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BFH-Urteil vom 18.6.1980 (I R 77/77) BStBl. 1981 II S. 39

Eine auf einer Betriebsaufspaltung beruhende Verpachtung von Wirtschaftsgütern an die Betriebs-GmbH ist - falls die übrigen nach der BFH-Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen vorliegen - auch dann als gewerblich zu beurteilen, wenn vor der Betriebsaufspaltung aus dem Gesamtunternehmen Einkünfte aus selbständiger Arbeit bezogen wurden.

EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 2, § 18, § 19; GewStG § 2 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb und leitete seit 1963 ein Kinderkurheim. Die Einkünfte der Klägerin, die von Beruf Heilpädagogin ist, behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) als freiberuflich und unterwarf sie nicht der Gewerbesteuer.

Am 24. Januar 1972 gründete die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann ein Kinderkurheim in der Rechtsform einer GmbH. An dieser ist sie mit 25 v.H., ihr Ehemann mit 75 v.H. beteiligt. Die beim Einzelunternehmen vorhanden gewesenen beweglichen Wirtschaftsgüter und das Umlaufvermögen veräußerte die Klägerin an die GmbH. Das unbewegliche Vermögen (Grund und Boden, Heimgebäude) wurde an die GmbH verpachtet.

Die Klägerin wandte gegen die Heranziehung der Verpachtungstätigkeit zur Gewerbesteuer ein, daß die nunmehr als Besitzgesellschaft fungierende Einzelfirma bis zum Zeitpunkt der Betriebsaufspaltung Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit bezogen habe, schließe eine Heranziehung zur Gewerbesteuer aus.

Einspruch und Klage (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 447 - EFG 1977, 447 -) hatten keinen Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (unrichtige Anwendung der Grundsätze über die Betriebsaufspaltung). Sie beruft sich - wie schon früher - auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. März 1970 I R 108/66 (BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439). Sie will daraus, insbesondere aus der Verwendung des Wortes "weiterhin" herleiten, daß die Grundsätze der Betriebsaufspaltung nicht zur Anwendung kommen könnten, wenn das Besitzunternehmen aus einem freiberuflichen Unternehmen hervorgegangen ist. Eine Gesellschaft, die sich auf die Verwaltung von Grundbesitz beschränkt, sei kein Gewerbebetrieb. Die der GmbH überlassenen Grundstücke seien - im Gegensatz zur Annahme des Finanzgerichts (FG) - keine wesentliche Grundlage für den Betrieb der GmbH. Diese habe inzwischen wesentlich größere Gebäude gepachtet, die nicht der Klägerin gehörten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und "die Gewerbesteuermeßbescheide 1972 bis 1974" aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Revision betrifft nur das Verfahren wegen Gewerbesteuermeßbetrags 1972.

Allerdings umfaßt der Antrag der Klägerin auch die Jahre 1973 und 1974. Der erkennende Senat sieht darin indessen lediglich eine (unschädliche) Falschbezeichnung, da das FG nur über den Gewerbesteuermeßbetrag dieses Erhebungszeitraums entschieden und die Klägerin sowohl im Betreff ihrer Revisionsschrift wie auch in einem späteren Schreiben vom 23. September 1977 lediglich die "Gewerbesteuer 1972" als Gegenstand des Rechtsstreits bezeichnet hat.

2. Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin unterhält einen Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -).

a) Das FG hat die Grundsätze über die Betriebsaufspaltung zutreffend angewandt.

Die bloße Verpachtung von Grundstücken ist in der Regel Vermögensverwaltung und stellt daher keine gewerbliche Betätigung dar (§ 9 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV -). Etwas anderes gilt jedoch unter bestimmten Voraussetzungen für Verpachtungsbetriebe, die im Zuge einer sog. echten oder unechten Betriebsaufspaltung entstanden sind (s. zur näheren Begründung BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; zur Verfassungsmäßigkeit der ständigen Rechtsprechung vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62, BStBl II 1969, 389). In diesen Fällen geht die Verpachtung über den Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung hinaus, wenn die verpachteten Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Grundlagen der Betriebsgesellschaft gehören und enge personelle Verflechtungen zwischen dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen bestehen. Diese steuerrechtliche Beurteilung hat ihren Grund darin, daß die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, der (über das Betriebsunternehmen) auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung (§ 1 Abs. 1 GewStDV) gerichtet ist.

