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BFH-Urteil vom 10.12.1980 (II R 101/78) BStBl. 1981 II S. 270

Ist darüber zu entscheiden, inwieweit das letztwillig Zugewendete als angemessenes Entgelt dafür steuerfrei ist, daß der Erwerber dem Erblasser In Erwartung einer letztwilligen Zuwendung unentgeltlich Pflege oder Unterhalt gewährt hat, so ist zunächst auf der Grundlage der wahren Werte festzustellen, in welchem prozentualen Ausmaß die Pflege oder der Unterhalt angemessenes Entgelt für das letztwillig Zugewendete ist. In diesem Ausmaß ist der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes bewertete Erwerb steuerfrei gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959.

ErbStG 1959 § 18 Abs. 1 Nr. 11.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Erbe seines 1970 im Alter von 85 Jahren gestorbenen Großonkels (Erblassers), der ihn zum Alleinerben eingesetzt hatte. Der Nachlaß bestand aus einem bebauten Grundstück mit einem Einheitswert von 30.000 DM und einem geschätzten Verkehrswert von 180.000 DM.

Der Kläger beantragte, den Erwerb gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 11 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1959 von der Erbschaftsteuer freizustellen. Er habe dem Erblasser in Erwartung einer letztwilligen Zuwendung unentgeltlich Pflege und Unterhalt im Werte von 25.000 DM gewährt sowie weitere Aufwendungen getätigt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat nur die geltend gemachten Pflegeleistungen in Höhe von 25.000 DM für 25 Monate anerkannt. Steuerfrei gelassen hat das FA einen Betrag von 3.950 DM, weil der Steuerwert des Vermögensanteils nur 5, 8 v. H. des Verkehrswerts des Vermögensanfalls betragen habe. Es hat eine Erbschaftsteuer in Höhe von 4.356 DM nach folgender Berechnung festgesetzt:

Grundstück

30.000 DM

abzüglich Nachlaßverbindlichkeiten

1.844 DM

 

--------------

verbleiben

28.156 DM

abzüglich steuerfrei wegen

 

Pflegeleistungen

3.950 DM

 

--------------

verbleiben

24.206 DM

Steuerklasse V,

 

Steuersatz 18 v.H.

 

Der Einspruch des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Klage hat er daran festgehalten, daß die von ihm geltend gemachten Aufwendungen in voller Höhe bei der Erbschaftsteuerfestsetzung zu berücksichtigen seien. Er hat demgemäß beantragt, die Erbschaftsteuer auf null DM festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Steuerfrei gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959 sei ein Erwerb, wenn der Erwerber dem Erblasser in Erwartung der letztwilligen Zuwendungen unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege und Unterhalt gewährt habe, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen sei. Diese Voraussetzungen seien hinsichtlich der geltend gemachten Pflegeleistungen in Höhe von 25.000 DM gegeben, nicht jedoch hinsichtlich der Barzuwendungen und Gelegenheitsgeschenke.

Nicht zu beanstanden sei, daß das FA den Erwerb nicht in Höhe der angesetzten 25.000 DM steuerfrei gestellt habe. Es könnten hier nicht die Grundsätze zur Anwendung kommen, wie sie in dem zu § 25 ErbStG 1959 ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. März 1977 II R 84/71 (BFHE 121, 524, BStBl II 1977, 427) enthalten seien.

Der Kläger hat Revision eingelegt, die das FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hatte, und innerhalb der Revisionsbegründungsfrist beantragt, die Erbschaftsteuer auf 568 DM herabzusetzen. Dieser Betrag ergebe sich, wenn man von dem Steuerwert des Nachlasses die als angemessen angesehenen Pflegeleistungen von 25.000 DM abziehe.

Nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist hat der Kläger beantragt, die Erbschaftsteuer auf null 0 DM festzusetzen. Er hat nunmehr die Auffassung vertreten, die Pflegeleistungen hätten nach der mittleren Lebenserwartung des Erblassers bei Aufnahme in den Haushalt des Klägers kapitalisiert werden müssen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unzulässig, soweit der Revisionsantrag über den innerhalb der Revisionsbegründungsfrist gestellten Antrag hinausgeht. Im übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Erweiterung des Revisionsantrags nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ist unzulässig, weil die bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingereichte Revisionsbegründung die Antragserweiterung nicht deckt (vgl. das BFH-Urteil vom 14. Juli 1966 V 167/62, BFHE 86, 565, BStBl III 1966, 627). In der Revisionsbegründung hat der Kläger nur begründet, warum er die Steuerfreiheit in Höhe des Wertes der Pflegeleistungen in Höhe von 25.000 DM (25 x 1.000 DM monatlich) für gerechtfertigt hält. Die Begründung für den weitergehenden Antrag auf volle Freistellung von der Erbschaftsteuer ist erst in dem nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz vom 3. November 1978 enthalten.

