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BFH-Urteil vom 14.11.1980 (III R 23/78) BStBl. 1981 II S. 355

1. Nutzungsziffern und Wertzahlen sind bei der Bewertung unbebauter Hafengrundstücke nicht anwendbar.

2. Ein Hafen dient dem öffentlichen Verkehr, wenn er tatsächlich ohne Beschränkung auf einen bestimmten, mit dem Verfügungsberechtigten in enger Beziehung stehenden Personenkreis zugänglich ist und auch so benutzt wird. Unerheblich ist dabei, wessen Interessen der Verkehr dient.

BewG i.d.F. vor BewG 1965 §§ 53, 10 Abs. 2; GrStG 1951 § 4 Nr. 9a.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Hafen. Sie hat den am Stichtag - 1. Januar 1969 - vorhandenen Hafen in zwei Bauabschnitten eingerichtet. Im ersten Bauabschnitt hat die Klägerin den Teil A (Hafeneinfahrt), den Teil B (Wendebecken) und den Teil C und D (Löschstelle) erstellt. Durch Vertrag mit der X-AG ist der Teil C und D (Löschstelle) dieser langfristig zur Verfügung gestellt worden. Für das dahinterliegende Gelände ist der X-AG ein Erbbaurecht auf 50 Jahre bestellt. Der zweite Bauabschnitt des Hafenprojekts wurde auf der Grundlage eines Vertrages mit der Y-AG erstellt. Im Bereich des zweiten Bauabschnitts ist die Löschstelle der Y zur Verfügung gestellt. An dem angrenzenden Grundstücksbereich ist für die Y ein Erbbaurecht auf 50 Jahre bestellt.

Die Klägerin betreibt den Hafen als Ölhafen. Deshalb ist nach § 2 der Hafenverordnung das Befahren des Hafens nur mit Tankschiffen gestattet; Ausnahmen kann die Hafenbehörde zulassen.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 1969 beantragte die Klägerin, den Einheitswertbescheid sowie den Grundsteuermeßbescheid auf den 1. Januar 1961 für den als unbebautes Grundstück bewerteten Hafen im Wege der Berichtigung auf den 1. Januar 1969 fortzuschreiben. Sie war der Ansicht, der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) habe zu Unrecht die Wasser- und Deichflächen, die Straßenflächen und das sog. Reservegelände zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt. Die drei Flächen stellten vielmehr je eine wirtschaftliche Einheit dar. Gleichzeitig beantragte die Klägerin, den Grundsteuermeßbescheid auf den 1. Januar 1969 für die ihrer Ansicht nach steuerbefreiten Grundstücke, nämlich Wasser- und Deichflächen sowie Straßenflächen, auf ... DM festzusetzen.

Das FA lehnte diesen Antrag ab. Der Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das FA sah das sog. Reservegelände, das langfristig verpachtet war, als selbständige wirtschaftliche Einheit an. Dementsprechend ermäßigte es den Einheitswert für das Hafengrundstück unter Zugrundelegung der Wertzahl 78 auf ... DM. Im übrigen wies es den Einspruch als unbegründet ab.

Mit der Klage begehrte die Klägerin neben der Grundsteuerbefreiung unter Hinweis auf den Erlaß des Reichsministers der Finanzen (RdF) vom 1. Juli 1940 S - 3231 A - 200 III (Einheitsbewertung der Binnenhäfen) eine weitere Ermäßigung des Einheitswertes. Die Klägerin war der Ansicht, daß nach Abschn. 4 Abs. 4 dieses Erlasses bestimmte Erdarbeiten als verlorener Aufwand anzusehen seien, so daß sie bei der Bewertung unberücksichtigt bleiben könnten. Außer dem müsse nach Abschn. 6 Abs. 1 die Nutzungsziffer 42 und die hieraus abzuleitende Wertzahl 71 angesetzt werden. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit den in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 284 Nr. 11/12 (EFG 1978, 284) veröffentlichten Gründen abgewiesen.

Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, die ordnungsrechtliche Wertung des Hafens als öffentlicher Hafen sei maßgebend für das Bewertungs- und das Grundsteuerrecht. Dies erfordere die Einheit der Rechtsordnung. Aber selbst wenn man den Begriff "dem öffentlichen Verkehr dienende Häfen" in § 4 Nr. 9a des Grundsteuergesetzes (GrStG) 1951 wie das FG auslege, könne die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Der Hafen erfülle nämlich sämtliche Voraussetzungen, die der Bundesfinanzhof (BFH) an einen dem öffentlichen Verkehr dienenden Hafen stelle. Der Hafen sei jedermann zugänglich. Auf die Interessenlage der Anlieger komme es nicht an. Ebensowenig sei entscheidungserheblich, ob der Schiffsverkehr stark oder schwach sei und ob er verkehrsbehördlichen Beschränkungen unterliege. Entgegen der Auffassung des FG komme es lediglich darauf an, inwieweit die Wasserfläche des Hafens allgemein genutzt werden könne. Die Hafeneinrichtungen könnten in die Beurteilung nicht einbezogen werden. Es genüge, wenn der Allgemeinheit gewisse Anlegevorrichtungen zur Verfügung ständen. Eine andere Entscheidung verkenne die Wirkungsweise des sog. Heilbronner Systems. Danach sei es nicht erforderlich, daß der Betreiber eines öffentlichen Hafens Verlade- und Löschvorrichtungen, Lagerhallen und -plätze vorhalte. Das FG habe ferner zu Unrecht § 6 Abs. 3 GrStG angewendet; der Hafen werde auch nicht teilweise für einen nicht steuerbegünstigten Zweck genutzt.

Die Klägerin beantragt die Vorentscheidung aufzuheben und

1. den Einheitswert unter Fortschreibung auf den 1. Januar 1969 nach Maßgabe der Abschn. 4 und 6 des RdF-Erlasses vom 1. Juli 1940 betreffend Einheitsbewertung der Binnenhäfen festzustellen,

2. den Hafen unter Fortschreibung des Grundsteuermeßbetrages auf den 1. Januar 1969 gemäß § 4 Nr. 9a GrStG 1951 von der Grundsteuer freizustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben, soweit sie den Grundsteuermeßbescheid auf den 1. Januar 1969 betrifft. Im übrigen, d. h. soweit sie die Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1969 betrifft, wird die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

1. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der Einheitswert für das Hafengrundstück nicht weiter zu ermäßigen.

a) Die Rüge der Klägerin, das FA habe zu Unrecht Abschn. 4 Abs. 4 des RdF-Erlasses vom 1. Juli 1940 S 3231 A - 200 III nicht angewendet, ist unbegründet. Nach dieser Regelung können die Kosten etwaiger Erdarbeiten auf dem Hafengelände, die Kosten bestimmter Uferbefestigungen und die Kosten für die Ausbaggerung des Hafenbeckens bei den Hafenbetrieben des öffentlichen Verkehrs bis auf weiteres als verlorener Aufwand angesehen werden, sie sind deshalb bei der Bewertung derartiger Hafenbetriebe nicht zu berücksichtigen. Im Streitfall handelt es sich aber um die Bewertung eines unbebauten Grundstücks. Dieses ist mit dem gemeinen Wert (§ 53 i. V. m. § 10 des Bewertungsgesetzes in der Fassung vor dem Bewertungsänderungsgesetz 1965 - BewG a. F. -) zu bewerten. Der gemeine Wert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 10 Abs. 2 i. V. m. § 18 Abs. 3 BewG a. F.). Die Kosten der Erdarbeiten usw. haben auf den gemeinen Wert, wie er sich nach § 10 BewG a. F. bestimmt, unmittelbar keinen Einfluß. Das Begehren, bestimmte Kostenstellen außer Ansatz zu lassen, geht daher ins Leere. Sofern sich die Aufwendungen der Klägerin mittelbar im Preis niedergeschlagen haben, kann die entsprechende Werterhöhung nicht unberücksichtigt bleiben. Dementsprechend bestimmte Abschn. 4 Abs. 4 Sätze 3 und 4 des genannten RdF-Erlasses folgerichtig, daß eine Erhöhung des Bodenwerts, die durch die Erdarbeiten usw. für das Hafengelände eingetreten ist, berücksichtigt werden muß und die Kosten der Erdarbeiten usw. für das Ausmaß der Werterhöhungen nicht entscheidend sind.

b) Ebensowenig kann sich die Klägerin mit Erfolg auf die Bestimmung des Abschn. 6 des RdF-Erlasses vom 1. Juli 1940 berufen. Danach ist die Wertzahl für die Hafengrundstücke im Altreich nach den allgemeinen Bestimmungen aus der Nutzungsziffer zu bilden. Die Nutzungsziffer für öffentliche Hafenbetriebe im Stromgebiet des Rheins, der westdeutschen Kanäle und der Weser ist dabei auf 42 festgesetzt worden. Bei unbebauten Grundstücken kommt aber die Anwendung einer Wertzahl nicht in Betracht. Die Wertzahl dient vielmehr zur Angleichung des aufgrund der Sachwertberechnung ermittelten Wertes bestimmter bebauter Grundstücke an den gemeinen Wert. Das FA hat zwar im Streitfall die Wertzahl 78 angewendet. Das Verböserungsverbot hindert jedoch den Senat, den Einheitswert insoweit zu Lasten der Klägerin zu berichtigen.

