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BFH-Urteil vom 9.9.1980 (VIII R 5/79) BStBl. 1981 II S. 258

1. Die Erweiterung i. S. von § 7 b Abs. 2 Satz 1 EStG 1974 ist unter den gleichen Voraussetzungen ein Objekt, für das eine Steuerbegünstigung in Betracht kommt, wie der Ausbau i. S. von § 7 b Abs. 2 Satz 1 EStG 1974 (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1979 VIII R 188/78, BFHE 129, 365, BStBl II 1980, 203).

2. Für die Entscheidung, ob ein Gebäude zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dient, sind nur die Grundflächen der Wohnzwecken dienenden Räume in sinngemäßer Anwendung der §§ 43 und 44 II. BVO festzustellen.

3. Zu den Wohnzwecken dienenden Räumen i. S. von § 7 b EStG gehört auch ein Raum mit Schwimmbecken oder Sauna.

EStG § 7b Abs. 1 und 2 Satz 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines 1963 errichteten Einfamilienhauses. 1970/71 errichtete er auf dem rückwärtigen Teil seines Hausgartens ein eingeschossiges, unterkellertes Gebäude, das durch einen ebenerdigen, allseits umschlossenen Gang von 12,73 m Länge mit dem Einfamilienhaus verbunden ist. Die eine Hälfte des neuen Gebäudes wird von einer 90,94 qm großen Schwimmhalle eingenommen, das Schwimmbecken, das im wesentlichen das Kellergeschoß ausfüllt, ist an drei Seiten von einem schmalen Gang umgeben. Im Kellerbereich befinden sich die zur Versorgung des Schwimmbads erforderlichen technischen Anlagen. Auf der übrigen Kellerfläche sind folgende Räume: eine Vorhalle, ein Umkleideraum, ein Saunaraum, ein Tauchbeckenraum mit Dusche und ein Heizungsraum. Diese Räume haben eine Gesamtfläche von 52,80 qm. Über den letzterwähnten Kellerräumen befinden sich im Erdgeschoß ein Wohnraum mit einer integrierten Bar und ein WC, zusammen 60,36 qm. Beide Teile sind durch einen Treppenraum miteinander verbunden, der Wohnraum ist durch eine Glaswand mit Durchgang mit der Schwimmhalle verbunden. Die Fläche für Wohnraum, Flur und WC beträgt im Erdgeschoß 79, 58 qm. Die nach DIN 283 berechnete Nutzfläche hat insgesamt 223, 32 qm. Die Baukosten betrugen über 400.000 DM anteilig für Wohnraum und Bar über 150.000 DM.

In der Einkommensteuererklärung für 1971 hatte der Kläger erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) von 7.500 DM von den auf den Wohnraum entfallenden Kosten geltend gemacht. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte eine Berücksichtigung abgelehnt. Einspruch und Klage gegen den entsprechenden Einkommensteuerbescheid für 1971 waren erfolglos geblieben.

In der Einkommensteuererklärung für 1974 - Streitjahr - beanspruchte der Kläger erneut erhöhte Absetzungen von 7.500 DM und nach Ablehnung durch das FA im Einkommensteuerbescheid 1974 im anschließenden Einspruchsverfahren die Nachholung von erhöhten Absetzungen für 1971 bis 1973 von 22.500 DM. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:

Die Klage sei zulässig. Soweit Nachholung erhöhter Absetzungen begehrt werde, stehe das FG-Urteil über den Einkommensteuerbescheid 1971 nicht entgegen, da der Kläger die erhöhten Absetzungen wegen dieses Urteils nicht habe ausnutzen können.

Die Klage sei indessen unbegründet. Ansatz oder Nachholung von erhöhten Absetzungen für das neue Gebäude des Klägers seien nicht zulässig, weil dieses Gebäude nicht zu mehr als 80 v. H Wohnzwecken diene. Der Kläger habe einen einheitlichen Anbau errichtet, der wegen seiner baulichen Gestaltung nicht in einen Wohnteil und einen Schwimmbadteil aufgeteilt werden könne. Für die Berechnung der 80-v. H.-Grenze sei von einer Gesamtnutzungsfläche von 223,32 qm auszugehen, so daß 80 v. H. 178,66 qm seien. Selbst wenn die Grundfläche der Schwimmhalle in einer Größe von 90,94 qm nur zur Hälfte angerechnet werde, betrage die Wohnzwecken dienende Fläche lediglich 177,85 qm. Dabei seien noch Räume wie für die Sauna, für das Tauchbecken und zugehörige Nebenraume voll als Wohnräume angesehen worden.

