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BFH-Urteil vom 4.6.1980 (II R 109/77) BStBl. 1980 II S. 597

Ein Landwirt kann nicht gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des GrEStAgrG NW Grundstücke steuerfrei erwerben, wenn der von ihm bewirtschaftete Hof seiner Ehefrau bereits die Größe eines Familienbetriebes i. S. dieser Vorschrift hat.

GrEStAgrG NW 1966 § 1 Abs. 1 Nr. 1.

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom ... ein ... ha großes landwirtschaftliches Grundstück in Nordrhein-Westfalen für ... DM. Er beantragte Steuerbefreiung gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung vom 29. März 1966 (GrEStAgrG) mit der Begründung, der Erwerb diene der Vergrößerung seines ... ha großen landwirtschaftlichen Betriebes.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte Grunderwerbsteuer fest. Die begehrte Steuerbefreiung lehnte das FA ab mit der Begründung, der Kläger bewirtschafte gemeinsam mit seinen eigenen Grundstücken den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Ehefrau. Dieser sei mit seinen (des Klägers) Grundstücken bewertungsrechtlich zu einem einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb zusammengefaßt, dessen Größe mit ... ha die Höchstgrenze von 51 ha gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsgrößenklasse II der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur und auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Siedlung (GrEStAgrDV) überschreite.

Mit Einspruch und Klage machte der Kläger vergeblich geltend, er wolle nicht den Betrieb seiner Ehefrau, sondern seinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb aufstocken. Dieser sei bisher nur ... ha groß gewesen und überschreite auch mit der zugekauften Fläche nicht die Höchstgrenze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrDV. Daß die beiden landwirtschaftlichen Betriebe bewertungsrechtlich zusammengefaßt worden seien, sei im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG unerheblich.

Entscheidungsgründe

II.

Die vom Finanzgericht (FG) zugelassene Revision des Klägers ist unbegründet.

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG begünstigt den Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken bis zur Größe eines Familienbetriebes, also die Schaffung einer Existenzgrundlage für die Familie des Erwerbers. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß bereits der landwirtschaftliche Betrieb, welcher der Ehefrau des Klägers gehört, die Höchstgrenze des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrDV überschreitet. Ist aber ein solcher Betrieb bereits vorhanden, so ist kein Grund ersichtlich, den Erwerb weiterer Grundstücke durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG zu begünstigen. Die genannte Vorschrift soll nur sicherstellen, daß Eheleute landwirtschaftliche Grundstücke für eine ausreichende Existenzgrundlage ihrer Familie erwerben können. Sie begünstigt nicht etwa die Kapitalanlage. Entgegen der Ansicht des Klägers ermöglicht sie daher nicht jedem Ehegatten die Aufstockung eines gesonderten Hofes bis zur Größe eines Familienbetriebes.

Diese aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes sich ergebende Folge ist - wie das FG zu Recht hervorhebt - auch dem Wortlaut des Gesetzes zu entnehmen. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG begünstigt auch den Erwerb durch den Ehegatten des Landwirtes. Dieser Ehegatte kann, obwohl er nicht Landwirt und nicht Eigentümer eines Hofes zu sein braucht, Grundstücke zur Aufstockung des Hofes des anderen Ehegatten steuerfrei erwerben. Die Vorschrift behandelt daher zum Vorteil der Familie diese - was die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz der Familienmitglieder anbetrifft - als eine Einheit. Daraus folgt weiter, daß für diese Einheit nur eine wirtschaftliche Existenz steuerbegünstigt geschaffen werden kann; denn diese wirtschaftliche Existenz in Form des Familienbetriebes ist vom Gesetzgeber auch so bemessen, daß sie für die gesamte Familie ausreicht (vgl. § 1 GrEStAgrDV). Dementsprechend schließt § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG auch nicht aus, daß - wie der Senat bereits entschieden hat - die Ehegatten Miteigentum an dem Grundstück erwerben (vgl. das Urteil vom 8. Oktober 1975 II R 39/70, BFHE 117, 292, BStBl II 1976, 164). Auch hier gestattet der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG aber nicht, daß die Miteigentümer mehr als diesen einen - ihnen in Miteigentum gehörenden - Betrieb aufstocken.

Der Senat kann in dieser gesetzlichen Regelung entgegen der Auffassung des Klägers auch keine verfassungswidrige Benachteiligung von Ehegatten sehen. Denn die steuerbegünstigte Aufstockung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bis zur Größe eines Familienbetriebes hat den Sinn, eine landwirtschaftliche Betriebsstruktur zu schaffen, die es einer aus drei Arbeitskräften bestehenden Familie (vgl. § 2 Abs. 2 GrEStAgrG) ermöglicht, ihre Arbeitskraft in einem solchen Betrieb wirtschaftlich sinnvoll einzusetzen. Der Zweck der Vergünstigungsvorschriften wird damit am vollkommensten erreicht, wenn - wie im Streitfall - eine Familie Eigentümer eines solchen Betriebes ist und ihn selbst bewirtschaftet.

Ob der Kläger überhaupt Eigentümer eines nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStAgrG aufstockungsfähigen landwirtschaftlichen Betriebes ist, d. h. ob ihm auch eine Hofstelle gehört, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Das FG hat hierzu - aus seiner Sicht zu Recht - keine Tatsachen festgestellt.