, andererseits jedoch jedem im Zonenrandgebiet ansässigen Unternehmer wenigstens einmal die Förderung nach dem Zonenrandförderungsgesetz zuteil werden müsse.

Mit der - vom Senat durch Beschluß vom 14. Juli 1977 IV B 27/77 (BFHE 123, 35, BStBl II 1977, 806) zugelassenen - Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 3 ZRFG. Die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Sonderabschreibungen für einen im Wege der Ersatzbeschaffung angeschafften PKW stelle weder eine Überschreitung noch einen Mißbrauch des der Finanzverwaltung eingeräumten Ermessens dar. Die in den Richtlinien enthaltene Regelung, für Ersatzbeschaffungen nur unter bestimmten Voraussetzungen Sonderabschreibungen zu bewilligen, lasse sich mit den Förderungszielen des Zonenrandförderungsgesetzes vereinbaren. Denn durch die Begünstigung von Ersatzbeschaffungen würden sich die wirtschaftlichen Nachteile, die sich durch die besonderen Verhältnisse im Zonenrandgebiet ergäben, nicht beseitigen lassen. Ersatzbeschaffungen fielen in allen Unternehmen mit gewisser Regelmäßigkeit an und förderten somit nicht die wirtschaftliche Struktur eines bestimmten Gebietes. - Der Begriff des "Ersatzwirtschaftsguts" im Zonenrandförderungsrecht und im Investitionszulagenrecht seien gleich. Aus den unterschiedlichen Zielsetzungen des Zonenrandförderungsgesetzes und des Investitionszulagengesetzes ergebe sich nichts anderes.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage. Dem FG kann nicht darin beigepflichtet werden, daß es einen Ermessensfehlgebrauch darstellt, wenn dem Kläger die begehrte Sonderabschreibung versagt wird.

1. Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 6 ZRFG kann bei Steuerpflichtigen, die im Rahmen einer selbständigen Arbeit im Zonenrandgebiet Investitionen vornehmen, im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile, die sich aus den besonderen Verhältnissen dieses Gebiets ergeben, auf Antrag zugelassen werden, daß bei den Steuern vom Einkommen einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuern mindern, schon zu einem früheren Zeitpunkt berücksichtigt werden; insbesondere dürfen unter bestimmten Voraussetzungen bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Sonderabschreibungen gewährt werden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 ZRFG).

Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß Steuerpflichtige auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 ZRFG grundsätzlich keinen Anspruch auf die begehrte Sonderabschreibung haben. Die Vorschrift des § 3 ZRFG enthält vielmehr einen Ermessensrahmen, innerhalb dessen die Finanzverwaltung die Gewährung von Sonderabschreibungen auch von Voraussetzungen abhängig machen kann, die im Gesetz selbst nicht genannt werden, sofern sich dies als sachgerechte Ermessensausübung darstellt. Diese Ansicht entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteile vom 28. April 1977 IV R 163/75, BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553, sowie vom 27. Juli 1977 I R 169/74, BFHE 123, 327, BStBl II 1978, 10). Der Senat hält auch nach erneuter Überprüfung der Rechtslage hieran fest. Er teilt insbesondere nicht die Auffassung des FG, nach der die Merkmale für die Ablehnung von Förderungsmaßnahmen, die der Ausübung des Ermessens zugrunde gelegt werden, im Gesetz selbst zum Ausdruck gekommen sein müssen. Für eine ermessensgerechte Handhabung genügt es vielmehr, daß der Ausschluß von Förderungsmaßnahmen zu dem Zweck der im Zonenrandförderungsgesetz enthaltenen Regelung nicht in Widerspruch steht und sachgerecht erscheint.

2. Soweit eine Behörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, ist im finanzgerichtlichen Verfahren zu prüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Im Streitfall hat das FG den Inhalt und die Grenzen des den Finanzbehörden eingeräumten Ermessensspielraums verkannt, wenn es das FA für verpflichtet hielt, die beantragte Sonderabschreibung zu gewähren.

a) Die im Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 enthaltenen Verwaltungsvorschriften, mit denen eine einheitliche Handhabung des Ermessens durch die Verwaltung sichergestellt werden soll (BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553), sehen zu dem hier strittigen Fragenbereich folgendes vor:

"Für Ersatzbeschaffungen sind Sonderabschreibungen nur zu bewilligen, wenn das angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut wegen seiner technischen Überlegenheit oder rationelleren Arbeitsweise für den Betrieb eine andere Bedeutung hat als das ausgeschiedene Wirtschaftsgut. Ein Personenkraftwagen, der als Ersatz für einen ausgeschiedenen oder ausscheidenden Personenkraftwagen angeschafft wird, ist auch dann als nichtbegünstigte Ersatzbeschaffung anzusehen, wenn er eine höhere Leistung als der ausgeschiedene Personenkraftwagen aufweist" (Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 Abschn. I Nr. 2 Abs. 4).

