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BFH-Urteil vom 20.3.1980 (IV R 22/77) BStBl. 1980 II S. 439

1. Beteiligt sich ein Landwirt an einer Genossenschaft, die die Verwertung und den Absatz landwirtschaftlicher Produkte zum Gegenstand hat, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Beteiligung keine bloße Kapitalanlage darstellt, sondern aus betrieblichem Anlaß erworben wurde und damit zum notwendigen Betriebsvermögen gehört.

2. Wird eine Genossenschaft in eine GmbH "umgewandelt" und erlangen die Genossen an Stelle ihrer Genossenschaftsanteile GmbH-Anteile, so liegt regelmäßig ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft vor, durch das die stillen Reserven im Buchansatz der Genossenschaftsanteile realisiert werden.

EStG § 4 Abs. 1, § 5.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist buchführender Landwirt. Zu seinem Hof gehörte im Wirtschaftsjahr 1967/68 eine Fläche von etwa 60 ha, auf der er überwiegend Getreide, aber auch Feldgemüse anbaute.

Der Kläger war Mitglied einer eingetragenen Genossenschaft mit einer Einlage (Geschäftsanteil) in Höhe von 7.500 DM.

Der Genossenschaftsanteil war seit vielen Jahren in den Bilanzen des Klägers, so auch noch in der Bilanz des Klägers zum 30. Juni 1967, unter der Position "Beteiligungen" ausgewiesen.

Am 5. Juli 1967 gründeten die 22 Mitglieder der Genossenschaft die X-GmbH (im folgenden GmbH). Jeder Gesellschafter übernahm Stammeinlagen in Höhe des Nennwerts seines Genossenschaftsanteils, der Kläger somit eine Stammeinlage von 7.500 DM. Aufgrund eines einstimmigen Beschlusses der Generalversammlung der Genossenschaft vom 2. September 1967 übertrug die Genossenschaft am 30. September 1967 ihr gesamtes Vermögen einschließlich Verbindlichkeiten ohne Gegenleistung auf die GmbH. Die GmbH führte die Buchwerte der Genossenschaft fort. Die Genossenschaft wurde anschließend im Genossenschaftsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Am 9. November 1967 unterbreiteten die Gesellschafter der GmbH der Y- AG (im folgenden AG) ein befristetes notarielles Verkaufsangebot über sämtliche GmbH-Anteile. Am 29. April 1968 nahm die AG das Angebot unverändert an und wurde damit Alleingesellschafterin der GmbH. Am 30. Mai 1968 zahlte die AG entsprechend dem Kaufvertrag vom 9. November 1967/29. April 1968 dem Kläger für seinen GmbH-Anteil einen Betrag von 150.000 DM.

Der Kläger buchte im Wirtschaftsjahr 1967/68 seinen Genossenschaftsanteil erfolgsneutral aus dem Betriebsvermögen aus, und zwar in der Weise, daß er den von der GmbH am 26. Oktober 1967 für seinen Genossenschaftsanteil auf das betriebliche Bankkonto überwiesenen Einlagebetrag von 7.500 DM gegen Beteiligungskonto verrechnete. Die Stammeinlage von 7.500 DM auf die GmbH-Anteile leistete der Kläger am 27. Oktober 1967. Dazu hob er vom betrieblichen Bankkonto 7.500 DM ab, zahlte diese auf ein privates Sparguthaben ein, hob den Betrag jedoch am selben Tage wieder von diesem Sparkonto ab und überwies ihn an die GmbH. Die von der AG überwiesenen 150.000 DM behandelte der Kläger als private, nicht einkommensteuerpflichtige Einnahme.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ nach Maßgabe der Einkommensteuererklärungen des Klägers endgültige Einkommensteuerbescheide für 1967 und 1968. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das FA jedoch die Auffassung, daß der Kläger seinen Genossenschaftsanteil gegen einen GmbH-Anteil getauscht und damit Gewinn realisiert habe und daß der Wert des Genossenschaftsanteils angesichts der kurzen Zeit zwischen dem Verkaufsangebot über die GmbH-Anteile und der Übertragung des Genossenschaftsvermögens auf die GmbH gleich dem Verkaufspreis für die GmbH-Anteile zu setzen sei. Der Kläger habe damit einen Gewinn von 150.000 DM abzüglich 7.500 DM = 142.500 DM erzielt. Demgemäß erließ das FA am 14. Juni 1972 gem. § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) berichtigte Einkommensteuerbescheide für 1967 und 1968.

Einspruch und Klage waren erfolglos. Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 105 (EFG 1977, 105) auszugsweise veröffentlicht.

Mit der Revision beantragt der Kläger dem Sinne nach, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für 1967 und 1968 ohne die streitige Gewinnerhöhung von 142.500 DM festzusetzen, hilfsweise, für die streitige Gewinnerhöhung den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu gewähren. Der Kläger rügt Verletzung materiellen Rechts, insbesondere der §§ 6, 13, 20 EStG sowie Verfahrensmängel.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der Vorentscheidung ist darin zu folgen, daß der Kläger im Wirtschaftsjahr 1967/68 - über den unstreitigen Gewinn hinaus - durch den in Rede stehenden "Veräußerungs- bzw. Tauschvorgang" einen zusätzlichen laufenden Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 142.500 DM bezogen hat.

a) Zu Recht geht die Vorentscheidung davon aus, daß der Genossenschaftsanteil am 30. Juni 1967, also an dem dem streitigen Wirtschaftsjahr vorangegangenen Bilanzstichtag noch zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Klägers gehörte.

