| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 22.10.1980 (II R 169/78) BStBl. 1981 II S. 104

Der BFH ist an die Feststellung autonomen Satzungsrechts einer Gebietskörperschaft durch das FG wie an Tatsachenfeststellungen gebunden. Die unvollständige Anwendung dieses Satzungsrechts kann deshalb nicht mit der Behauptung angegriffen werden, materielles Recht sei unrichtig angewendet worden, sondern nur mit einer Verfahrensrüge.

FGO §§ 118, 160, 155; ZPO § 562.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 21. Dezember 1974 erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) von der Gemeinde X ein unbebautes Wochenendgrundstück. Nach § 2 des Vertrages betrug der Kaufpreis 15.904 DM; außerdem hatte der Kläger an die Gemeinde für Kanalisationsarbeiten einen festen Betrag von 4.000 DM zu entrichten. Die Bauarbeiten an der Kläranlage waren im Sommer 1974 soweit fortgeschritten, daß sie in Betrieb genommen werden konnte. Infolge ständiger Erweiterung der Anlage konnte das Erwerbsgrundstück bereits im August 1974 an die betriebsfertige Anlage angeschlossen werden.

Mit Bescheid vom 15. Januar 1975 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 1.393,20 DM fest. Er zog dabei den Betrag von 4.000 DM in die Besteuerungsgrundlage mit ein.

Die nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens erhobene Klage, mit der der Kläger die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer unter Außerachtlassung des Kanalisationsbeitrags auf 1.113,20 DM begehrt, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß nach § 2 Abs. 2 der kommunalen Beitrags- und Gebührensatzung die Beitragspflicht im Zeitpunkt der Fertigstellung der Anlage - also im August 1974 - entstanden wäre, wenn nicht zu diesem Zeitpunkt die Gemeinde Eigentümerin des Grundstücks gewesen wäre, wodurch die Beitragspflicht des Grundstücks ausgeschlossen worden sei. In der Person des Klägers habe aber zu keinem späteren Zeitpunkt mehr die Beitragspflicht entstehen können, so daß sich der Kläger zu einer Leistung verpflichtet habe, die er nicht ohnehin kraft öffentlichen Rechtes später als Eigentümer des Grundstücks hätte erbringen müssen.

Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Rüge des Klägers, das FG habe Verfahrensrecht dadurch verletzt, daß es bei seiner Entscheidung nicht die Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluß an die Abwasseranlage (Entwässerungssatzung) der Gemeinde X, sondern nur die Beitrags- und Gebührensatzung berücksichtigt habe, ist schlüssig erhoben; denn der Kläger hat weiter dargelegt, daß sich nach seiner Auffassung bei Beachtung der erstgenannten Satzung ergeben hätte, die Beitragspflicht habe nicht vor der Anschlußpflicht entstehen können und letztere sei erst entstanden, nachdem er Eigentümer des Grundstücks geworden war. Das FG hat ausweislich des Inhalts seines Urteils von der Entwässerungssatzung, die ihm vorlag, keine Kenntnis genommen und damit entweder gegen die ihm obliegende Aufklärungspflicht oder gegen das Gebot der Ausschöpfung ihm vorliegender Beweismittel verstoßen.

Eine Prüfung der Frage, ob die Beachtung der Entwässerungssatzung die vom Kläger vorgetragene Folgerung gerechtfertigt hätte, ist dem Senat verwehrt. Die Revision kann nach § 118 Abs. 1 FGO nur auf die Verletzung von Bundesrecht gestützt werden, darüber hinaus nur hinsichtlich des Rechts der Grunderwerbsteuer nach Maßgabe des § 160 Abs. 2 FGO auch auf Landesrecht. Das FG hat eine Entscheidung über Bestehen und Inhalt irrevisibler Rechtsnormen (hier der auf autonomem Satzungsrecht entstandenen Beitrags- und Gebührensatzung) getroffen. Insoweit ist die Entscheidung des FG gleich einer Tatsachenfeststellung für das Revisionsgericht bindend (§562 der Zivilprozeßordnung i.V. m. § 155 FGO; vgl. in diesem Zusammenhang das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1971 V R 1/68, BFHE 103,247, 250, BStBl II 1972,70). Da aber die Verfahrensrüge des Klägers begründet ist und weitere Feststellungen des FG erforderlich sind, ist die Sache nicht spruchreif.