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BFH-Urteil vom 29.4.1980 (VII K 5/77) BStBl. 1980 II S. 593

Ist eine vZTA wegen Änderung der in ihr angewendeten Tarifstelle außer Kraft getreten, so kann ein berechtigtes Interesse des Klägers an der Feststellung, die vZTA sei rechtswidrig gewesen, jedenfalls dann aus seiner Absicht, eine neue vZTA zur gleichen Ware zu beantragen, hergeleitet werden, wenn eindeutig feststeht, daß eine materielle Rechtsänderung nicht eingetreten und daher mit Sicherheit anzunehmen ist, daß die OFD an der von ihr in dem jetzt erledigten Rechtsbehelfsverfahren nachdrücklich vertretenen Auffassung bei der Erteilung der neuen vZTA festhalten wird.

ZG § 23; FGO § 100 Abs. 1 Satz 4.

[Das Urteil wurde nur mit den Entscheidungsgründen veröffentlicht.]

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Entscheidungsgründe

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Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 ZG tritt eine vZTA außer Kraft, wenn die in ihr angewendeten Rechtsvorschriften geändert werden. Diese Voraussetzung trifft im Streitfalle zu. Die Tarifst. 51.04 A, der die OFD die streitigen Waren zugeordnet hat, ist durch die VO Nr. 2800/78 mit Wirkung vom 1. Januar 1979 materiell geändert worden. Die Tarifst. 51.04 A a. F. ist in die weiteren Unterpositionen A I - IV aufgegliedert worden. Für die Frage, ob die in der vZTA angewendeten Rechtsvorschriften geändert worden sind, kann im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin nicht allein darauf abgestellt werden, daß die Tarifnrn. 51.04 (mit Ausnahme der Unterpositionen I-IV) und 59.08 und die von der OFD daneben angewendete Vorschrift 2 A zu Kap. 59 erhalten geblieben sind. Auf das Urteil des erkennenden Senats vom 21. Januar 1964 VII 162/62 U (BFHE 78, 393, BStBl III 1964, 150) kann die Klägerin sich deshalb nicht berufen, weil es zum Zollgesetz 1939 ergangen ist, das eine andere Rechtslage vorsah, und weil daneben im Streitfall durch die VO Nr. 2800/78 nicht etwa nur die Jahresbezeichnung des Zolltarifs geändert worden ist.

Nachdem sich aufgrund dieser Rechtslage die angefochtene vZTA vor einer Entscheidung über die Klage erledigt hatte (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 17. Januar 1978 VII K 7/76, BFHE 124, 150, und vom 4. April 1978 VII K 4/77, BFHE 125, 24, BStBl II 1978, 407) ist die Klägerin, ohne den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, von der Anfechtungsklage auf die sog. Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) übergegangen. Nach dieser Vorschrift spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Im Streitfalle ist die Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, weil die Klägerin ein solches Interesse hat. Das Interesse an der Feststellung, daß der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig war, ist nur dann anzuerkennen, wenn es durch die Sachlage aus rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Sicht gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Mai 1976 VII R 108/73, BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566). In seinem Urteil in BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566 hat der Senat entschieden, daß ein berechtigtes Interesse nicht durch den Hinweis auf einen Schadensersatzprozeß begründet werden kann, wenn dieser offensichtlich aussichtslos ist. Dies trifft im Streitfalle zu, weil die Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag Schadensersatzansprüche nicht einmal geltend gemacht hat. In seinem grundlegenden Urteil vom 4. April 1978 VII K 4/77 (BFHE 125, 24, BStBl II 1978, 407) hat der Senat die Voraussetzungen für die Anerkennung eines berechtigten Interesses bei Erledigung einer vZTA dahin definiert, daß es weder aus der Absicht des Klägers hergeleitet werden kann, die Erstattung von Zollbeträgen zu beantragen, noch aus seiner Absicht, für die weitere Einfuhr der in der erledigten vZTA beschriebenen Ware eine neue vZTA zu beantragen. Er hat dazu unter Ziff. 5 der Entscheidungsgründe ausgeführt, eine Berechtigung der Klägerin für das Feststellungsbegehren könne nicht daraus abgeleitet werden, daß die in der erledigten vZTA angewendete Tarifst. 39.07 E II den gleichen Wortlaut habe wie die nunmehrige Tarifst. 39.07 E IV, und daß daher bei der Einholung einer neuen vZTA die OFD wahrscheinlich ihre tarifliche Entscheidung nach den gleichen Gesichtspunkten wie bei den erledigten vZTA treffen werde. Er hat weiter ausgeführt, daß es sich bei einer vZTA nicht um eine Eingriffsmaßnahme, sondern um eine Erklärung der OFD über die nach ihrer Meinung richtige Tarifstelle für die betreffende Ware handele. Sie gebe dem Antragsteller besondere Rechte gegenüber bestimmten Zollstellen, werde nur auf sein Verlangen angewendet und führe dazu, daß aus formellen Gründen das materielle Recht zugunsten des dem Antragsteller gewährten Vertrauensschutzes zurückzutreten habe. Es müsse daher stets zunächst der OFD überlassen bleiben, wie sie die im Antrag auf Erteilung einer vZTA beschriebene Ware beurteile und an welch tarifliche Einordnung der Ware sie die in Betracht kommenden Zollstellen binden wolle.

Diese Auffassung hält der Senat für solche Fälle nicht aufrecht, in denen eindeutig feststeht, daß eine materielle Rechtsänderung nicht eingetreten und daher mit Sicherheit anzunehmen ist, daß die OFD an der von ihr in dem jetzt erledigten Rechtsbehelfsverfahren nachdrücklich vertretenen Auffassung bei der Erteilung einer neuen vZTA festhalten wird. Das ist aber hier der Fall. Für die Tarifierung kommen vor und nach der Änderung die Tarifnrn. 51.04 und 59.08 in Betracht. Unabhängig davon, daß nach der von der OFD für richtig gehaltenen Tarifierung nicht mehr allein die Tarifst. 51.04 A, sondern eine der weiteren Unterstellen I-IV dieser Tarifstelle in Betracht kommen muß, liegt doch die eigentliche Rechtsgrundlage für die Zuweisung der streitigen Ware zu einer der Tarifnrn. 51.04 und 59.08 in der Vorschrift 2 A zu Kap. 59, wonach Gewebe nicht zu diesem Kapitel gehören, bei denen das Tränken, Bestreichen oder Überziehen mit bloßem Auge nicht wahrnehmbar ist (im allgemeinen Kap. 50 bis 58 und 60). Der Klägerin ist beizupflichten, daß es für die Tarifierung trotz der Änderung der Tarifnr. 51.04 auch in einer neu zu erteilenden vZTA zu allererst auf die unverändert erhalten gebliebene Vorschrift 2 A zu Kap. 59 ankommen wird. Sie hat deshalb schon im vorliegenden Fortsetzungsfeststellungsverfahren ein rechtliches Interesse daran, ob diese auf die Wahrnehmbarkeit technischer Vorgänge mit dem bloßen Auge abstellende Vorschrift wirksam und ob die darauf beruhende Entscheidung der OFD bei der Tarifierung richtig gewesen ist. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist danach zulässig.

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