Der Meinung des Klägers, zur Ermittlung der 80-v. H. -Grenze sei in Anwendung der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BVO) die Hälfte der Schwimmbadfläche auch von der Gesamtnutzungsfläche zu kürzen, sei nicht zu folgen. Die Verhältnisrechnung mit Hilfe der Zweiten Berechnungsverordnung sei bei Ausbauten oder Erweiterungen ebenso vorzunehmen wie bei Gebäuden i. S. von § 7 b Abs. 1 EStG. Das gelte erst recht, wenn Anlagen und Einrichtungen außerhalb der Wohnräume von der Steuervergünstigung ausgeschlossen seien, wie hier eine Schwimmbadanlage, die nicht zur üblichen Ausstattung eines Einfamilienhauses gehörte.

Mit der Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung des § 7b EStG i. V. m. §§ 42 bis 44 II. BVO. Dazu wird geltend gemacht:

Anders als im FG-Urteil müsse in sinngemäßer Anwendung der Zweiten Berechnungsverordnung die Hälfte der Schwimmbadfläche nicht nur von der Wohnfläche, sondern auch von der Gesamtfläche abgezogen werden. Bei der Berechnung des FG werde eine vom Gesetz nicht vorgesehene Kategorie von Nutzflächen geschaffen; das Gesetz kenne nur drei Kategorien: Wohnzwecken dienende Räume, der Einkunftserzielung dienende Räume und sonstige Räume (Wirtschaftsräume). Der Kläger begehre auch lediglich die erhöhten Absetzungen von den Herstellerkosten des Wohnteils ohne Schwimmbad.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer 1974 nach einem "steuerpflichtigen Einkommen" von 167.923 DM auf 67.220 DM festzusetzen, zusätzlich die ev. Kirchensteuer auf 6.722 DM, die Ergänzungsabgabe auf 2.016,60 DM und den Stabilitätszuschlag auf 3.361 DM festzusetzen.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

Das Rechtsmittel ist unzulässig, soweit mit ihm eine Herabsetzung der festgesetzten ev. Kirchensteuer, der Ergänzungsabgabe und des Stabilitätszuschlags verlangt wird. Hinsichtlich dieser Abgabenarten liegt für die Revision keine Beschwer vor, weil das FG in seinem Urteil nur über die Einkommensteuer für 1974 entschieden hat.

Im übrigen ist die Revision unbegründet.

Der Kläger kann von den Herstellungskosten der Erweiterung an seinem Einfamilienhaus keine erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG 1965/1974 vornehmen, weil der neu hergestellte Gebäudeteil nicht zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dient (§ 7 b Abs. 2 Satz 2 EStG).

Für die Frage, ob für die Erweiterung an einem Einfamilienhaus erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG beansprucht werden können, ist zunächst davon auszugehen, daß die Erweiterung i. S. von § 7 b Abs. 2 Satz 1 EStG ebenso und unter den gleichen Voraussetzungen ein Objekt ist, für das eine Steuervergünstigung in Betracht kommt, wie der Ausbau i. S. von § 7 b Abs. 2 Satz 1 EStG. Die Ausführungen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. Dezember 1979 VIII R 188/78 (BFHE 129, 365, BStBl II 1980, 203) zur Steuervergünstigung nach § 7 b EStG für Ausbauten gelten sinngemäß für Erweiterungen.

