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BFH-Urteil vom 21.8.1980 (IV R 73/80) BStBl. 1981 II S. 70

Die Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung läuft den gesetzlichen Erfordernissen nicht zuwider, wenn sie dahingehend erteilt wird, daß die Monatsfrist zur Erhebung der Anfechtungsklage mit Ablauf des Tages der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung beginnt. Sie braucht eine Anleitung zur Berechnung des Fristablaufs nicht zu enthalten.

FGO § 47 Abs. 1, Satz 1, § 55 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt FA -) verwarf mit Einspruchsentscheidungen vom 26. April 1979 die Einsprüche des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) gegen die Einkommensteuerbescheide 1975 und 1976 sowie gegen den Umsatzsteuerbescheid 1975. Die Einspruchsentscheidungen wurden an den Prozeßbevollmächtigten, der den Kläger in den Einspruchsverfahren vertreten hatte, am 30. April 1979 unter Aufnahme einer Postzustellungsurkunde in der Weise zugestellt, daß der Postbedienstete die Schriftstücke einer Büroangestellten übergab, da er den Prozeßbevollmächtigten selbst in der Kanzlei nicht antraf.

Gegen die Einspruchsentscheidungen hat der Kläger durch den Prozeßbevollmächtigten Klage erheben lassen. Die Klageschrift wurde am 31. Mai 1979 abgefaßt und ging an diesem Tage bei dem Finanzgericht (FG) ein.

Im FG-Verfahren hat der Kläger - auf entsprechende Frage des Gerichts - vorbringen lassen: Die Klagefrist sei nicht um einen Tag versäumt, weil der Fristlauf entsprechend den Belehrungen in den Einspruchsentscheidungen am 1. Mai 1979, 0.00 Uhr begonnen und am 31. Mai 1979, 24.00 Uhr geendet habe. Jedenfalls habe der Prozeßbevollmächtigte und sein Bürovorsteher die Rechtsbehelfsbelehrungen, die in den Einspruchsentscheidungen enthalten gewesen seien, in diesem Sinne verstehen können und müssen. Diese lauten, soweit sie hier von Belang sind: Die Frist für die Erhebung der Klage beträgt einen Monat. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an dem diese Entscheidung bekanntgegeben worden ist. Tag der Bekanntgabe ist bei Zustellung mit Postzustellungsurkunde der Tag der Zustellung. Wenn das Ende der Klagefrist nach § 222 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i. V m. §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB auf den 30. Mai 1979 hätte berechnet werden sollen, so laufe das dem Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrungen zuwider. Zumindest seien die Belehrungen unvollständig, unklar und irreführend.

Das FG wies die Klage wegen Versäumung der Klagefrist ab. Es führte aus: Die Rechtsbehelfsbelehrungen entsprächen den gesetzlichen Erfordernissen. Die Klagefrist sei mit dem 30. Mai 1979, einem Mittwoch, abgelaufen. Eine Belehrung über die Berechnung des Fristendes habe nicht erteilt zu werden brauchen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - um die hilfsweise gebeten worden war - könne nicht gewährt werden. Ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter müsse in der Lage sein, die Frist, die bei der Erhebung einer finanzgerichtlichen Anfechtungsklage zu wahren sei, zu berechnen. Die fehlerhafte Fristberechnung sei nicht entschuldbar.

