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BFH-Urteil vom 22.10.1980 (II R 177/78) BStBl. 1981 II S. 173

Wird eine auf einem erworbenen Betriebsgrundstück errichtete Betriebstätte innerhalb der Nachversteuerungsfrist wieder aufgegeben, so liegt hierin keine Aufgabe des steuerbegünstigten Zweckes i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 3 Satz 2 GrEStStrukturG Niedersachsen.

GrEStStrukturG Niedersachsen § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt die Herstellung und den Vertrieb von ... artikeln. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. September 1971 kaufte er von zwei Miteigentümern ein mit einem Büro- und Wohngebäude sowie mit Lagergebäuden bebautes Grundstück (Grundstück I). Er machte geltend, daß er das Grundstück zu einem steuerbegünstigten Zweck i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vom 22. April 1971 (GrEStStrukturG), Gesetz- und Verordnungsblatt S. 149 (GVBl. 149) verwenden wolle. Nachdem er die vorgeschriebene Bescheinigung des Präsidenten des Verwaltungsbezirks vorgelegt hatte, sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt FA -) von der Steuerfestsetzung ab.

1973 kaufte der Kläger ein weiteres Grundstück in A (Grundstück II) und verlegte den wesentlichen Teil seines Betriebs dorthin. Das FA sah hierin die Aufgabe des mit dem Erwerb des Grundstückes I verfolgten steuerbegünstigten Zwecks. Es setzte durch zwei Steuerbescheide insgesamt ... DM Grunderwerbsteuer fest.

Der Kläger erhob nach erfolglosem Einspruch Klage und beantragte, die Grunderwerbsteuerbescheide und den Einspruchsbescheid aufzuheben.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Der Kläger habe den steuerbegünstigten Zweck zunächst dadurch erfüllt, daß er sein Unternehmen auf dem Grundstück I betrieben habe. Der Nachversteuerungstatbestand sei aber deshalb erfüllt worden, weil der Kläger innerhalb der Nachversteuerungsfrist seinen Betrieb auf das Grundstück II verlegt habe. Er habe den steuerbegünstigten Zweck nicht innerhalb des ganzen Nachversteuerungszeitraums aufrechterhalten, wie dies erforderlich wäre.

Der Kläger hat Revision eingelegt und seinen Klagantrag weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Der Kläger hat den begünstigten Zweck nicht im Sinne des § 3 Satz 2 GrEStStrukturG dadurch aufgegeben, daß er seinen Betrieb etwa zwei Jahre nach Errichtung der Betriebstätte von dem Grundstück I auf das Grundstück II verlegt hat. Durch die nachträgliche Verlegung des Betriebes hätte der begünstigte Zweck nur dann aufgegeben werden können, wenn dieser nicht nur die Errichtung und Erweiterung, sondern auch die Aufrechterhaltung der Betriebstätte umfaßt. Das aber ist nicht der Fall.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG ist unter bestimmten Voraussetzungen die Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte von der Besteuerung ausgenommen. Der begünstigte Zweck besteht danach in der Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte. Dieser Zweck ist im Sinne des § 3 Satz 1 GrEStStrukturG rechtzeitig verwirklicht, wenn die Betriebstätte innerhalb der dort genannten Fünfjahresfrist errichtet oder erweitert wird.

Ist die Betriebstätte einmal errichtet oder erweitert so ist das weitere Schicksal der Betriebstätte grunderwerbsteuerrechtlich ohne Bedeutung. Aus § 3 Satz 2 GrEStStrukturG folgt nicht, daß eine Nachversteuerung dann stattfindet, wenn die errichtete oder erweiterte Betriebstätte innerhalb der Nachversteuerungsfrist wieder aufgegeben wird. Eine derartige Auslegung der Vorschrift wurde voraussetzen, daß die Verwendung zu dem begünstigten Zweck nicht nur die Errichtung oder Erweiterung, sondern auch die Unterhaltung der Betriebstätte wahrend der fünfjährigen Nachversteuerungsfrist umfaßt. Das aber kann dem § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG nicht entnommen werden. Auch aus den in § 3 Satz 2 GrEStStrukturG verwendeten Worten "Sie unterliegen der Steuer mit der Aufgabe des begünstigten Zweckes" kann eine derartige Erweiterung des begünstigten Zweckes nicht entnommen werden. Da der begünstigte Zweck nicht abweichend von § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG umschrieben wird, kann nur angenommen werden, daß auch § 3 Satz 2 GrEStStrukturG die Aufgabe des begünstigten Zwecks i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG meint. § 3 Satz 2 GrEStStrukturG erfaßt somit nur die Fälle, in denen der begünstigte Zweck vor der Errichtung oder Erweiterung der Betriebstätte und vor Ablauf von fünf Jahren aufgegeben wird.

Der Senat verkennt nicht, daß der tiefere Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStStrukturG darin gesehen werden muß, daß eine errichtete oder erweiterte Betriebstätte auch aufrechterhalten wird. Der Gesetzgeber ist aber in seiner Entscheidung frei, ob er diese Zielvorstellungen durch die Einfügung einer entsprechenden Nachversteuerungsvorschrift auch für den Fall der Aufgabe der errichteten oder erweiterten Betriebstätte absichern will. Gebietet es regelmäßig schon die wirtschaftliche Vernunft, eine errichtete oder erweiterte Betriebstätte beizubehalten, so ist es sinnvoll, auf eine besondere Nachversteuerungsvorschrift, die die Beibehaltung der Betriebstätte sichert, zu verzichten. Jedenfalls gibt es keine Anhaltspunkte, daß eine Nachversteuerungsvorschrift, die nicht ausdrücklich den Fall der vorzeitigen Aufgabe der errichteten Betriebstätte erfaßt, in dem Sinne ausgelegt werden muß, eine Nachversteuerung könne auch in einem solchen Falle stattfinden. Die Ergebnisse wären auch nicht sinnvoll, da eine gegen Ende der Nachversteuerungsfrist errichtete Betriebstätte alsbald ohne Nachversteuerung wieder aufgegeben werden könnte, während dies für eine frühzeitig errichtete Betriebstätte nicht gälte (vgl. in diesem Zusammenhang auch Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 4 Rdnrn. 122, 138 a g, 138 a h; anders noch die 9. Auf., § 4 Rdnr. 138).