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BFH-Urteil vom 18.12.1980 (V R 142/73) BStBl. 1981 II S. 408

Für die Unternehmereigenschaft einer Personengesellschaft i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1967 ist unerheblich, ob ihre Gesellschafter Mitunternehmer i. S. des § 15 Nr. 2 EStG sind.

UStG 1967 § 2 Abs. 1; EStG § 15 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb bis zum 31. Dezember 1965 eine Maschinenfabrik als Einzelunternehmer. Mit Wirkung vom 1. Januar 1966 nahm er seine drei minderjährigen Kinder in sein Unternehmen auf. Das bisherige Einzelunternehmen wurde aufgrund vormundschaftsgerichtlich genehmigten Gesellschaftsvertrages vom 16. Februar 1966 in eine Kommanditgesellschaft (KG) eingebracht, an welcher der Kläger als persönlich haftender Gesellschafter und seine Kinder als Kommanditisten beteiligt sind. Diese Gesellschaft wurde am 10. März 1966 unter der Firma R.A. KG" in das Handelsregister eingetragen; sie wickelte danach unter dieser Firma ihre Geschäfte ab.

In die Auslandsgeschäfte war ab 1. Januar 1966 eine nach liechtensteinischem Recht errichtete Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in Vaduz, welche die Ehefrau des Klägers mit zwei anderen, später ausgeschiedenen Personen auf Initiative des Klägers errichtet hatte, zwischengeschaltet. Der AG wurden von der KG Wiederverkaufsrabatte zwischen 25 und 30 v.H. eingeräumt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -), der die KG zunächst steuerlich geführt hatte, legte den erstmaligen Steuerbescheiden für die Jahre 1968 und 1969 vom 2. Februar 1972 folgende Rechtsauffassung zugrunde: Nach der für das Steuerrecht maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 2 und 3 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) müsse der KG die steuerliche Anerkennung versagt werden; angesichts der uneingeschränkten Machtstellung des Klägers in der Gesellschaft müsse er weiterhin als Alleinunternehmer betrachtet werden. Ferner müsse im Hinblick auf § 6 StAnpG den bürgerlich-rechtlichen Beziehungen zur liechtensteinischen AG die steuerliche Anerkennung versagt werden, weil die Errichtung der AG und ihre Zwischenschaltung in die Auslandsgeschäfte allein der Verlagerung von Einkünften in ein niedrig besteuerndes Land diene und die Einsparung von Umsatzsteuer bezwecke.

Das FA hat demgemäß die Umsatzsteuerbescheide 1968 und 1969 an den Kläger gerichtet. Dabei hat es diejenigen Beträge, die der AG nach teilweiser Weitergabe der ihr gewährten Rabatte an die ausländischen Wiederverkäufer verblieben sind, als Mehrentgelte der vom Kläger (als Einzelunternehmer) getätigten Ausfuhrlieferungen behandelt (geschätzter Zuschlag von 18 v.H.). Die in dieser Weise errechneten Entgeltserhöhungen betragen 26.969 DM für die Zeit vom 29. November bis 31. Dezember 1968 und 200.295 DM für die Zeit vom 1. Januar bis 10. Oktober 1969. In Höhe dieser Mehrentgelte zog das FA den Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Absicherungsgesetzes (AbsichG) zur Sonderumsatzsteuer heran und erhöhte die (im übrigen der Höhe nach nicht strittige) Umsatzsteuer 1968 und 1969 um den Betrag von insgesamt 9.090,56 DM.

Mit der Klage hat der Kläger in erster Linie die Aufhebung der Umsatzsteuerbescheide 1968 und 1969 begehrt; hilfsweise hat er beantragt, die festgesetzte Umsatzsteuer 1968 und 1969 um den Betrag von 9.090,56 DM Sonderumsatzsteuer zu ermäßigen.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Zwar sei eine nach außen auftretende KG als Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) zu behandeln, jedoch nur unter der Voraussetzung, daß auch im Innenverhältnis ein einheitliches Rechtssubjekt bestehe. Hieraus folge, daß der Begriff der Mitunternehmerschaft im Umsatzsteuerrecht nach den gleichen Gesichtspunkten zu beurteilen sei wie der entsprechende Begriff bei § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Unter Beachtung der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Anerkennung von Familiengesellschaften sei der KG die steuerliche Anerkennung zu versagen. Im übrigen seien in der Einschaltung der liechtensteinischen AG die Voraussetzungen des § 6 StAnpG gegeben.

Die Revision des Klägers ist auf die Heranziehung zur Sonderumsatzsteuer in Höhe von 9.090,56 DM beschränkt. Der Kläger legt dar, das FG habe mit der Anwendung des § 6 StAnpG materielles Recht verletzt.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet.

Es kann unentschieden bleiben, ob die Einschaltung der liechtensteinischen AG in die Auslandsgeschäfte einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 6 Abs. 1 StAnpG darstellte. Denn nicht der Kläger, sondern die KG wäre Schuldner der vom FA zusätzlich geforderten Sonderumsatzsteuer.

1. Die Gesellschaft "R. A. KG" ist mit Abschluß des Gesellschaftsvertrages entstanden. Bei Vertragsabschluß waren die minderjährigen Vertragspartner (die Kinder des Klägers) durch Ergänzungspfleger vertreten. Das Vormundschaftsgericht hatte seine Zustimmung zum Vertrag bereits vorweg erteilt. Die KG als Handelsgewerbetreibende i. S. des § 2 HGB ist ihrer Verpflichtung zur Eintragung in das Handelsregister nachgekommen; spätestens mit dem Zeitpunkt der Eintragung (10. März 1966) trat die Wirksamkeit der KG im Verhältnis zu Dritten ein (§ 123 Abs. 1, § 161 Abs. 1 HGB). Auch hat die KG in den Jahren 1968 und 1969, auf die sich die an den Kläger gerichteten Steuerbescheide beziehen, ihre Geschäfte unter der in das Handelsregister eingetragenen Firma abgewickelt.

