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BFH-Urteil vom 19.6.1980 (II R 41/76) BStBl. 1980 II S. 631

1. Im Falle der Schenkung eines Geschäftsanteils an einer GmbH unter Vorbehalt des Nießbrauchs ist bei der schenkungsteuerlichen Bewertung des Erwerbs § 16 Abs. 1 BewG 1965 nicht im Hinblick darauf unanwendbar, daß diese Bewertung einen Schuldabzug beim Duldungsverpflichteten zum Gegenstand hat.

2. Unanwendbarkeit ergibt sich ebenfalls nicht daraus, daß die GmbH eine sog. Familiengesellschaft darstellt und daß der Beschenkte deren Geschäftsführer ist.

BewG 1965 § 16 Abs. 1.

Sachverhalt

I.

Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) sind die Erben des am 20. Dezember 1974 verstorbenen Fabrikanten ... (Erblasser). Diesem hatte seine am 1. Juni 1891 geborene Mutter mit notariell beurkundetem Vertrag vom 17. Februar 1967 einen Geschäftsanteil von 600.000 DM an der X Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) geschenkt, wobei sie sich den lebenslänglichen Nießbrauch an dem Geschäftsanteil vorbehalten hatte. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) betrug der gemeine Wert des Geschäftsanteils 1.398.000 DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte daraufhin gegen den Erblasser unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 30.000 DM Schenkungsteuer in Höhe von 88.182 DM (= 9 v. H. aus 979.800 DM) endgültig fest. Den Wert des Erwerbs (1.009.889 DM) hatte das FA in der Weise errechnet, daß es von dem Wert des Geschäftsanteils den fünffachen Jahreswert des Nießbrauchs (388.111 DM; richtig: 388.333 DM) abgesetzt hatte, wobei vom FA als Jahreswert 1/18 des Geschäftsanteilswertes angenommen worden war.

Der Sprungklage gab das FG statt und setzte die Schenkungsteuer auf 65.280 DM herab. Bei der Bewertung des Nießbrauchs errechnete das FG aufgrund der "Dividende" der GmbH für 1966 von 20 v. H. einen Jahreswert von 120.000 DM und einen Kapitalwert von 600.000 DM. Zur Begründung führte es in seinem - veröffentlichten (Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 353 - EFG 1976, 353 -) - Urteil aus, zwar gelange man bei der Auslegung des § 16 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG) in der seinerzeit geltenden Fassung nach dessen Wortlaut und nach dessen Stellung im System des Gesetzes zu keinem eindeutigen, für die Kläger günstigen Ergebnis. Der Entstehungsgeschichte der Norm lasse sich jedoch entnehmen, daß der Gesetzgeber die Beschränkung des Jahreswertes von Nutzungen eines Wirtschaftsgutes auf 1/18 des Wirtschaftsgutswertes nicht auch mit Wirkung für den Duldungsverpflichteten habe anordnen wollen.

Mit der Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Kläger sind den Ausführungen des FA entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sprungklage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß die in § 16 Abs. 1 BewG 1965 festgelegte Begrenzung des Jahreswertes von Nutzungen eines Wirtschaftsgutes nur für den Berechtigten, nicht aber für den Verpflichteten gelte. Der Bundesfinanzhof - BFH - (Urteil vom 20. Januar 1978 III R 120/75, BFHE 124, 234, BStBl II 1978, 257) hat inzwischen entschieden, daß die erwähnte Vorschrift ebenso wie die gleichfalls die Ermittlung des Kapitalwerts wiederkehrender Nutzungen oder Leistungen behandelnden Vorschriften der §§ 13 bis 16 BewG nur der Wertermittlung dient und daß ihre Anwendbarkeit nicht darauf abgestellt ist, ob der gefundene Wert einen positiven Vermögensbestandteil oder eine Schuldverpflichtung betrifft. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat aufgrund der in der zitierten Entscheidung angeführten Überlegungen an. Er kommt daher zu dem Ergebnis, die in § 16 Abs. 1 BewG vorgesehene Beschränkung des Jahreswertes ist im vorliegenden Fall nicht dadurch unanwendbar, daß hier die Wertermittlung für einen Schuldabzug vorgenommen wird.

