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BFH-Urteil vom 14.11.1980 (III R 9/79) BStBl. 1981 II S. 251

Zu den Voraussetzungen, unter denen sich Kunstgegenstände seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden.

BewG 1965 § 115 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde zum 1. Januar 1973 mit ihrer - damals noch minderjährigen - Tochter zusammen zur Vermögensteuer veranlagt. Die Tochter hatte ihren 1972 verstorbenen Vater, den Ehemann der Klägerin, zu einem viertel Anteil beerbt. Im Erbschaftsvermögen befanden sich u.a. Gemälde, die der Vater - mit Ausnahme eines im Jahre 1929 angeschafften Gemäldes - ab 1957 käuflich erworben hatte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte den Anteil der Tochter an den Gemälden nach § 115 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG) mit 40 % seines Wertes an. Soweit die Klägerin begehrte, den Anteil der Tochter an den Gemälden nach § 115 Abs. 2 BewG ganz außer Ansatz zu lassen, war der Einspruch erfolglos. Das FA hielt die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht für erfüllt, weil sich die Gemälde zum Veranlagungszeitpunkt (1. Januar 1973) noch nicht 20 Jahre im Familienbesitz befunden hätten (§ 115 Abs. 2 Nr. 4 BewG).

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, die von ihrem Ehemann erworbenen Gemälde stellten eine Ergänzung und Fortführung der von seinem Großvater begonnenen und von seinem Vater weitergeführten Sammlung dar, die 1953 der "... Familienstiftung" übertragen worden sei. Ungeachtet der zivilrechtlichen Eigentumslage handle es sich bei den Gemälden der Familienstiftung und bei den von ihrem Ehemann hinzuerworbenen Gemälden um eine einheitliche Sammlung. Bei einer Sammlung könne es aber für die Vergünstigung nach § 115 Abs. 2 BewG nur darauf ankommen, ob sich die Sammlung als solche bereits 20 Jahre im Familienbesitz befinde.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage im wesentlichen als unbegründet ab. Nach seiner Auffassung können die der Familienstiftung gehörenden Gemälde und die vom Ehemann der Klägerin erworbenen Bilder wegen der unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse nicht als einheitliche Kunstsammlung angesehen werden. Der Begriff "Kunstsammlung" i.S. von § 115 Abs. 2 BewG sei als wirtschaftliche Einheit i.S. des Bewertungsgesetzes zu verstehen. Nach § 2 Abs. 2 BewG könnten aber nur solche Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit in Betracht kommen, die demselben Eigentümer gehörten.

Mit der Revision trägt die Klägerin vor, § 115 Abs. 2 BewG sei auch dann anzuwenden, wenn nicht alle Teile einer Sammlung im Eigentum einer Person stünden. § 115 Abs. 2 BewG stelle eine dem § 2 BewG vorgehende Sonderregelung dar. Auch bei Erbteilungen, bei denen einzelne Objekte an verschiedene Personen derselben Familie übergingen, bliebe eine Sammlung als einheitliche Sammlung erhalten und sei nach § 115 Abs. 2 BewG begünstigt. Einzelne Stücke könnten somit verschiedenen Mitgliedern der Familie gehören. Eigentum zur gesamten Hand oder nach Bruchteilen werde nicht verlangt.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Vermögensteuerbescheid 1. Januar 1973 aufzuheben und die Vermögensteuerschuld für 1973 auf ... DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Kunstsammlungen, die zum sonstigen Vermögen gehören (§ 110 Abs. 1 Nr. 12 BewG), bleiben unter den Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 BewG bei der Ermittlung des Gesamtvermögens außer Ansatz. Dazu gehört u.a., daß sich die "Gegenstände" - soweit sie nicht in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts eingetragen sind - seit 20 Jahren im Besitz der Familie befinden (§ 115 Abs. 2 Nr. 4 BewG).

Es kann dahinstehen, ob nach § 115 Abs. 2 Nr. 4 BewG jeder einzelne Gegenstand einer Kunstsammlung in zwanzigjährigem Familienbesitz sein muß, oder ob es genügt, daß die Sammlung als solche diese Voraussetzung erfüllt, ohne Rücksicht darauf, wie lange die einzelnen Gegenstände bereits zu der Sammlung gehören. Auch wenn mit dem Begriff "Gegenstände" die Kunstsammlung als solche gemeint sein sollte, liegt im Streitfall kein zwanzigjähriger Familienbesitz vor.

2. Die vom Erblasser von 1957 an erworbene Gemäldesammlung, die nunmehr im Gesamthandseigentum seiner Kinder steht und diesen anteilig zuzurechnen ist (§ 11 Nr. 5 des Steueranpassungsgesetzes), war am Stichtag 1. Januar 1973 noch nicht 20 Jahre im Familienbesitz. Diese Voraussetzung erfüllen nur die Gemälde, die der Schwiegervater der Klägerin erworben und 1953 einer Familienstiftung übertragen hat. Die Besitzzeit dieser Kunstgegenstände kann aber auf die Gemäldesammlung der Erbengemeinschaft nicht angerechnet werden, da die auf die Familienstiftung übertragenen Gemälde nach wie vor in deren Eigentum stehen. Im übrigen kann die Familienstiftung, auch wenn der Begriff der Familie weit gefaßt wird (vgl. Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 11. Aufl., § 115 BewG, Anm. 4, Abs. 2) der Erbengemeinschaft nicht gleichgestellt werden.

Der Einwand der Klägerin, die Gemälde des Nachlasses seien Teile der im Eigentum der Familienstiftung stehenden Gemäldesammlung, die ihr Ehemann nur ergänzt und fortgeführt habe, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Beim sonstigen Vermögen bildet in der Regel jeder Gegenstand für sich eine wirtschaftliche Einheit (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 29. November 1963 III 165/61 U, BFHE 78, 144, BStBl III 1964, 58). Mehrere Gegenstände können nur unter den Voraussetzungen des § 2 BewG zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt werden. Eine Zusammenfassung der vom Erblasser erworbenen Gemälde mit der der Familienstiftung gehörenden Sammlung zu einer wirtschaftlichen Einheit ist aber schon wegen der unterschiedlichen Eigentumsverhältnisse nicht möglich (§ 2 Abs. 2 BewG).