2. Soweit die Revision zulässig ist, sind die Angriffe des Klägers gegen das Urteil des FG nicht begründet.

a) Auszugehen ist nach den nicht mit wirksamen Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des FG davon, daß der Kläger dem Erblasser für 25 Monate Unterhalt und Pflege im Werte von 25.000 DM gewährt hat.

Das FG hat dem FA zu Recht darin zugestimmt, daß der Erwerb nicht bis zur Höhe des Wertes des Unterhalts und der Pflege als steuerfrei behandelt werden darf. Der Erwerb ist gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959 nur insoweit steuerfrei, als er als angemessenes Entgelt für Unterhalt und Pflege anzusehen ist. Die Feststellung, inwieweit eine letztwillige Zuwendung in diesem Sinne angemessenes Entgelt ist, kann nur auf der Grundlage der wahren Werte des Erwerbs von Todes wegen und der Gewährung von Unterhalt und Pflege erfolgen. In dem prozentualen Ausmaß, in dem die Gewährung von Unterhalt und Pflege angemessenes Entgelt ist, bleibt der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes bewertete Erwerb von Todes wegen steuerfrei.

Wird dem Erwerb von Todes wegen im Verkehrswert von 178.156 DM der Wert der Gewährung von Unterhalt und Pflege von 25.000 DM gegenübergestellt, so ergibt sich, daß letztere zu 14,03 v. H. angemessene Gegenleistung ist. Dieser Betrag ist geringer als der vom FA in seinem Steuerbescheid angenommene Betrag. Eine Verbesserung ist dem Senat jedoch verwehrt.

b) Die von dieser Auffassung abweichende Auffassung des Klägers berücksichtigt nicht, daß § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959 nicht den Abzug des Wertes der Gewährung von Unterhalt und Pflege anordnet, sondern die (ggf. teilweise) Steuerfreiheit des nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes zu bewertenden Erwerbes insoweit, als das Zugewendete angemessenes Entgelt für die Gewährung von Unterhalt und Pflege ist. Bei dieser Formulierung ist ein Abzug des Wertes des Unterhalts und der Pflege, wie ihn der Kläger fordert, nicht möglich.

Nicht zuzustimmen ist der erst in dem Schriftsatz des Klägers vom 3. November 1978 geäußerten Auffassung, daß es für die Ermittlung des Wertes der Gewährung von Unterhalt und Pflege nicht auf die tatsächliche Dauer der Gewährung ankommt, sondern auf die voraussichtliche Dauer nach der mittleren Lebenserwartung des Erblassers zu Beginn der Pflege. Nach § 22 ErbStG 1959 ist für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld maßgebend. Dies ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Das gilt auch für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959. Der Rechtsgedanke dieser Vorschrift geht dahin, daß ein Erwerb insoweit nicht der Erbschaftsteuer unterliegen sollte, als das Zugewendete als angemessenes Entgelt für die Gewährung von Unterhalt und Pflege anzusehen ist. Da die Vorschrift davon spricht, daß der Erwerber Pflege oder Unterhalt gewährt hat, kann nur der tatsächlich gewährte Unterhalt bzw. die tatsächlich gewährte Pflege gemeint sein und nicht etwa die Pflege und der Unterhalt für die Dauer, mit der der Erwerber bei Beginn der Gewährung von Unterhalt und Pflege nach der mittleren Lebenserwartung des späteren Erblassers hat rechnen müssen.

c) Die vom Senat getroffene Entscheidung steht nicht in Widerspruch zu seinem Urteil in BFHE 121, 524, BStBl II 1977, 427. Dieses Urteil ist zu § 25 ErbStG 1959 ergangen. Diese Vorschrift sah den Abzug eines der Arbeit und der Dienstzeit angemessenen Betrages vor, dessen Bestimmung nicht von der Höhe des Erwerbes abhängig war. In § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959 war demgegenüber der Wert der Gewährung von Unterhalt und Pflege ausdrücklich in Bezug gesetzt zum Wert des Zugewendeten. Aus diesem Verhältnis ergab sich das Ausmaß der Steuerfreiheit des Erwerbers.