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BFH-Urteil vom 28.11.1980 (III R 17/78) BStBl. 1981 II S. 286

Zum Begriff der Anzahlungen i. S. des § 19 Abs. 3 Satz 1 BerlinFG bei Hingabe von Wechseln.

BerlinFG § 19 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verleast Wirtschaftsgüter. Im Oktober 1971 bestellte sie bei der Firma A PKW mit einem Gesamtwert von ... DM. Hierauf zahlte die Klägerin durch Hingabe von drei Wechselakzepten, die am 31. Dezember 1971 fällig waren, insgesamt ... DM an. Die Lieferfirma reichte diese Wechsel der B-Bank am 1. November 1971 zur Diskontierung ein. Die diskontierten Beträge wurden der A gutgeschrieben.

Auf den Antrag der Klägerin gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für die genannten Zahlungen Investitionszulagen. Diese Zulagen forderte das FA mit Bescheid vom 18. November 1976 wieder zurück. Zur Begründung führte es an, daß nach den von ihm nach der Auszahlung der Zulagen getroffenen Feststellungen die geltend gemachten Anzahlungen tatsächlich bei der Klägerin nicht abgeflossen seien.

Die Sprungklage blieb ohne Erfolg.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung des § 19 des Berlinförderungsgesetzes i. d. F. vom 29. Oktober 1970 - BerlinFG - (BGBl I 1970, 1482, BStBl I 1970, 1016) rügt. Sie ist der Ansicht, das Finanzgericht (FG) habe den Begriff "Anzahlungen" unzutreffend ausgelegt. Darüber hinaus macht sie geltend, das FA habe die gewährten Investitionszulagen auch aus formellen Gründen nicht mehr zurückfordern können. Nach Auffassung der Klägerin liegt eine Anzahlung bereits im Zeitpunkt der Hingabe eines Wechsels vor. Es sei nicht erforderlich, daß der Gegenwert des Wechsels dem Empfänger zur freien Verfügung zufließe. Dies entspreche dem Sinn und Zweck des § 19 Abs. 3 BerlinFG. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe diese Rechtsauffassung in seinem Urteil vom 20. Juni 1980 5 StR 542/79 ausdrücklich bestätigt. Unabhängig davon habe die A über den Gegenwert der diskontierten Wechsel verfügt, indem sie den Diskonterlös auf ein Konto der Firma C bei der B-Bank überwiesen habe. Dieses Konto sei zwar mit dem Vermerk "Verfügung nur nach Rücksprache mit Kreditabteilung" versehen gewesen. Dies erkläre sich jedoch daraus, daß die C eine selbstschuldnerische Bürgschaft zugunsten der Klägerin abgegeben habe. Die C habe im übrigen am 20. Dezember 1971 mit der Klägerin einen Darlehensvertrag geschlossen. In Erfüllung dieses Vertrages seien u.a. die Wechsel am 31. Dezember 1971 eingelöst worden. Das gesamte Darlehen sei von der Klägerin im Jahr 1973 an die C zurückgezahlt worden. Darüber hinaus hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat insbesondere noch geltend gemacht, der spätere tatsächliche Geschehensablauf nach Hingabe der Wechsel sei nicht von vornherein geplant gewesen. Die Zulage könne ferner nicht mit der Begründung versagt werden, es fehle an einem wirksamen Kaufvertrag. Die Ernsthaftigkeit der Bestellung von ... Kraftfahrzeugen (Kfz) könne nicht in Zweifel gezogen werden. Tatsächlich seien ... PKW im Gesamtwert von ... DM geliefert worden. Der Vertrag vom Oktober 1971 sei nur wegen der schlechten Konjunkturlage nicht voll erfüllt worden.

Die Rückforderung der Investitionszulagen ist nach Auffassung der Klägerin auch deshalb nicht Rechtens, weil dem FA entgegen den Feststellungen des FG bekanntgewesen sei bzw. bekanntgewesen sein mußte, daß die A ebenso wie die Klägerin zur Unternehmensgruppe D gehöre. Durch einfache Nachfrage, wie und wann die A über den Diskonterlös verfügt habe, hätte der vom FG angenommene Kreislauf des Wechselgegenwertes erkannt werden können. Das FA habe damit seine amtlichen Ermittlungspflichten nicht ausreichend erfüllt. Entgegen der Auffassung des FG seien deshalb die Geldbewegungen nicht neue Tatsachen für das FA. Die Klägerin rügt in diesem Zusammenhang mangelnde Sachaufklärung durch das FG, weil dieses es unterlassen habe, nachzuprüfen, ob dem FA die Zugehörigkeit der A zur Unternehmensgruppe D bekannt gewesen sei.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und den Investitionszulagenrückforderungsbescheid des FA aufzuheben, soweit ein Betrag von ... DM zurückgefordert wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Nach § 19 Abs. 6 BerlinFG ist die Investitionszulage zurückzuzahlen, wenn nach der Auszahlung der Investitionszulage festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für ihre Gewährung nicht vorgelegen haben. Im Streitfall hat das FG einen Anspruch des FA auf Rückzahlung der für die Anzahlungen gewährten Investitionszulagen zu Recht bejaht.

2. Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 BerlinFG kann die Investitionszulage bereits für im Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) aufgewendete Anzahlungen auf Anschaffungskosten gewährt werden. Im Streitfall liegen jedoch keine Anzahlungen vor.

a) Nach den Feststellungen des FG ist zwar der A der Gegenwert der von der Klägerin gegebenen Wechsel auf dem Konto der A bei der B-Bank gutgeschrieben worden. Die A konnte jedoch hierüber nicht ohne Zustimmung der Bank verfügen. Noch am Tag der Gutschriftserteilung übertrug die A den gutgeschriebenen Betrag auf das bei derselben Bank geführte Festgeldkonto ihrer Organträgergesellschaft, der Firma C. Die erforderliche Zustimmung der Bank hierzu erfolgte nur unter gleichzeitigem Anbringen eines Sperrvermerks auf dem Konto der C. Am 31. Dezember 1971 überwies die C einen Betrag von ... DM mit Zustimmung der B-Bank auf ein ebenfalls bei dieser Bank bestehendes Konto der Klägerin zur Einlösung der Wechsel durch Verrechnung mit dem überwiesenen Betrag. Das Festgeldkonto der C war unmittelbar nach der Überweisung aufgelöst worden. Sowohl der Klägerin als auch die A und die C gehörten zur Unternehmensgruppe D.

An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klägerin rügt zwar einen Verfahrensverstoß des FG, diese Rüge ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung ergeht insoweit nach Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) ohne Angabe von Gründen.

b) Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG aus den getroffenen Feststellungen folgert, die Klägerin habe keine Anzahlungen i. S. des § 19 Abs. 3 Satz 1 BerlinFG geleistet.

Vorleistungen an einen Lieferanten sind nur dann zulagebegünstigt, wenn sie in Erfüllung eines Anschaffungsgeschäftes erbracht werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Juni 1978 III R 48/77, BFHE 125, 243, BStBl II 1978, 475). Der Senat kann unerörtert lassen, ob der zwischen der Klägerin und der Firma A im Oktober 1971 geschlossene Vertrag den Anforderungen des vorstehenden genannten Urteils entspricht. Eine Wechselhingabe kann jedenfalls dann nicht als in Erfüllung eines Anschaffungsgeschäftes erbracht angesehen werden, wenn sie für den Empfänger keinen wirtschaftlichen Wert hat. Im Streitfall ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß die wechselmäßige Einschaltung der A als Auftragnehmerin nicht der finanziellen Abwicklung von Geschäften diente. Der A ist der Wechselgegenwert zu keinen Zeitpunkt wirtschaftlich zugeflossen. Dabei kann die Hingabe des Wechsels an die A nicht für sich allein betrachtet werden. Die besonderen Verhältnisse des Streitfalles erfordern es, in die Beurteilung die Abwicklung des Wechselgeschäftes in seiner Gesamtheit miteinzubeziehen. Dies führt zu der nach Ansicht des Senats entscheidenen Feststellung, daß die Klägerin die Wechsel mit eben den Diskontbeträgen eingelöst hat, die ihr zuvor - unter der Kontrolle der Bank - über die beiden anderen D-Unternehmen zugeflossen sind. Ihren Sinn erhält diese Gestaltung des Wechselgeschäftes vor dem Hintergrund der Regelung des § 19 Abs. 3 BerlinFG, die den Nachweis einer Anzahlung fordert. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es dabei auf den tatsächlichen Ablauf der Abwicklung des Wechselgeschäftes an und nicht darauf, inwieweit dieser im einzelnen im vorhinein geplant war. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Einlösung der Wechsel im Rahmen einer Darlehenshingabe formalrechtlich eine Novation darstellt: denn nach den bindenden Feststellungen des FG ist der Lieferantin und Empfängerin der Wechsel, der A, im wirtschaftlichen Ergebnis, auf das es allein ankommt, nichts zugeflossen, auch nicht in der Zeit vom 3. November bis zum 10. Dezember 1971, wie von der Klägerin behauptet.

Bei dieser Sachlage ist es unerheblich, welche Rechtsbeziehung die Klägerin im übrigen mit der C unterhalten hat.

3. Das FG hat zu Recht auch die weiteren Voraussetzungen für die Rückforderung der Investitionszulagen bejaht.

Nach den bindenden Feststellungen des FG hat das FA die dem Rückforderungsanspruch zugrunde liegenden Tatsachen erst nach Auszahlung der Zulagen festgestellt. Hierauf kommt es für die Entstehung des Rückforderungsanspruchs entscheidend an. Das FA konnte den Rückforderungsanspruch auch geltend machen, ohne durch die Grundsätze von Treu und Glauben daran gehindert zu sein (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1974 VIII R 224/72, BFHE 112, 444, BStBl II 1974, 538).