2. Die Revision hat jedoch Erfolg, soweit das FG die Grundsteuerfreiheit des Hafens verneint hat.

a) Nach § 4 Nr. 9a GrStG 1951 - GrStG a.F. sind u. a. die "dem öffentlichen Verkehr dienenden Häfen" von der Grundsteuer befreit. Was unter dem Begriff "dem öffentlichen Verkehr dienend" zu verstehen ist, erläutert das Gesetz nicht. Der erkennende Senat hat jedoch in seinem Urteil vom 11. November 1970 III R 55/69 (BFHE 100, 325, BStBl II 1971, 32) zur gleichen Vorschrift entschieden, daß eine Straße dann dem öffentlichen Verkehr dient, wenn sie tatsächlich ohne Beschränkung auf einen bestimmten mit dem Verfügungsberechtigten in enger Beziehung stehenden Personenkreis zugänglich ist und auch so benutzt wird. Die öffentlich-rechtliche Widmung ist weder erforderlich noch für sich allein ausreichend.

Diese Grundsätze gelten entsprechend auch für Häfen.

b) Enge Beziehungen zu den Benutzern bestehen nur, wenn der Verfügungsberechtigte selbst bzw. der von ihm mit der Wahrung dieser Aufgabe Betraute jeden einzelnen entweder persönlich oder wenigstens dem Namen nach kennt und ihm die Benutzung gestattet hat (vgl. Müller, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., Anm. 49 zu § 1 des Straßenverkehrsgesetzes - StVG -). Unerheblich ist dabei, wessen Interesse der Verkehr dient. Ein dem öffentlichen Verkehr dienender Hafen liegt auch dann vor, wenn eine Gebühr für die Benutzung erhoben wird, oder wenn die Benutzung grundsätzlich nur bestimmten Schiffen oder Fahrzeugen gestattet ist, sofern dabei nicht persönliche Beziehungen zwischen den Benutzern und demjenigen vorausgesetzt werden, der über die Benutzung des Hafens verfügen kann. Eine über die Nutzung als Ölhafen hinausgehende Beschränkung auf bestimmte Benutzer würde im übrigen im Widerspruch zu dem Charakter des Hafens als öffentlich-rechtlicher im Sinne des Ordnungsrechtes stehen. Es ist lediglich erforderlich, daß der Hafen tatsächlich von einem aus der Sicht des Eigentümers nicht geschlossenen Personenkreis benutzt wird (vgl. Müller, a. a. O., Anm. 54), und zwar unabhängig davon, in welcher Weise und in welchem Umfang dies geschieht.

c) Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt, daß der Hafen der Klägerin dem öffentlichen Verkehr dient. Dies gilt in erster Linie für die Hafeneinfahrt und das Wendebecken. Aber auch in bezug auf die übrigen Teile des Hafens, insbesondere auch hinsichtlich des Umschlagsbereichs, war die Klägerin nach den Feststellungen des FG in ihrer Verfügungsmacht nicht beschränkt. Daß daneben auch die Anlieger berechtigt waren, darüber zu bestimmen, welche Schiffe den Hafen anlaufen konnten, hat weder das FG festgestellt noch wird es vom FA behauptet. Es widerspräche auch dem Charakter des Hafens als eines öffentlichen Binnenhafens im Sinne des Ordnungsrechts. Zwischen den Benutzern des Hafens und der Klägerin bestanden keine engen Beziehungen. Die Klägerin konnte keine Auswahl unter den den Sicherheitserfordernissen eines Ölhafens entsprechenden Schiffen treffen, die den Hafen benutzen wollten. Entsprechendes gilt für die Benutzung der Straßen innerhalb des Hafens. Der Kreis der Benutzer war für die Klägerin unbestimmt und wechselnd. Da es auf die Person des Verfügungsberechtigten ankommt, war es unerheblich, daß die den Hafen anlaufenden Schiffe fast ausschließlich in Geschäftsbeziehungen zu den beiden Anliegern standen. Damit ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob der Eigentümer des Hafens selbst sämtliche für das Be- und Entladen der Schiffe erforderlichen Einrichtungen bereithält.

Die Entscheidung des Senats steht nicht in Widerspruch zum Urteil des Reichsfinanzhofs vom 31. März 1942 III 47/42 (RStBl 1942, 582). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Eigentümer den Hafen einem Anlieger zur ausschließlichen Benutzung überlassen. Dieser Fall ist mit der Streitsache nicht vergleichbar.

3. soweit die Klägerin mit ihrer Revision eine weitere Ermäßigung des Einheitswertes begehrte, war die Revision damit unbegründet. Im übrigen war die Vorentscheidung aufzuheben, da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist. Die Sache ist insoweit spruchreif. Der Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 1969 war auf Null DM festzusetzen.