b) Mit dem in den Verwaltungsvorschriften verwendeten Begriff "Ersatzbeschaffung" sind Wirtschaftsgüter gemeint, durch die aus dem Betrieb ausscheidende Wirtschaftsgüter ersetzt werden (Söffing, Förderung des Zonenrandgebiets, in Eberstein, Handbuch der regionalen Wirtschaftsförderung, 2 IV B 3.424). Der grundsätzliche Ausschluß der Ersatzbeschaffungen von den Sonderabschreibungen bedeutet, daß art- und funktionsgleiche Wirtschaftsgüter in der Regel nur bei ihrer ersten Anschaffung oder Herstellung steuerlich gefördert werden sollen. Dieser Einschränkung der steuerlichen Förderung liegen offenbar die gleichen Erwägungen zugrunde wie dem gesetzlichen Verbot, Investitionszulagen für Ersatzbeschaffungen zu gewähren (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1969; § 1 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1975).

c) Die Auffassung des FG, der grundsätzliche Ausschluß von Ersatzbeschaffungen sei mit dem Gesetz unvereinbar, trifft nicht zu. Das Verbot der Förderung von Ersatzbeschaffungen ist zwar nicht - wie in § 1 Abs. 3 InvZulG 1969 - ausdrücklich im Gesetz erwähnt. Das bedeutet jedoch nicht, daß solche Beschaffungen deshalb in jedem Fall begünstigt sein müßten. Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des Zonenrandförderungsgesetzes ergibt (vgl. hierzu Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., Anm. 3 und 4 zu § 3 ZRFG), ist das Gesetz erlassen worden, um die bis dahin nach dem Zonenrandförderungsprogramm der Bundesregierung vom 2. Juli 1953 (Bundestags-Drucksache I/4467) ohne hinreichende gesetzliche Regelung im Billigkeitswege gewährten Vergünstigungen auf eine sichere gesetzliche Grundlage zu stellen. Das Gesetz sieht vor, daß der Finanzverwaltung in einem gewissen Rahmen auch in Zukunft die Auswahl der Förderungstatbestände überlassen bleiben soll. Sie soll berechtigt bleiben, unter den an sich denkbaren Vergünstigungstatbeständen eine Auswahl nach der besonderen Förderungswürdigkeit zu treffen mit der Folge, daß weniger förderungswürdige Vorgänge von der Vergünstigung ausgenommen werden.

Die steuerlichen Förderungsmaßnahmen sollen wie früher so auch jetzt nach dem Gesetz (§ 3 ZRFG) im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile zugelassen werden, die sich aus den besonderen Verhältnissen des Zonenrandgebiets ergeben. Die Vergünstigungen sollen zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der im Zonenrandgebiet belegenen Betriebstätten und damit der gesamten Wirtschaftsstruktur dieses Gebiets beitragen (Schreiben des BMWF vom 18. August 1971). An dieser Zwecksetzung gemessen ist es nicht sachwidrig, die Begünstigung von Ersatzbeschaffungen grundsätzlich auszuschließen.

Im allgemeinen sind Erstbeschaffungen eher geeignet, den Gesetzeszweck zu fördern, weil sie in der Regel eine Vergrößerung der bis dahin vorhandenen betrieblichen Kapazität mit sich bringen, während Ersatzbeschaffungen grundsätzlich nur die bereits vorhandenen Kapazitäten aufrechterhalten. Die im Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 enthaltene Regelung ist um so weniger bedenklich, als der BMWF Sonderabschreibungen jedenfalls für solche Ersatzbeschaffungen zugelassen hat, bei denen "das angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut wegen seiner technischen Überlegenheit oder rationelleren Arbeitsweise für den Betrieb eine andere Bedeutung hat als das ausgeschiedene Wirtschaftsgut". Auf diese Weise können z. B. auch für Anschaffungen, die als Ersatz für einen veralteten Maschinenpark gedacht sind, Sonderabschreibungen gewährt werden.

Der Senat sieht es auch nicht als fehlerhafte Handhabung des Ermessens an, daß die Ersatzbeschaffung von PKW ganz allgemein - also selbst bei technischer Überlegenheit und höherer Leistung des neuen Fahrzeugs - nicht begünstigt wird. Denn in aller Regel ist mit der Anschaffung eines leistungsstärkeren Kraftwagens keine ins Gewicht fallende Verstärkung der betrieblichen Kapazität verbunden. Abgesehen hiervon spielen für den Erwerb eines leistungsstärkeren Kraftwagens vielfach auch außerberufliche Motive eine Rolle, deren steuerliche Förderung nicht geboten ist.

d) Schließlich läßt sich auch insoweit kein Ermessensfehlgebrauch erkennen, als das FA die Anschaffung des PKW R 16 als Ersatzbeschaffung nicht begünstigte, obwohl auch für das zuvor erworbene Fahrzeug keine steuerliche Vergünstigung gewährt worden war. Das FA konnte sich ohne Ermessensverstoß und ohne Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) auf den Standpunkt stellen, daß die Versagung der Vergünstigung für Ersatzbeschaffungen nicht davon abhängig ist, daß eine der vorausgegangenen Anschaffungen bereits begünstigt war. Ersatzbeschaffungen entsprechen dem gesetzlichen Förderungsziel weniger als Erstanschaffungen. Demgemäß soll es auch nicht der Wahl des Steuerpflichtigen überlassen bleiben, welcher der nacheinander folgenden Erwerbsvorgänge zu begünstigen ist.