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BFH-Urteil vom 20.2.1981 (III R 42, 47/78) BStBl. 1981 II S. 458

Hotelgrundstücke sind im Sachwertverfahren zu bewerten.

BewG 1965 § 76 Abs. 3 Nr. 2.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Umstritten ist, ob Hotelgrundstücke zu Recht auf den 1. Januar 1964 im Sachwertverfahren bewertet worden sind.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer zweier Hotelgrundstücke. Er betreibt in beiden Anwesen in Eigenregie ein Hotel.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ermittelte den Wert dieser Grundstücke im Sachwertverfahren und stellte zum 1. Januar 1964 durch Hauptfeststellung die Grundstücksart Geschäftsgrundstück fest. Auf die Einsprüche, mit dem sich der Kläger insbesondere gegen die Wertermittlung im Sachwertverfahren wandte, ermäßigte das FA lediglich die Einheitswerte.

Die Klagen blieben ohne Erfolg.

Mit den Revisionen greift der Kläger erneut die Bewertung im Sachwertverfahren an. Seiner Ansicht nach kann auch für Hotelgrundstücke eine Jahresrohmiete ermittelt werden. Er verweist insoweit auf die Regelung des § 33 Abs. 1 Nr. 3 des Grundsteuergesetzes i. d. F. vom 7. August 1973 (GrStG), wonach für die Entscheidung, ob ein Grundsteuererlaß wegen wesentlicher Ertragsminderung zu gewähren ist, unter bestimmten Voraussetzungen an die Jahresrohmiete anzuknüpfen ist. Folge man der Auffassung des Finanzgerichts (FG), so ergebe sich ein Widerspruch zwischen § 76 Abs. 3 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) und § 33 Abs. 1 Nr. 3 GrStG. Der Begriff der Jahresrohmiete in beiden Vorschriften könne aber nicht verschieden ausgelegt werden. Andernfalls könne § 33 Abs. 1 Nr. 3 GrStG tatsächlich nicht angewendet werden; denn könne eine Jahresrohmiete nicht ermittelt werden, dann könne diese auch nicht als Berechnungsgrundlage in Frage kommen. Diese Widersprüchlichkeit erfordere es, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 des Grundgesetzes (GG) eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen.

Der Kläger ist im übrigen der Auffassung, daß § 76 Abs. 2 Nr. 3 BewG als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift verdeutliche dies. Das FG habe sich zu Unrecht auf die Regelung des Abschn. 16 Abs. 7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über die Richtlinien zur Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) berufen. Diese Regelung entbehre jeglicher gesetzlichen Grundlage. Die Finanzbehörde habe mit der Verwaltungsanweisung unzulässigerweise in den Bereich der gesetzgebenden Gewalt eingegriffen und dabei den Willen des Gesetzgebers verfälscht. Eine so weitgehende Änderung des materiellen Rechtes wäre nicht einmal durch eine rechtswirksam zustande gekommene Rechtsverordnung möglich gewesen. Dessen ungeachtet kann nach Ansicht des Klägers für Hotelgrundstücke eine Jahresrohmiete ermittelt bzw. die übliche Miete geschätzt werden. Soweit erforderlich, könne die Nutzungsvergütung für Betriebsvorrichtungen und ähnliche Wirtschaftsgüter aus dem Gesamtentgelt ausgeschieden werden. Von dieser Möglichkeit gehe Abschn. 21 Abs. 2 BewRGr ausdrücklich aus. Der Kläger macht im übrigen geltend, für Wohngrundstücke mit möblierten Appartements sei eine genaue Miete errechenbar. Für Hotelgrundstücke könne aber nichts anderes gelten, zumal auch bei den Appartements häufig noch Dienstleistungen erbracht würden. Auch die sog. Mischkalkulation (Gaststättenbetriebe/Beherbergungsbetriebe) stehe der Ermittlung einer Jahresrohmiete bzw. Schätzung einer üblichen Jahresmiete nicht entgegen.