Beteiligt sich ein Landwirt an einer Genossenschaft, die die Verwertung und den Absatz landwirtschaftlicher Produkte zum Gegenstand hat, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Beteiligung keine bloße Kapitalanlage darstellt, sondern aus betrieblichem Anlaß erworben wurde und damit zum notwendigen Betriebsvermögen gehört. Denn, wie die Vorentscheidung zutreffend hervorhebt, eine Genossenschaft dient ihrem Wesen nach der "Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs" (vgl. § 1 des Genossenschaftsgesetzes - GenG -).

Für den Streitfall folgt daraus, daß der Genossenschaftsanteil jedenfalls zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kläger bzw. sein Vater der Genossenschaft als Mitglied beitrat, notwendiges Betriebsvermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes war und das FA deshalb zu Recht einen Ausweis der Beteiligung in den Bilanzen forderte. Denn irgendwelche Anhaltspunkte, die geeignet sind, die oben erwähnte tatsächliche Vermutung in Frage zu stellen, sind weder festgestellt noch vorgetragen.

Ob, wie die Revision offenbar geltend machen will, der Genossenschaftsanteil in der Folgezeit deshalb die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen verloren hat, weil die Genossenschaft die landwirtschaftlichen Produkte in gleicher Weise und zu gleichen Konditionen von Mitgliedern wie Nichtmitgliedern bezog und der Kläger deshalb aus der Mitgliedschaft keinen Vorteil für seinen landwirtschaftlichen Betrieb hatte, ist unerheblich, weil ein Wirtschaftsgut, das im Zeitpunkt seines Erwerbs notwendiges Betriebsvermögen war, die Eigenschaft als Betriebsvermögen erst durch Entnahme verliert (und nicht bereits durch Änderungen in den Umständen, die die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen begründet haben). Hiervon abgesehen verkennt die Revision, daß die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft jedenfalls insofern stets den landwirtschaftlichen Betrieb des Klägers förderte, als sie ihm für Gegenwart und Zukunft, insbesondere also für Zeiten, in denen der Absatz der einschlägigen Produkte nicht problemlos vor sich geht, im Verhältnis zu Nichtmitgliedern den Absatz sicherte. Denn es liegt auf der Hand, daß der Kläger über seine Mitgliedschaft bei der Genossenschaft für den Fall des Überangebots auf eine bevorzugte Abnahme von Produkten von Mitgliedern Einfluß nehmen konnte.

b) Zutreffend hat die Vorentscheidung sodann ausgeführt, daß durch die "Umwandlung" der Genossenschaft in eine GmbH die Genossen, und somit auch der Kläger, ihre Genossenschaftsanteile wirtschaftlich gesehen in GmbH-Anteile umtauschten und damit entgeltlich veräußerten, und daß der Tausch am 30. September 1967 vollzogen wurde, weil an diesem Tage durch die unentgeltliche Vermögensübertragung von der Genossenschaft auf die GmbH die Genossenschaftsanteile wertlos und der Wertverlust durch eine gleichhohe Wertsteigerung bei den GmbH-Anteilen ausgeglichen wurde. Der Senat pflichtet der Vorentscheidung insbesondere auch darin bei, daß für die Wertung der "Umwandlung" als gewinnrealisierenden Tausch der Genossenschaftsanteile gegen GmbH-Anteile die zivilrechtliche Gestaltung nicht ausschlaggebend ist; vor allem steht der Annahme eines Tausches und damit eines entgeltlichen Veräußerungsgeschäftes nicht entgegen, daß die Genossenschaftsanteile nicht auf die GmbH übertragen wurden, von der die Genossen, so auch der Kläger, die Gegenleistung in Gestalt der GmbH-Anteile erlangten, sondern durch Löschung der Genossenschaft im Genossenschaftsregister untergingen. Entscheidend ist allein, daß der Kläger den GmbH-Anteil nicht erlangt hätte, wenn er nicht der "Aushöhlung" der Genossenschaft zugestimmt hätte, daß er also insofern unmittelbar den Genossenschaftsanteil zwecks Erwerbs des GmbH-Anteils "hingegeben" hat.

Neben der Sache liegt der Einwand der Revision, die Genossenschaftsanteile und die GmbH-Anteile seien funktionsgleich; ebenso wie in den Fällen der formwechselnden Umwandlung einer Genossenschaft in eine AG und der echten Verschmelzung einer Genossenschaft mit einer Kapitalgesellschaft führe auch im Streitfall der Umtausch von Genossenschaftsanteilen in Anteile an einer Kapitalgesellschaft nicht zu einer Gewinnrealisierung.

