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BFH-Urteil vom 18.12.1980 (V R 103/74) BStBl. 1981 II S. 196

Ob die Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers als Mitglied des Verwaltungsrats einer GmbH dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 unterliegt, hängt davon ab, welche Funktion dem Wirtschaftsprüfer als Verwaltungsratsmitglied zugewiesen ist und von ihm wahrgenommen wird.

UStG 1967 § 12 Abs. 2 Nr. 5.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Er gehört dem Verwaltungsrat von zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung an und erhielt von diesen für die im Jahr 1968 ausgeübte Tätigkeit im Jahr 1969 Tantiemen in Höhe von 15.787,50 DM. In seiner Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1969 nahm der Kläger für die Umsätze als Mitglied des Verwaltungsrats den ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) von 5 bzw. 5,5 v. H. in Anspruch.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber den Standpunkt, dem Kläger seien die Tantiemen nicht aus einer Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer zugeflossen. Er setzte die Umsatzsteuer unter Anwendung des allgemeinen Steuersatzes von 10 bzw. 11 v. H. fest.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte 1973 S. 462 - EFG 1973, 462 -) und ausgeführt: Der Kläger habe die Tantiemen nicht aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufes i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bezogen. Da § 18 Abs. 1 EStG ausdrücklich unterscheide zwischen freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) einerseits und einer solchen als Aufsichtsratsmitglied (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG) andererseits, seien die Bezüge eines Verwaltungsratsmitglieds, dessen Tätigkeit derjenigen des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft entspreche, nicht begünstigt. Bei § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967 sei allein auf die Tätigkeit als solche abzustellen, also darauf, ob diese als Verwaltungsratsmitglied oder als Angehöriger eines freien Berufes erbracht worden sei. Es komme nicht darauf an, aus welchem Beweggrund oder Anlaß der Kläger als Verwaltungsratsmitglied berufen worden sei. Selbst wenn man davon ausgehe, die Berufung als Verwaltungsratsmitglied sei nur wegen der Sachkunde und der Erfahrungen als Wirtschaftsprüfer erfolgt, ändere dies nichts daran, daß die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer und diejenige als Verwaltungsratsmitglied nach Rechtsgrund und Inhalt verschieden seien. Dafür spreche auch die Art der Honorierung der Verwaltungsratsmitglieder, denn die Verwaltungsratsmitglieder erhielten bei beiden Gesellschaften ohne Rücksicht auf den von ihnen ausgeübten Hauptberuf jeweils Tantiemen in gleicher Höhe gezahlt. Bei der Besteuerung gleicher und deshalb in gleicher Höhe vergüteter Tätigkeiten dürfe nicht jeweils auf die Art des Hauptberufs - freiberuflich oder nicht - abgestellt und damit die gleiche Leistung mit unterschiedlichen Steuersätzen erfaßt werden.

Im Hinblick auf das Urteil des FG Berlin vom 24. August 1972 I 111/72 (EFG 1972, 620) hat das FG die Revision zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Mit der Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967. Es komme ausschließlich darauf an, ob er die Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer - mithin als Angehöriger eines freien Berufes nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG - ausübe oder nicht. Die Frage sei zu bejahen. Denn ein Wirtschaftsprüfer (oder Rechtsanwalt) übe dann, wenn er in den Verwaltungsrat einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung berufen werde, eine Tätigkeit aus, die im unmittelbaren Zusammenhang mit seinem freien Beruf stehe. Es handle sich sogar um eine "typische Berufsaufgabe", zumal nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers alle Tätigkeiten vereinbar seien, welche die Beratung und Wahrung fremder Interessen in wirtschaftlichen Angelegenheiten zum Gegenstand hätten. Er nehme als Verwaltungsratsmitglied der beiden Gesellschaften in erster Linie Beraterfunktionen auf wirtschaftlichem Gebiet wahr.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und des Steuerbescheids vom 24. Mai 1972 in der Form der Einspruchsentscheidung die Umsatzsteuer 1969 in der Weise festzusetzen, daß die Umsätze aus der Verwaltungsratstätigkeit mit 5 v. H. bzw. 5,5 v. H. versteuert werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben; die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

1. Die wirtschaftliche Beratung und die Wahrung der Interessen des Beratenen ist, wie der erkennende Senat in dem Urteil vom 4. Dezember 1980 V R 120/73 (BStBl II 1981, 189) dargelegt hat, berufstypische Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers und unterliegt als solche dem begünstigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 5 UStG 1967. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in diesem Urteil den Begriff der wirtschaftlichen Beratung und des zulässigen Umfangs der Vertretung näher umschrieben. Entsprechend diesen Grundsätzen wäre die von dem Kläger als Mitglied des Verwaltungsrats von zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung wahrgenommene Tätigkeit als berufstypisch und damit als in Ausübung der Betätigung als Wirtschaftsprüfer erbracht anzusehen, wenn der Kläger als Mitglied des Verwaltungsrats auf eine wirtschaftliche Beratung beschränkt war.

2. Aufgrund der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen läßt sich nicht beurteilen, ob diese Voraussetzung erfüllt ist. Es ist nicht festgestellt, welche Funktion der Verwaltungsrat der beiden Gesellschaften erfüllt (vgl. hierzu Skibbe, GmbH-Rundschau 1972 S. 180, Schneider, Betriebs-Berater 1973 S. 1464 - BB 1973, 1464 -; Hölters, BB 1977, 105) und welche Tätigkeit der Kläger als Mitglied dieser Verwaltungsräte entfaltet hat. Welche Funktionen dem Kläger als Mitglied des Verwaltungsrats aufgegeben waren und von ihm ausgeübt wurden, hängt von den getroffenen Vereinbarungen (z. B. der Gesellschaftssatzung oder einem Gesellschafterbeschluß) ab. Handelt es sich bei dem Verwaltungsrat um eine in der Satzung der Gesellschaft vorgesehene Einrichtung, die an der Willensbildung der Gesellschaft teilnimmt oder diese beeinflußt, liegt die Funktion des Verwaltungsrats im eigentlichen gesellschaftsrechtlichen Bereich. Kam dem Kläger als Mitglied des Verwaltungsrats die Aufgabe zu, an der Entscheidungsfindung des Verwaltungsrats und damit - mittelbar - an der Willensbildung der beiden Gesellschaften selbst mitzuwirken oder hat er dies unbeschadet der ihm zugewiesenen Aufgabe getan, so hat er sich nicht mehr in seiner berufstypischen Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer betätigt. Nahm der Kläger dagegen eine nur beratende Funktion wahr, ohne an der Willensbildung der Gesellschaft mitzuwirken, so kann die Tätigkeit des Klägers noch seiner berufstypischen Eigenschaft als Wirtschaftsprüfer zuzuordnen sein. Das gleiche gilt für den Fall, daß sich die Befugnis des Klägers darauf beschränkt hat, die anderen Mitglieder dieses Kollegiums in wirtschaftlichen Dingen lediglich zu beraten, ohne seinerseits an der Entscheidungsfindung des Verwaltungsrats selbst mitzuwirken.

Da sich aus der Entscheidung des FG kein tatsächlicher Anhaltspunkt dafür ergibt, wie die Tätigkeit des Klägers auf dieser Grundlage einzuordnen ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).