Der Kläger macht schließlich geltend, die für die Schätzung der üblichen Miete erforderliche hinreichende Zahl vermieteter Objekte sei im Bundesgebiet vorhanden. Er nimmt dabei auf die im bisherigen Verfahren eingereichten Unterlagen Bezug.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidungen aufzuheben und die Einheitswerte für die Grundstücke im Ertragswertverfahren zu ermitteln.

Das FA beantragt, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

Die Verfahrensbeteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet. Der Senat hat die Revisionen zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 73 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind unbegründet.

1. Nach § 76 Abs. 1 Nr. 2 BewG wird der Wert eines Geschäftsgrundstücks grundsätzlich im Ertragswertverfahren ermittelt. Abweichend davon ist das Sachwertverfahren anzuwenden bei solchen Gruppen von Geschäftsgrundstücken und in solchen Einzelfällen von Geschäftsgrundstücken, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt noch die übliche Miete nach § 79 Abs. 2 BewG geschätzt werden kann (§ 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG).

Es ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, daß der Gesetzgeber für die in § 76 Abs. 3 BewG näher bezeichneten Geschäftsgrundstücke die Bewertung im Sachwertverfahren angeordnet hat. Das Nebeneinander von Ertragswert- und Sachwertverfahren bei bebauten Grundstücken nach dem Bewertungsgesetz beruht auf sachgerechten Erwägungen. Dies hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 4. Juni 1976 1 BvR 360/74 (BStBl II 1976, 637) ausdrücklich bestätigt.

2. Das FG hat die Grundstücke des Klägers zu Recht einer Gruppe von Geschäftsgrundstücken i. S. des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG zugeordnet; denn die Hotelgrundstücke bilden eine Gruppe von Geschäftsgrundstücken, für die weder eine Jahresrohmiete ermittelt, noch die übliche Miete geschätzt werden kann.

a) Zu der Frage, wann die Schätzung der üblichen Miete i. S. des § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG möglich ist, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 7. November 1975 III R 120/74 (BFHE 118, 59, BStBl II 1976, 277) Stellung genommen. Er hat dabei die Auffassung vertreten, daß die Schätzung der üblichen Miete für die im Ertragswertverfahren zu bewertenden Gruppen von Geschäftsgrundstücken nur anhand einer hinreichenden Zahl vermieteter Objekte gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung möglich ist. Diese Zahl muß so groß sein, daß die daraus abgeleitete Miete als regelmäßig gezahlte gesichert ist. Die Vermietungsfälle müssen überdies über das Bundesgebiet so verteilt sein, daß es jedem FA möglich ist, die Bewertung eigenverantwortlich durchzuführen.

Die gleichen Grundsätze gelten entsprechend auch bei der Entscheidung, ob für eine Gruppe von Grundstücken eine Jahresrohmiete ermittelt werden kann. Dabei ist entgegen der Ansicht des Klägers davon auszugehen, daß § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG nicht zu eng auszulegen ist, weil diese Vorschrift anderenfalls sinnwidrig nur auf ganz wenige Fallgruppen beschränkt würde (BFHE 118, 59, 62, BStBl II 1976, 277). Folglich kann die Bewertung im Sachwertverfahren nicht allein mit der Begründung ausgeschlossen werden, es sei rein rechnerisch oder in Einzelfallen möglich, eine zutreffende Jahresrohmiete zu ermitteln. Die Anwendung des Ertragswertverfahrens setzt vielmehr voraus, daß bei der jeweiligen Gruppe von Geschäftsgrundstücken eine hinreichende Zahl vermieteter Objekte vorhanden und dabei eine Jahresrohmiete i. S. des § 79 Abs. 1 BewG vereinbart ist. Unerheblich ist, in welchem Umfang Verpachtungen vorliegen; denn die Pacht bezieht sich nicht nur auf den Grundstücksgebrauch, sondern regelmäßig auch auf die Nutzung eines eingerichteten Gewerbebetriebs und damit auf Wirtschaftsgüter, die wie beispielsweise Betriebsvorrichtungen jedenfalls nicht zum Grundstück i. S. des Bewertungsrechts gehören (BFHE 118, 62, BStBl II 1976, 277).