Offenbar will die Revision damit geltend machen, daß die Genossenschaftsanteile und die GmbH-Anteile nach den Grundsätzen des sog. Tauschgutachtens (BFH-Gutachten vom 16. Dezember 1958 I D 1/57 S, BFHE 68, 78, BStBl III 1959, 30) wirtschaftlich identisch, nämlich art-, wert- und funktionsgleich sind, und deshalb der Umtausch zu keiner Gewinnrealisierung führt. Wäre dem zu folgen, wären also die Genossenschaftsanteile und die GmbH-Anteile wirtschaftlich identisch, so wären die GmbH-Anteile schon aus diesem Grunde notwendigerweise ebenso wie die Genossenschaftsanteile als Betriebsvermögen zu qualifizieren; damit wäre Gewinn zwar nicht durch den Umtausch, wohl aber durch die anschließende Veräußerung der GmbH-Anteile realisiert worden, und zwar im Wirtschaftsjahr 1967/68. Die Argumentation der Revision, die Genossenschaftsanteile und die GmbH-Anteile seien funktionsgleich (= wirtschaftlich identisch), die GmbH-Anteile seien aber gleichwohl nicht Betriebsvermögen geworden, ist in sich widerspruchsvoll.

Ob der durch die Hingabe des Genossenschaftsanteils erworbene GmbH-Anteil zum Betriebsvermögen des Klägers gehört, wie die Vorentscheidung annimmt, oder, wie die Revision offenbar will, vom Kläger im Privatvermögen erworben worden ist, kann offenbleiben. Denn in jedem Falle wurde durch ein entgeltliches Veräußerungsgeschäft hinsichtlich des Genossenschaftsanteils (Tausch) Gewinn realisiert. War der GmbH-Anteil Betriebsvermögen, so folgt die Gewinnrealisierung bilanzrechtlich daraus, daß der durch Tausch erworbene GmbH-Anteil mit dem Wert des hingegebenen Genossenschaftsanteils als Anschaffungskosten zu aktivieren ist. War der GmbH-Anteil Privatvermögen, so hatte der Kläger bilanzrechtlich im Betriebsvermögen den Anspruch auf die Gegenleistung für den Genossenschaftsanteil (mit dem Wert des für private Zwecke zu erwerbenden GmbH-Anteils) erfolgswirksam zu aktivieren und sodann diesen Anspruch erfolgsneutral als Entnahme auszubuchen.

c) Zutreffend hat das FG schließlich entschieden, aus der Höhe des Verkaufsangebots vom 9. November 1967 sei zu schließen, daß sowohl der Genossenschaftsanteil des Klägers vor der Vermögensübertragung der Genossenschaft auf die GmbH (30. September 1967) als auch der dafür erlangte GmbH-Anteil nach dieser Vermögensübertragung etwa 150.000 DM wert gewesen und demgemäß ein Gewinn in Höhe von 142.500 DM entstanden sei.

Die Einwände der Revision können nicht überzeugen. Aus der Tatsache, daß die GmbH in der Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1967 einen Handelsbilanzgewinn von 598.654 DM erzielt hat, folgt noch nicht, daß der Genossenschaftsanteil bzw. der GmbH-Anteil des Klägers am 30. September 1967 weniger wert waren als der Kaufpreis von 150.000 DM im Verkaufsangebot vom 9. November 1967. Irgendwelche konkreten Anhaltspunkte dafür, daß und aus welchen Gründen das Angebot auch an Wertsteigerungen orientiert ist, die in der kurzen Zeit vom 30. September bis 9. November 1967 erkennbar eingetreten sind, hat der Kläger nicht vorgetragen. Zu einem solchen Sachvortrag hatte der Kläger jedoch um so mehr Anlaß, als er vor dem FG einräumte, daß die Kaufverhandlungen vom April 1967 nicht an den damaligen Kaufpreisforderungen gescheitert sind und nicht ersichtlich ist, daß der später erzielte Kaufpreis wesentlich höher war als der damals geforderte Kaufpreis.

d) Schließlich kann auch die Rüge der Revision, aus Billigkeitsgründen wäre eine Anwendung des § 34 EStG geboten gewesen, keinen Erfolg haben. Offenbar hält die Revision eine Anwendung des § 34 EStG aus Billigkeitsgründen deshalb für geboten, weil die Finanzverwaltung Niedersachsen - nach Meinung der Revision - in der Frage, ob der Umtausch von Genossenschaftsanteilen in GmbH-Anteile zu einer Gewinnrealisierung führt, eine andere Auffassung vertritt als die Finanzverwaltung in anderen Bundesländern.

Diese Überlegungen können deshalb keine Billigkeitsmaßnahmen rechtfertigen, weil, wie ausgeführt, die Annahme einer wirtschaftlichen Identität zwischen Genossenschaftsanteil und GmbH-Anteil notwendigerweise zu einem steuerpflichtigen und nicht tarifbegünstigten Gewinn aus dem Verkauf des GmbH-Anteils von 142.500 DM führen müßte.

Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen erachtet der Senat für nicht durchgreifend; von einer Begründung dieser Entscheidung wird gem. Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I, 1.861, BStBl I 1975, 932) abgesehen.