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BFH-Urteil vom 12.6.1980 (IV R 124/77) BStBl. 1980 II S. 645

§ 34 Abs. 4 EStG setzt voraus, daß derjenige, der die Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit erzielt hat, auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder der Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG bezogen hat. § 26 b EStG 1975, der für die Zusammenveranlagung von Ehegatten vorschreibt, daß die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt haben, zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden, hat nichts daran geändert, daß die Steuersatzermäßigung nach § 34 Abs. 1, Abs. 4 EStG nur gewährt werden kann, wenn die fraglichen Einkünfte von derselben Person erzielt worden sind.

EStG 1975 § 34 Abs. 1, Abs. 4, § 26b.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Rechtsanwalt freiberuflich tätig. Er erzielte im Streitjahr einen Gewinn von 30.026 DM. Seine Ehefrau ist Lehrerin. Sie ist wegen der Geburt eines Kindes ohne Dienstbezüge beurlaubt. Im Streitjahr war sie "nebenberuflich" als Dozentin für Französisch an einer Volkshochschule tätig. Sie bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte von 2.906 DM.

Der Kläger und seine Ehefrau wählten Zusammenveranlagung und beantragten ohne Erfolg, die Einkünfte der Ehefrau gemäß § 34 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) sah in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 543 veröffentlichten Entscheidung § 34 Abs. 4 EStG als eine die Ermittlung der Einkünfte betreffende Vorschrift an. Begünstigt werden sollten zudem nur Nebeneinkünfte freiberuflich oder nichtselbständig tätiger Steuerpflichtiger, nicht aber die Haupteinkünfte des Ehegatten.

Zur Begründung seiner vom FG zugelassenen Revision trägt der Kläger im wesentlichen vor: § 26 b EStG 1975 schreibe vor, daß die Einkünfte, die die Ehegatten erzielt hätten, bei der Veranlagung zusammengerechnet und ihnen gemeinsam zugerechnet würden. Nach der inhaltlichen Abgrenzung der Abschn. II bis IV des Einkommensteuergesetzes und der sich daraus ergebenden Systematik werde das Einkommen (§ 2 Abs. 4 EStG 1975) festgestellt, bevor die Tarifvorschriften des IV. Abschn., zu denen § 34 Abs. 4 EStG gehöre, zur Anwendung kämen. Das werde durch den Zusammenhang von § 34 Abs. 1 und Abs. 4 EStG bestätigt; denn sowohl Abs. 1 als auch Abs. 4 der Vorschrift setzen voraus, daß außerordentliche bzw. Nebeneinkünfte im "Einkommen" enthalten seien. Mit der Ermittlung der Einkünfte ende aber deren getrennte Behandlung. Diese seien als von einer steuerpflichtigen "Einheit" erzielt anzusehen. Darin liege die Bedeutung der gemeinsamen Zurechnung der Einkünfte, die § 26 b EStG 1975 vorschreibe. Das habe das FG verkannt. Das Argument, § 34 Abs. 4 EStG gewähre eine personenbezogene Steuererleichterung, könne angesichts der erstmals durch § 26b EStG 1975 angeordneten gemeinsamen Zurechnung nicht mehr aufrechterhalten werden.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides und der Einspruchsentscheidung die Einkommensteuer für 1975 auf 2.674 DM herabzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat der Revision widersprochen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 34 Abs. 4 EStG können Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aus einer Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt besteuert werden, wenn die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder der Berufstätigkeit die übrigen Einkünfte überwiegen und wenn die Einkünfte aus der wissenschaftlichen, künstlerischen oder schriftstellerischen Tätigkeit nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören und von den Einkünften aus der Berufstätigkeit abgrenzbar sind. Damit knüpft § 34 Abs. 4 EStG an die von dem jeweiligen Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte an. Die Vorschrift des § 26b EStG 1975, nach der die von den Ehegatten erzielten Einkünfte zusammengerechnet, den Ehegatten gemeinsam zugerechnet und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt werden, hat nichts daran geändert, daß sowohl bei der Einkünfteerzielung als auch bei der Ermittlung der Einkünfte jeder der zusammen zu veranlagenden Ehegatten als ein Steuerpflichtiger anzusehen ist. Die Behandlung der Ehegatten als ein Steuerpflichtiger setzt nach dem Wortlaut des § 26b EStG 1975 erst nach der Zusammenrechnung der Einkünfte - "sodann" - ein. Da aber § 34 Abs. 4 EStG, wie dargelegt, an die von jedem Steuerpflichtigen erzielten und auch im Falle der Zusammenveranlagung für ihn getrennt ermittelten Einkünfte anknüpft, trifft die Vorschrift eine Regelung, die nicht von § 26b EStG 1975 berührt worden ist.