Die Revision rügt eine Verletzung von § 55 FGO. Sie hat die in den Einspruchsentscheidungen abgedruckten Rechtsbehelfsbelehrungen für mißverständlich, weil die Belehrungen vom Wortlaut des Gesetzes abwichen. Nach § 47 Abs. 1 FGO beginne die einmonatige Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf und nicht, wie es in den Belehrungen heiße, mit Ablauf des Tages, an dem diese Entscheidung bekanntgegeben worden ist sowohl bei Laien als auch bei Rechtskundigen könnten dadurch Irrtümer hervorgerufen werden. Die Belehrungen hätten, um dem Anliegen des § 55 FGO zu entsprechen, den Wortlaut des § 47 Abs. 1 FGO unverfälscht wiedergeben und für die Berechnung des Fristendes auf § 222 ZPO und §§ 187 bis 189 BGB verweisen müssen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat. Sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, wenn in dieser Entscheidung eine Rechtsbehelfsbelehrung (§ 356 der Abgabenordnung - AO 1977 -) enthalten ist (§§ 47 Abs. 1, 55 Abs. 1 FGO). Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so tritt an die Stelle der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 FGO die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO.

Die Rechtsbehelfsbelehrungen in den Einspruchsentscheidungen genügen den gesetzlichen Erfordernissen, auch wenn sie nicht, wie es dem Wortlaut des § 47 Abs. 1 FGO entsprechen würde, auf die Bekanntgabe der Einspruchsentscheidungen sondern auf den Ablauf des Tages abstellen, an dem die Entscheidungen bekanntgegeben worden sind. Ob in einer Rechtsbehelfsbelehrung auf den Tag der Bekanntgabe oder auf den Ablauf des Tages der Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung hingewiesen wird, begründet keinen sachlichen Unterschied, weil die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 FGO nach vollen Tagen zu berechnen ist und der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung bei der Fristberechnung nicht als (voller) Tag mitgezählt wird (§ 54 Abs. 2 FGO i.V. m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1 BGB). Die von dem FA gewählte Formulierung enthält also über § 47 Abs. 1 FGO hinaus einen - zutreffenden Hinweis auf den für die Fristberechnung zu beachtenden § 187 Abs. 1 BGB. Es kann der Revision nicht zugestanden werden, daß dieser Hinweis irreführend sei. Auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat das Abstellen auf den Ablauf des Tages der Bekanntgabe der anzufechtenden Entscheidung bisher gebilligt (vgl. Urteil vom 22. August 1956 II 97/56 U, BFHE 63, 253, BStBl III 1956, 296). Der erkennende Senat teilt diese Auffassung.

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß eine Rechtsbehelfsbelehrung Hinweise auf die Berechnung des Ablaufs der Monatsfrist nicht zu enthalten braucht. Die Berechnung der Frist im Einzelfall fällt in die Eigenverantwortlichkeit des Betroffenen. Es ist nach allgemeiner Rechtsansicht nicht erforderlich, in einer Rechtsbehelfsbelehrung auf alle denkbaren Modalitäten einer Fristberechnung hinzuweisen (Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 28. November 1975 VII B 151/75, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1976. S. 219 - HFR 1976, 219-; Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes - BVerfG vom 27. Juli 1982 2 BvR 118/71, BVerfG 31, 388, 390; Neue Juristische Wochenschrift 1991 S. 2217 - NJW 1971, 2217-). Insbesondere bedarf es keiner Belehrung über die Berechnung einer Monatsfrist, wenn, was der zustellenden Behörde vorher nicht bekannt sein wird, die Zustellung am 31. eines Monats ausgeführt wird und der folgende Monat weniger als 31 Tage hat (BVerwG-Entscheidung in HFR 1976,219). Dasselbe muß auch im Umkehrfall gelten, wenn die Zustellung am letzten Tag eines Monats mit weniger als 31 Tagen ausgeführt wird und der folgende Monat 31 Tage umfaßt.

Das FG ist ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gekommen, daß die Fristversäumnis auf einem Verschulden des mit der Klageerhebung beauftragten Prozeßbevollmächtigten beruht. Gegen diese Würdigung erhebt die Revision keine Einwendungen. Der erkennende Senat schließt sich der Beurteilung des FG an. Das Verschulden ist dem Kläger zuzurechnen (BFH-Beschluß vom 3. August 1977 II R 59/77, BFHE 123,13, BStBl 111977, 768) und schließt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 56 FGO) aus.