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BFH-Beschluß vom 17.2.1981 (VII R 14/80) BStBl. 1981 II S. 395

Der im Revisionsverfahren gemäß Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG durch einen Rechtsanwalt vertretene Revisionskläger kann die Revision ohne Mitwirkung des Bevollmächtigten und sogar gegen dessen Willen selbst zurücknehmen.

BFH-EntlastG Art. 1 Nr. 1; FGO § 64 Abs. 1, § 125.

Sachverhalt

Mit Schreiben vom 25. August 1980 erklärte der Kläger persönlich, in seiner Revisionssache VII R 14/80 ziehe er hiermit seine durch Rechtsanwalt M eingelegte Revision zurück. Mit Schreiben vom 24. Oktober 1980 hat Rechtsanwalt M erklärt, er nehme die Revision nicht zurück und bitte um Entscheidung.

Der Kläger hat durch sein Schreiben vom 25. August 1980 die durch seinen Prozeßbevollmächtigten Rechtsanwalt M gegen das FG-Urteil vom 4. Oktober 1979 eingelegte Revision nach § 125 FGO rechtswirksam zurückgenommen. Für die Zurücknahme der Revision brauchte er sich nicht gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlastG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861) vertreten zu lassen.

Entscheidungsgründe

Der VIII. Senat des BFH hat im Beschluß vom 14. Juli 1976 VIII R 52/76 (BFHE 119, 233, BStBl II 1976, 630) entschieden, daß die Revision, die von einer nach Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG als Bevollmächtigter zugelassenen Person eingelegt worden ist, vom Revisionskläger selbst ohne Mitwirkung des Bevollmächtigten zurückgenommen werden kann. Der erkennende VII. Senat hält diese Entscheidung im Ergebnis für richtig, wenn er auch der vom VIII. Senat gegebenen Begründung, die Zurücknahme der Revision nach § 125 FGO könne auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden, so daß nach § 155 FGO i. V. m. § 78 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) für diese Prozeßhandlung kein Vertretungszwang bestehe, nicht zu folgen vermag. Die vom VIII. Senat für seine Begründung zitierten Ausführungen von Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 72 FGO Anm. 3, beziehen sich nicht auf die Rücknahme der Revision, sondern auf die Rücknahme der beim FG erhobenen Klage. Die ebenfalls vom VIII. Senat zitierten Kommentatoren v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. bis 6. Aufl., § 125 FGO Anm. 3, verkennen, daß die Rechtslage bei der Revisionsrücknahme anders ist als bei der Klagerücknahme. Die von der herrschenden Meinung vertretene Auffassung, die Klagerücknahme könne auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erklärt werden, rechtfertigt sich dadurch, daß die Klage nach § 64 Abs. 1 Satz 2 FGO beim FG auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben werden kann, ein Anwaltszwang dafür nicht besteht und deshalb der Kläger auch befugt sein muß, die Klage auch ohne Anwalt wieder zurückzunehmen (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 72 Anm. 3 A). Diese Gesichtspunkte können nicht auf die Rücknahme der Revision angewandt werden, da die Einlegung dieses Rechtsmittels und das Verfahren vor dem Revisionsgericht gemäß Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG dem Vertretungszwang unterliegt und die in § 64 Abs. 1 Satz 2 FGO für die Erhebung der Klage vorgesehene Möglichkeit, sie zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären, in den Vorschriften des § 120 FGO über die Einlegung der Revision nicht vorgesehen ist.

Der erkennende VII. Senat sieht die Rechtfertigung dafür, daß der bei der Einlegung der Revision gemäß Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertretene Revisionskläger die Revision ohne Mitwirkung des Bevollmächtigten und sogar gegen dessen Willen selbst zurücknehmen kann, in der Notwendigkeit, eine für den Revisionskläger unbillige Förmelei zu vermeiden, die mit Sinn und Zweck des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs nicht zu vereinbaren wäre. Im Beschluß vom 31. Januar 1978 VII K 2/77 (BFHE 124, 156, BStBl II 1978, 232), der die Zurücknahme einer gemäß § 37 Nr. 2 FGO beim BFH erhobenen, nach Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG dem Vertretungszwang unterliegenden Klage betrifft, hat der erkennende Senat entschieden, daß eine solche ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten i. S. des Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG erhobene Klage vom Kläger auch ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten zurückgenommen werden kann, weil sich ein Verlangen nach Heranziehung eines Anwalts nur zum Zwecke der Klagerücknahme als für den Kläger unbillige Förmelei erweisen würde. Dieser Grund trifft auch für den vorliegenden Fall zu, daß das nach Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG dem Vertretungszwang unterliegende Rechtsmittel unter Mitwirkung eines Bevollmächtigten eingelegt worden ist, der Bevollmächtigte jedoch dem Begehren des Rechtsmittelklägers nach Zurücknahme des Rechtsmittels nicht entsprechen will und deshalb der Rechtsmittelkläger bei strenger Auslegung des Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlastG gezwungen würde, einen anderen Bevollmächtigten allein für die Erklärung der Rücknahme des Rechtsmittels zu bestellen. Das Gesetz zur Entlastung des Bundesfinanzhofs bringt durch seine Vorschriften nur den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, den Zugang zum BFH einzuschränken und das Verfahren vor dem BFH zu vereinfachen. Es entspricht diesem Zweck, seine Vorschriften über den Vertretungszwang in denjenigen Fällen zugunsten des Verfahrensbeteiligten großzügig auszulegen, bei denen es um die Beendigung eines beim BFH anhängig gewordenen Verfahrens geht (vgl. hierzu auch die BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 1978 VI R 3/78, BFHE 125, 149, BStBl II 1978, 464; vom 13. März 1979 VII K2/79, BFHE 127, 309 BStBl II 1979, 431 und vom 17. Juli 1979 VII B20/77, BFHE 128, 327, BStBl II 1979, 707).

Für die Wirksamkeit der Rücknahme der Revision bedurfte es keiner Einwilligung des Revisionsbeklagten, da der Kläger nicht auf mündliche Verhandlung verzichtet hatte, eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat und kein Vorbescheid ergangen ist (vgl. § 125 Abs. 1 Satz 2 FGO). Die Erklärung des Rechtsanwalts M im Schriftsatz vom 24. Oktober 1980, er nehme die Revision nicht zurück, ist bedeutungslos, weil in diesem Zeitpunkt der Kläger selbst die Revision bereits wirksam zurückgenommen hatte.