2. Die Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 BewG entfällt ebenfalls nicht im Hinblick darauf, daß es sich nach dem Klägervorbringen bei der GmbH um eine Familiengesellschaft handelt und daß in der fraglichen Zeit der Erblasser deren Geschäftsführer war, wie von der Klägerseite weiter geltend gemacht wird. Zwar hat der III. Senat (BFH-Urteil vom 24. April 1970 III R 36/67, BFHE 99, 208, 214, BStBl II 1970, 591) für den Fall eines obligatorischen Nutzungsrechtes zu der dem § 16 Abs. 1 BewG vorausgegangenen Vorschrift (§ 17a Abs. 1 BewG) die Ansicht vertreten, daß nach Sinn und Zweck des Gesetzes Einschränkungen für die Begrenzung des Jahreswertes auf den 18. Teil sich dann ergeben können, wenn es an der Voraussetzung fehlt, das enge rechtliche und wirtschaftliche Bindungen zwischen dem Anspruch des Nutzungsberechtigten und dem genutzten Wirtschaftsgut bestehen und daß der Anspruch nicht über die Nutzung des Wirtschaftsguts hinausgreifen darf. Es kann dahingestellt bleiben, ob in Beziehung auf etwaige Grenzen für die Anwendung des § 16 Abs. 1 BewG dingliche Nutzungsrechte ebenso zu behandeln sind wie obligatorische (vgl. hierzu Gürsching/Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl., § 16 BewG Rdnr. 18). Selbst wenn diese Frage bejaht werden müßte, könnten die Kläger für sich hieraus nichts herleiten, da es daran fehlen würde, daß statt sachbezogener leistungsbezogene Nutzungen gegeben sind. Von derartigen Umständen kann allenfalls dann die Rede sein, wenn zur Erlangung von wiederkehrenden Nutzungen eine Tätigkeit durch den Berechtigten oder Verpflichteten entfaltet werden muß, die über eine der Vermögensverwaltung gleichzuachtende Tätigkeit hinausgeht (vgl. Gürsching/Stenger, a. a. O., § 16 BewG Rdnr. 19f.). Zureichende Anhaltspunkte dafür, daß dies der Fall wäre, sind nicht dem Hinweis der Kläger darauf zu entnehmen, daß es sich bei der GmbH um eine Familiengesellschaft handele; denn damit ist nicht dargetan, daß die Nutzungen leistungsbezogene statt sachbezogener Momente enthielten. Sie sind ferner nicht darin zu finden, daß der Erblasser in der fraglichen Zeit Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, wie die Kläger weiter geltend machen. Die Geschäftsführertätigkeit wird nicht aufgrund der Inhaberschaft eines Geschäftsanteils erbracht; ihr Leistungsgrund liegt vielmehr in dem entsprechenden Anstellungsvertrag. Im übrigen hat die Geschäftsführervergütung den Ertrag des Unternehmens der GmbH bereits gemindert.

Das angefochtene Urteil war hiernach aufzuheben.

3. Aufgrund der Feststellungen des FG, insbesondere aufgrund der mit der Revision nicht angegriffenen Feststellung zum gemeinen Wert des Geschäftsanteils, ist der erkennende Senat in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden. Angesichts des Geschäftsanteilswertes von 1.398.000 DM, des Kapitalwertes des Nießbrauchs von 388.333 DM, eines Freibetrages von 30.000 DM und des maßgebenden Steuersatzes von 9,5 v. H. (nicht 9 v. H.) beträgt die nach dem Gesetz geschuldete Steuer 93.062 DM. Da vom FA jedoch nur 88.182 DM endgültig festgesetzt sind, war die Sprungklage im vollen Umfang abzuweisen.