Die Auffassung, daß die in § 26b EStG 1975 enthaltene Klarstellung, wer bei zusammenveranlagten Ehegatten als "Steuerpflichtiger" zu behandeln sei, auch für die Tarifvorschrift des § 34 Abs. 4 EStG den Inhalt des Begriffs "Steuerpflichtiger" festgelegt habe (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 26b Rdnr. 9, und Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl. 1979, § 26b Anm. II 3), wird dem Sinn und der Bedeutung des § 34 Abs. 4 EStG nicht gerecht. Da § 34 Abs. 4 EStG an die Einkünfte des jeweiligen Steuerpflichtigen anknüpft und es somit für die Steuersatzermäßigung nicht darauf ankommt, ob der Steuerpflichtige verheiratet ist und ob er zusammenveranlagt wird, wäre es eine von der Sache her nicht gerechtfertigte Besserstellung verheirateter zusammen zu veranlagender Steuerpflichtiger, wenn sie die Vergünstigung in Anspruch nehmen könnten, obwohl nur der eine von ihnen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder aus einer Berufstätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat und nur der andere dahinter zurückbleibende Einkünfte aus selbständiger wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit. Nur wenn § 34 Abs. 4 EStG dahin ausgelegt wird, daß der Nebeneinkünfte erzielende Steuerpflichtige auch die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder der Berufstätigkeit erzielt haben muß, kann der mit der Vorschrift verfolgte Zweck erreicht werden, einen steuerlichen Anreiz zu zusätzlicher geistiger und schöpferischer Arbeit zu geben.

Auch aus dem Hinweis des Klägers auf § 10 Abs. 3, § 10c Abs. 4, § 24a Satz 4 und § 32 Abs. 2 Satz 2 EStG 1975 folgt nichts anderes. Die nach diesen Vorschriften sich ergebenden Abzugsbeträge betreffen nicht die Ermittlung der Einkünfte; sie sind auch nicht bei der Bildung der Summe der Einkünfte, sondern erst danach abzuziehen. Demgegenüber knüpft § 34 Abs. 4 EStG - wie dargelegt - an das Verhältnis der Beträge bestimmter von einem Steuerpflichtigen erzielter Einkünfte an, bevor die Summe der Einkünfte gebildet worden ist. § 34 Abs. 4 EStG berührt daher nicht die Behandlung zusammen zu veranlagender Ehegatten "als (ein) Steuerpflichtiger", die erst beginnt, nachdem die von einem jeden von ihnen erzielten Einkünfte zusammengerechnet und ihnen gemeinsam zugerechnet worden sind. Daher bedurfte es in § 34 Abs. 4 EStG auch nach der Neufassung des § 26b EStG durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I 1974, 530) keiner ausdrücklichen Regelung des Vorranges des § 34 Abs. 4 EStG, um die bisherige Auslegung der Vorschrift als personenbezogener Steuersatzermäßigung aufrechtzuerhalten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. Mai 1952 IV 83/52 U, BFHE 56, 500, BStBl III 1952, 194).

Im Streitfall hat das FG somit im Ergebnis zutreffend die Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG abgelehnt, da der Kläger keine Nebeneinkünfte erzielt hat und da die Ehefrau des Klägers im Streitjahr keine weiteren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder freiberuflicher Tätigkeit bezogen hat.