Die Grundsätze über die Betriebsaufspaltung sind auch dann anzuwenden, wenn Besitz- und Betriebsunternehmen aus einer früher freiberuflichen Tätigkeit hervorgegangen sind.

Ist - wie hier - Betriebsgesellschaft eine Kapitalgesellschaft, so ist diese Gewerbebetrieb kraft Rechtsform (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG). Der gewerbliche Charakter der Betriebsgesellschaft bestimmt die Qualifikation der Verpachtungstätigkeit. Dem steht das BFH-Urteil in BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439 nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der erkennende Senat ausgeführt, das Besitzunternehmen sei gewerbesteuerpflichtig, "weil sich dessen Inhaber über die Betriebsgesellschaft weiterhin im Sinn von § 1 Abs. 1 GewStDV am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr" beteiligten. Daraus kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht geschlossen werden, daß sich der oder die Inhaber allgemein auch schon früher, d.h. vor Eintritt der Betriebsaufspaltung, gewerblich betätigt haben müßten. Der erkennende Senat ist in seiner Entscheidung lediglich von einem typischen Fall der Betriebsaufspaltung ausgegangen, ohne damit zum Ausdruck zu bringen, daß in anderen Fällen die Anwendbarkeit der Grundsätze über die Betriebsaufspaltung ausgeschlossen sei. Gehen Besitz- und Betriebsunternehmen aus einer freiberuflichen Tätigkeit hervor, so kann dieser Fall nicht anders beurteilt werden, wie wenn bei der sog. unechten Betriebsaufspaltung Besitz- und Betriebsunternehmen von vornherein getrennt sind (vgl. Lenski/ Steinberg/Stäuber, Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 2 Anm. 55). Wer die an das Betriebsunternehmen verpachteten Wirtschaftsgüter früher für eine freiberufliche Tätigkeit eingesetzt hat, kann nicht anders gestellt werden als derjenige, der die Wirtschaftsgüter seither im Privatvermögen hatte und sie an das Betriebsunternehmen verpachtet.

b) Die Voraussetzungen der Betriebsaufspaltung liegen sowohl in personeller wie in sachlicher Hinsicht vor.

aa) Die Klägerin kann als Inhaberin des Besitzunternehmens zugleich im Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen (zu den erforderlichen Beteiligungsverhältnissen vgl. BFH-Urteile vom 15. Mai 1975 IV R 89/73, BFHE 116, 277, BStBl II 1975, 781, und - dem folgend - vom 28. November 1979 I R 141/75, BFHE 129, 279, BStBl II 1980, 162). Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin ihren beherrschenden Einfluß in der GmbH nur zusammen mit ihrem Ehemann ausüben kann, da jedenfalls im Streitfall keine Gründe ersichtlich sind, die es ausschließen würden, die Beteiligung der Klägerin und ihres Ehemanns an der GmbH zusammenzurechnen (BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439).

bb) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, die die Klägerin nicht mit einer ordnungsgemäß erhobenen Revisionsrüge (§ 120 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) angegriffen hat und an die der erkennende Senat somit gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, hat die Klägerin der GmbH Grundbesitz und das Heimgebäude überlassen. Der Schluß des FG, daß damit wesentliche Grundlagen für den Betrieb der GmbH verpachtet worden sind, ist nicht zu beanstanden. Ob Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs gehören, richtet sich nach den Gegebenheiten des einzelnen Falles. Es bedarf keiner näheren Darlegung, daß das Heimgebäude für den Betrieb eines Kurheims notwendig ist, nicht nur, um das Heim wirtschaftlich führen (Lenski/Steinberg/Stäuber, a.a.O., § 2 Anm. 55 g), sondern um es überhaupt betreiben zu können. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin - zeitlich unbestimmt - ausführt, die GmbH habe "inzwischen" wesentlich größere Gebäude gepachtet, die nicht der Klägerin gehörten. Sie hat nicht dargetan, daß die im Erhebungszeitraum 1972 bestehenden Verhältnisse Anlaß zu einer abweichenden Beurteilung hätten geben müssen.