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BFH-Urteil vom 30.9.1980 (VIII R 201/78) BStBl. 1981 II S. 301

Das Finanzamt darf den Gewinn aus Gewerbebetrieb durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG nur dann ermitteln, wenn die Wahl dieser Ermittlungsart durch den Steuerpflichtigen angenommen werden kann. Dies ist nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige bestreitet, gewerblich tätig geworden zu sein.

EStG § 4 Abs. 1, 3.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete im Jahre 1970 auf eigenem Grundstück ein Wohnhaus mit Eigentumswohnungen, von denen er im Jahre 1970 17 und im Jahre 1971 26 verkaufte, ohne hierüber Buch zu führen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah die Verkaufstätigkeit des Klägers als gewerblich an und ermittelte den daraus erzielten Gewinn in den Streitjahren 1970 und 1971 anhand der vom Kläger überreichten Unterlagen durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Nach in diesem Streitpunkt erfolglosem Einspruch hob das Finanzgericht (FG) unter Abweisung der Klage im übrigen die angefochtenen Bescheide und Einspruchsentscheidungen auf und verpflichtete das FA, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -): Das FA sei zwar zutreffend von einem Gewerbebetrieb des Klägers ausgegangen. Trotzdem müßten die angefochtenen Steuerbescheide und Einspruchsentscheidungen aufgehoben werden, nachdem der Kläger in seiner Klage hilfsweise verlangt habe, daß die Gewinne durch Vermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG festgestellt werden. Das FA sei zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 217 der Reichsabgabenordnung (AO) befugt und verpflichtet gewesen, weil der Kläger keine Bücher geführt habe. Nachdem er jedoch die Aufzeichnungen nachgeholt und Steuerbilanzen vorgelegt habe, müßten diese als Schätzungsgrundlage dienen, weil dies die angemessenste Methode sei, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Es komme dabei nicht darauf an, ob der Kläger die Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich oder durch Überschußrechnung gewählt habe. Von einer solchen Wahl könne im übrigen keine Rede sein, weil der Kläger der Ansicht gewesen sei, keinen Gewerbebetrieb zu unterhalten, so daß er auch keinen Gewinn habe ermitteln wollen. Dem FG sei die Nachprüfung der vom Kläger vorgelegten Bilanzen verwehrt, weil es Aufgabe des FA sei, die Grundentscheidungen des Besteurungsverfahrens zu treffen. Soweit der Kläger die Anrechnung des im Jahre 1970 angefallenen Verlustes im Folgejahr nach § 10d EStG verlange, sei die Klage abzuweisen.

Gegen das Urteil des FG wendet sich die Revision des FA mit folgender Begründung:

Das FG habe weder dargelegt noch festgestellt, daß der Kläger keine Gewinnermittlung durch Überschußrechnung gewollt habe. Die dem FA vorgelegten Unterlagen seien aber nur für eine Überschußrechnung, nicht jedoch für einen Vermögensausgleich geeignet. Überdies hätte das FG darlegen müssen, nach welchen Kriterien die Steuerschuld zu errechnen ist. Im übrigen komme nur die Gewinnermittlung durch Überschußrechnung in Betracht, weil der Kläger keine Grundlagen für den Vermögensvergleich in ordnungsmäßiger Weise geschaffen habe. Aus den für eine Überschußrechnung ausreichenden Unterlagen müsse gefolgert werden, daß der Kläger die Überschußrechnung wählen wollte. Dabei sei es ohne Belang, ob er sich des Vorliegens gewerblicher Einkünfte bewußt war, weil er auch ohne dieses Bewußtsein das Risiko tragen müsse, daß sein Gewinn durch Überschußrechnung ermittelt wird, für die seine Aufzeichnungen ausreichen. Zu Unrecht habe das FG auch gefordert, daß bei der Gewinnermittlung von den nachträglich erstellten Bilanzen des Klägers auszugehen sei. Nur eine zumutbare Schätzung könne verlangt werden.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision des FA wird das Urteil des FG aufgehoben und die Sache zur Ermittlung des Steuerbetrags an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

In der Sache ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß das FA als Gewinn nicht den Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) ansetzen durfte.

Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 4 Nr. 1 EStG 1969/71 nach den Regeln der §§ 4 bis 7e EStG zu ermitteln. Nach § 4 Abs. 1 EStG ist der Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Grundsätzlich ist der Gewinn aus Gewerbebetrieb durch diesen Vermögensvergleich zu ermitteln. § 4 Abs. 3 EStG räumt jedoch dem nicht buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen die Möglichkeit ein, den Gewinn durch Vergleich der Einnahmen mit den Ausgaben, mithin durch Überschußrechnung zu ermitteln. Der nicht buchführungspflichtige Steuerpflichtige hat also ein Wahlrecht, das nur er allein ausüben kann, wogegen das FA zwischen den Ermittlungsmethoden nicht wählen kann. Allerdings hat der Bundesfinanzhof (BFH) in dem vom FA erwähnten Urteil vom 9. Februar 1967 IV 291/64 (BFHE 88, 166, BStBl III 1967, 310) entschieden, daß das FA den Gewinn durch Überschußrechnung ermitteln könne, wenn die Buchführung des Steuerpflichtigen nicht ausreicht, um einen Vermögensvergleich anzustellen. Diese dem FA eingeräumte weitgehende Möglichkeit, die Gewinnermittlungsmethode zu bestimmen, hat jedoch der gleiche Senat des BFH im vom FA ebenfalls erwähnten Urteil vom 2. März 1978 IV R 45/73 (BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431) eingeschränkt. In diesem Urteil geht der BFH entsprechend dem Gesetzeswortlaut davon aus, daß nur der Steuerpflichtige das Wahlrecht hat. Er vertritt aber die Auffassung, daß der Steuerpflichtige dieses Wahlrecht dadurch zugunsten der Gewinnermittlungsart durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ausübt, daß er nur die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufzeichnet. Sowohl das FG als auch der Kläger weisen aber zutreffend darauf hin, daß die Ausübung des Wahlrechts den Willen voraussetzt, eine Wahl zu treffen. Hierfür ist denknotwendige Voraussetzung, daß sich der Steuerpflichtige bewußt ist, steuerpflichtige Einkünfte zu erzielen. Fehlt diese Voraussetzung, so kann eine vom Steuerpflichtigen getroffene Wahl nicht unterstellt werden, weil sie nicht denkbar ist. Wer keinen Gewinn ermitteln will, hat keine Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten getroffen. Mit dem Hinweis auf das Risiko des Steuerpflichtigen, den das FA vorbringt, läßt sich die gegenteilige Ansicht nicht begründen, denn das - angebliche - Risiko kann die nach dem Gesetz erforderliche Wahlhandlung des Steuerpflichtigen nicht ersetzen.

Kann eine vom Kläger getroffene Wahl für die Gewinnermittlung durch Überschußrechnung nicht festgestellt werden, so muß das FA den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG durch Vermögensvergleich ermitteln, gleichgültig wie auch immer die Buchführung beschaffen ist. Soweit die Buchführung für den Vermögensvergleich nicht ausreicht, sind die Besteuerungsgrundlagen, die den Vermögensvergleich ermöglichen, gemäß § 217 AO zu schätzen.