Dem FG ist darin zuzustimmen, daß dafür, ob eine Erweiterung an einem Wohngebäude zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dient, eine Berechnung des Verhältnisses der gesamten Nutzfläche aller Räume zur Grundfläche der Wohnzwecken dienenden Räume nach den gleichen Grundsätzen vorzunehmen ist wie bei den anderen Objekten, für die nach § 7 b Abs. 1 Satz 1 EStG eine Steuervergünstigung in Betracht kommt - Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen -. Diese Verhältnisrechnung erfordert zum einen eine Zuordnung der einzelnen Räume zu Gruppen entsprechend ihrer Nutzung und zum anderen eine Ermittlung der Grundflächen insgesamt und für die Wohnräume.

Für die Zuordnung nach der Nutzung ist zu unterscheiden zwischen den Wohnzwecken dienenden Räumen, den einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, einem Gewerbebetrieb oder einer selbständigen Arbeit dienenden Räumen und den diesen Zwecken nicht dienenden Räumen (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1954 IV 353/53 U, BFHE 60, 99 BStBl III 1955, 39). Dabei richtet sich die Zuordnung eines Raumes nach seiner Zweckbestimmung zu einer der vorerwähnten Gruppen allein nach § 7 b EStG und nicht, wie der Kläger meint, nach der Zweiten Berechnungsverordnung (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juli 1971 IV 253/65, BFHE 102, 519, BStBl II 1971, 707). Zu der erstgenannten Gruppe der Wohnzwecken dienenden Räume gehört - ebenso wie bei einem Einfamilienhaus - bei einer Erweiterung auch ein Raum, in dem ein Schwimmbecken oder eine Sauna eingebaut ist. Für die Zuordnung eines Raumes zu den Wohnzwecken dienenden Räumen genügt es, daß der Raum mittelbar Wohnzwecken dient. Das trifft nicht nur bei Nebenräumen zu, die zur Befriedigung zeitgemäßer Wohnbedürfnisse erforderlich sind (vgl. BFHE 60,99, BStBl III 1955, 39), sondern auch bei Räumen, mit denen individuelle Wohnbedürfnisse befriedigt werden wie bei Schwimmbad- und Saunaräumen. Eine andere in diesem Zusammenhang unerhebliche Frage ist es, ob der Aufwand für Anlagen wie ein Schwimmbad oder eine Sauna zu den nach § 7 b EStG zu berücksichtigenden Herstellungskosten oder Anschaffungskosten gehört (vgl. dazu BFH-Urteil vom 11. Dezember 1973 VIII R 117/69, BFHE 112, 249, BStBl II 1974, 478 mit Nachweisen).

Für die Ermittlung der Grundflächen ist zu unterscheiden zwischen der gesamten Nutzfläche und der Grundfläche der Wohnzwecken dienenden Räume. Diese Flächen sind mangels besonderer Vorschriften im Einkommensteuergesetz in sinngemäßer Anwendung der §§ 43 und 44 II. BVO festzustellen, wie zutreffend in Abschn. 55 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1978 ausgeführt ist. Da diese Vorschriften der Zweiten Berechnungsverordnung sich mit der Feststellung von Wohnflächen befassen, liegt es nahe, sie auch für die Feststellung von Grundflächen für Zwecke des § 7 b EStG heranzuziehen. Für die nach § 7 b EStG erforderliche Verhältnisrechnung ist zunächst die gesamte Nutzfläche in entsprechender Anwendung von § 43 II BVO festzustellen mit der Folge, daß sich für Schwimmbadräume keine Besonderheiten ergeben; diese sind mit der vollen Grundfläche anzusetzen. Demgegenüber ist die Grundfläche der Wohnzwecken dienenden Räume in entsprechender Anwendung von § 44 II. BVO festzustellen, so daß ein Raum mit einem Schwimmbecken hier nur mit der Hälfte der Grundfläche anzusetzen ist (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 II BVO).

Diesen Grundsätzen entspricht es, wenn das FG im Streitfall zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Erweiterungsbau des Klägers zu weniger als 80 v. H. Wohnzwecken dient. Da hiernach der Erweiterungsbau an dem Einfamilienhaus kein begünstigtes Objekt i. S. von § 7 b EStG ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Aufwendungen für bestimmte Anlagen in diesem Gebäudeteil zu den nach § 7 b EStG begünstigten Herstellungskosten gehören.