2. Nach einhelliger Auffassung sind beschränkt rechtsfähige Personenvereinigungen, zu denen auch Kommanditgesellschaften zählen, befähigt, Träger von Umsätzen und damit Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1967 zu sein. Diese Personenvereinigungen können unter ihrer Firma Rechtsgeschäfte abschließen, mithin nach außen auftreten (§ 124 HGB) und in Erfüllung dieser Rechtsgeschäfte Lieferungen und sonstige Leistungen i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 bewirken.

In dieser Sache ist auch die KG "R. A. KG", die aus dem bisherigen Einzelunternehmen des Klägers hervorgegangen ist und an der der Kläger als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist, verfahren. Nicht der Kläger, sondern diese KG ist folglich in den Jahren 1968 und 1969 derjenige Unternehmer gewesen, der die Ausfuhrlieferungen erbracht hat, bezüglich derer das FA Sonderumsatzsteuer fordert. Die Umsatzsteuerbescheide 1968 und 1969 hätten sich daher an die KG als den Steuerschuldner richten müssen und nicht an den Kläger (§§ 1, 5 AbsichG, § 13 Abs. 2 UStG 1967).

3. Die Auffassung des FA und des FG, eine als Familiengesellschaft errichtete KG könne umsatzsteuerrechtlich - trotz ihres unbestreitbaren Tätigwerdens nach außen hin durch Bewirken von Umsätzen in ihrem Namen - nur dann als Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1967 anerkannt werden, wenn ihre Gesellschafter Mitunternehmer i. S. des § 15 Nr. 2 EStG seien, steht nicht im Einklang mit der Beschreibung des Unternehmerbegriffs in § 2 Abs. 1 UStG 1967. Diese enthält nicht - wie § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) - die sich auf das Innenverhältnis der Gesellschaft beziehende Einschränkung, daß eine Personengesellschaft (nur dann) gegeben ist, wenn "die Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen sind". Der auf Außenwirkung ausgerichteten Unternehmerdefinition des § 2 Abs. 1 UStG 1967 würde es widerstreiten, sie um die in § 2 Abs. 1 GewStG enthaltene Gesetzesaussage zum Innenverhältnis der Gesellschaft zu ergänzen.

Die für die Einkommensteuer und Gewerbesteuer geforderte Qualifikation der Gesellschafter als Mitunternehmer verfolgt eine für die Umsatzsteuer unbeachtliche Zielrichtung. Sie kreist im Ergebnis nur um die Frage, ob, wem und in welchem Umfang die von der Personengesellschaft erwirtschafteten Einkünfte zugerechnet werden dürfen. Dabei bleiben die zivilrechtlichen Wirkungen aus der Errichtung der Gesellschaft unberührt. Die Personengesellschaft wird von ihrer einkommensteuerrechtlichen Nichtanerkennung (bzw. der Nichtanerkennung ihrer zivilrechtlichen Gewinnverteilungsabrede) in ihrer zivilrechtlichen Existenz nicht betroffen. An diese knüpft jedoch das Umsatzsteuerrecht allein an, indem es alle zivilrechtlichen Gebilde als Träger von Umsätzen anerkennt, die sich nach außen hin durch Bewirken von Umsätzen am Wirtschaftsverkehr beteiligen (vgl. zuletzt Urteile vom 8. Februar 1979 V R 114/74, V R 101/78, BFHE 127, 254, 267, BStBl II 1979, 358, 362).

Auch dann, wenn im vorliegenden Fall den Kindern des Klägers zutreffend die Mitunternehmereigenschaft i. S. des § 15 Nr. 2 EStG (mit den entsprechenden Auswirkungen für die Einkommensteuer und die Gewerbesteuer) versagt worden sein sollte, hat doch der Kläger kein gewerbliches Unternehmen allein betrieben. Er ist - eingebunden in die zivilrechtlichen Wirkungen des Gesellschaftsvertrages - Gesellschafter einer KG und nicht Einzelunternehmer gewesen. Diese KG hat sich geschäftlich betätigt und unter ihrer Firma Umsätze bewirkt. Die darauf entfallende Umsatzsteuer wird von der KG geschuldet.

Die (abzulehnende) Auffassung des FG würde dazu führen, daß der Steuerbescheid an den Kläger (als Einzelunternehmer und damit) als Steuerschuldner zu richten wäre und folglich eine Inhaftnahme des Gesellschaftsvermögens der KG für die Umsatzsteuer ausgeschlossen wäre. Dabei ist die dem Leistungsempfänger gesondert in Rechnung gestellte und für den Umsatz geschuldete Umsatzsteuer angesichts der zivilrechtlichen Existenz der KG in deren Vermögen geflossen. Auch hieraus ergibt sich, daß der Mitunternehmerbegriff des ß 15 Nr. 2 EStG nicht auf das Gebiet der Umsatzsteuer übertragbar ist.

4. Unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils ist der Klage des Klägers wegen der an ihn gerichteten Umsatzsteuerbscheide 1968 und 1969 bezüglich der von der KG als Steuerschuldnerin bewirkten Umsätze im angegriffenen Umfang (Nichterhebung der Sonderumsatzsteuer in der Gesamthöhe von 9.090,56 DM) stattzugeben und die Umsatzsteuer 1968 und 1969 gemäß den gestellten Anträgen festzusetzen.