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BFH-Urteil vom 8.2.1980 (III R 104/78) BStBl. 1980 II S. 474

Für Gebäude und Gebäudeteile, die entgegen den materiellen baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtet worden sind, kann eine Investitionszulage nicht gewährt werden.

InvZulG 1975 § 4b.

Sachverhalt

Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage gemäß § 4b des Investitionszulagengesetzes 1975 (InvZulG 1975) für ein ohne Baugenehmigung errichtetes Gebäude hat.

Der Kläger betreibt ein Bauunternehmen. Im Jahre 1975 baute er an eine bestehende Fabrikhalle ein Ausländerwohnheim an. Eine Baugenehmigung hierfür beantragte er nicht. Baubeginn war der 27. Mai 1975. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag des Klägers, ihm für die Errichtung des Wohnheims eine Investitionszulage gemäß § 4b InvZulG 1975 zu gewähren, unter Hinweis auf die fehlende Baugenehmigung ab.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Seiner Ansicht nach setzt die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975 für Gebäude nicht einen Antrag auf Baugenehmigung voraus. Die Regelung des § 4b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975, wonach als Beginn der Herstellung bei Gebäuden der Zeitpunkt gilt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird, habe lediglich Bedeutung für die zeitliche Begrenzung der Vergünstigung. Keinesfalls habe der Gesetzgeber mit ihr ordnungspolitische Ziele, nämlich das Bauen ohne Baugenehmigung zu unterbinden, erreichen wollen. Die Schaffung des § 4b InvZulG 1975 habe konjunkturpolitischen Zwecken gedient. Dem entspreche es, die Zulage auch demjenigen zu gewähren, der mit der Herstellung eines Gebäudes innerhalb des allgemeinen Vergünstigungszeitraumes tatsächlich begonnen hat.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der Verletzung des § 4b InvZulG 1975 gerügt wird. Nach Ansicht des FA widerspricht es der Zielsetzung dieser Vorschrift, Bauvorhaben zu begünstigen, die gegen materielles Baurecht verstoßen. Diese materielle Illegalität könne später zum Abbruch des Gebäudes führen. In einem solchen Fall könne nicht noch eine öffentliche Förderung gewährt werden. Ob ein Gebäude dem materiellen Baurecht entspreche, könnten nur die zuständigen Bauverwaltungsbehörden abschließend entscheiden. Deshalb sei es folgerichtig, die Herstellung eines Gebäudes nur dann als zulagebegünstigt anzusehen, wenn eine Baugenehmigung vorliege. Solange dies nicht der Fall sei, sei eine dem materiellen Baurecht entsprechende Bauausführung nicht sichergestellt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er macht insbesondere geltend, das Ausländerwohnheim entspreche den Anforderungen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Die Gewährung einer Investitionszulage nach § 4b InvZulG 1975 (BGBl I 1975, 528, BStBl I 1975, 205) setzt voraus, daß der Steuerpflichtige "begünstigte Investitionen" vorgenommen hat. Begünstigte Investitionen sind nach § 4b Abs. 2 InvZulG 1975 u. a. die Herstellung von abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, wenn der Steuerpflichtige mit der Herstellung der Wirtschaftsgüter nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 begonnen hat, und wenn die Wirtschaftsgüter innerhalb einer bestimmten Frist fertiggestellt werden.

2. a) In Tz. 139 seines Schreibens vom 5. Mai 1977 IV - B 2 - S 1988 - 150/77 (BStBl I 1977, 246 [262]) vertritt der Bundesminister der Finanzen (BdF) die Auffassung, daß für Gebäude und Gebäudeteile, die entgegen der baurechtlichen Vorschrift ohne Baugenehmigung errichtet worden sind, eine Investitionszulage auch dann nicht zu gewähren sei, wenn mit den Bauarbeiten nach dem 30. November 1974 und vor dem 1. Juli 1975 begonnen worden ist. Der Senat ist der gleichen Rechtsauffassung.

Zwar ist nach dem Wortlaut des § 4b Abs. 2 InvZulG 1975 die Gewährung der Investitionszulage nicht davon abhängig, daß eine nach dem Bauordnungsrecht erforderliche Baugenehmigung erteilt worden ist. Das Erfordernis einer Baugenehmigung kann auch nicht aus den Regelungen der Sätze 5 und 6 des § 4b Abs. 2 InvZulG 1975 hergeleitet werden. Nach diesen Vorschriften gilt als Beginn der Herstellung bei Gebäuden und Gebäudeteilen der Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Baugenehmigung gestellt wird. Ist der Antrag auf Baugenehmigung vor dem 1. Dezember 1974 gestellt worden, gilt als Beginn der Herstellung der Beginn der Bauarbeiten. Diese Vorschriften bestimmen lediglich den Zeitpunkt des Beginns der Herstellung näher.

Der Zielsetzung des § 4b InvZulG 1975, die abgeschwächte Wirtschaftstätigkeit und die rückläufige Beschäftigung zu beleben (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksachen 7/2979 und 7/3010), wird zwar allgemein durch die Errichtung eines Gebäudes innerhalb des maßgeblichen Begünstigungszeitraumes Rechnung getragen. Es wäre jedoch im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung verfehlt, ein entgegen den materiellen baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtetes Gebäude (errichteten Gebäudeteil) durch Gewährung einer Investitionszulage zu fördern. Für Bauvorhaben, die mit den materiellen Vorschriften des Bauordnungsrechts nicht vereinbar sind, darf eine Baugenehmigung grundsätzlich nicht erteilt werden. Werden derartige Anlagen gleichwohl errichtet, so kann dies die zuständige Verwaltungsbehörde zur Forderung auf Beseitigung der Anlage berechtigen.

b) Es obliegt dem Steuerpflichtigen, spätestens bis zum Ablauf der mündlichen Verhandlung vor dem FG den Nachweis zu erbringen, daß das Gebäude (Gebäudeteil), für dessen Herstellung er Investitionszulage begehrt, dem materiellen Bauordnungsrecht entspricht. Dies hat regelmäßig durch Vorlage der Baugenehmigung zu geschehen.

3. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Für das Bauvorhaben der Klägerin ist bis zum Ablauf der mündlichen Verhandlung beim FG keine Baugenehmigung erteilt worden. Die Klägerin hat ihrem eigenen Vortrag im Revisionsverfahren zufolge sogar zu keinem Zeitpunkt einen Bauantrag gestellt. Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.