b) Bei Hotelgrundstücken handelt es sich um im allgemeinen eigengenutzte Zweckbauten (vgl. Rössler/Langner, Schätzung und Ermittlung von Grundstückswerten, 3. Aufl., 1975, S.275). Soweit diese Grundstücke nicht eigengenutzt werden, werden sie überdies regelmäßig verpachtet, nicht aber vermietet. Damit steht in Einklang, daß der Kläger lediglich behauptet hat, ein Drittel der an einem jährlich durchgeführten Betriebsvergleich teilnehmenden Betriebe gehöre der Gruppe "Pachtbetriebe" an. Auch bei den vom Kläger namentlich aufgeführten Hotels handelt es sich seinen eigenen Angaben zufolge um Verpachtungsfälle.

Für die Auffassung des Senats, daß Hotelgrundstücke mangels einer hinreichenden Zahl von Vermietungsfällen im Sachwertverfahren zu bewerten sind, spricht auch der Umstand, daß der Grundstücksmarkt den Verkehrswert von Hotelgrundstücken nicht auf der Grundlage des Ertrags, sondern nach dem Sachwert beurteilt (vgl. Rössler/Langner, a. a. O., S. 10). Auch der Gesetzgeber geht bei der Bewertung von Hotelgrundstücken vom Sachwertverfahren aus, wie § 90 BewG sowie § 2 der zur Durchführung dieser Vorschrift ergangenen Verordnung zeigen. Danach ist in den Fällen, in denen die Einheitswerte der bebauten Grundstücke im Sachwertverfahren zu ermitteln sind, der Ausgangswert durch Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert anzugleichen. Die Übersicht in § 2 der VO enthält dazu in Abschn. A Nr. 4 eine ausdrückliche Regelung für die Grundstücksgruppe "Hotels".

Damit fehlt es bei Hotelgrundstücken an den für eine Bewertung im Ertragswertverfahren erforderlichen Voraussetzungen.

c) Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung zu Unrecht auf einen vermeintlichen Widerspruch zwischen § 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG einerseits und § 33 Abs. 1 Nr. 3 GrStG andererseits. Er übersieht dabei, daß die grundsteuerliche Regelung gerade die bebauten Grundstücke betrifft, deren Wert im Sachwertverfahren zu ermitteln ist. Darüber hinaus gelten für den Erlaß von Grundsteuer wegen wesentlicher Ertragsminderung bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken gemäß § 33 Abs. 2 GrStG andere Anknüpfungsmerkmale.

Ebensowenig kann die Bewertung im Sachwertverfahren mit dem Hinweis ausgeschlossen werden, die übliche Miete lasse sich jedenfalls in Höhe der Kostenmiete ermitteln (BFH-Urteil BFHE 118, 59, 63, BStBl II 1976, 277).

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage ist es ferner nicht mehr entscheidungserheblich, welchen rechtlichen Charakter Abschn. 16 Absätze 6 und 7 BewRGr hat.

d) Gegen die Vorentscheidungen im übrigen hat der Kläger keine Einwendungen erhoben. Fehler sind insoweit nicht zu erkennen.

e) Der vom Kläger beantragten Aussetzung der Verfahren nach Art. 100 GG bedarf es damit nicht.

3. Dem Antrag des Klägers, daß Verfahren III R47/78 aus "prozeßökonomischen Gründen" auszusetzen, konnte der Senat nicht entsprechen, da die Voraussetzungen des § 74 FGO nicht vorliegen. Es genügt nicht, daß die Aussetzung der Prozeßökonomie oder der Prozeßersparnis dienen würde (vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Tz. 2 zu § 74 FGO).

Ebensowenig konnte ein Ruhen des Verfahrens nach § 251 der Zivilprozeßordnung i. V. m. § 155 FGO angeordnet werden, da es an einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten fehlte.