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BFH-Urteil vom 11.3.1981 (II R 78/79) BStBl. 1981 II S. 486

Kauft eine Gemeinde ein Grundstück, um darauf ein Dorfgemeinschaftshaus zu errichten, so entfällt die Grunderwerbsteuerfreiheit für diesen Erwerbsvorgang nicht dadurch, daß zwei Räume des Gebäudes zum Unterstellen von Feuerwehrgeräten vorgesehen sind.

Niedersächsisches GrEStG § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Gemeinde, kaufte am 16. Juni 1976 ein in Niedersachsen liegendes, 1301 qm großes Grundstück in der Absicht, darauf ein Dorfgemeinschaftshaus zu errichten. Sie hatte vorgesehen, zwei Räume des Gebäudes zur Unterbringung von Feuerwehrgeräten zu verwenden.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Grundstücks durch Bescheid vom 20. Juli 1976 auf 1.137,65 DM fest; den Einspruch wies er zurück. Er hielt den Erwerbsvorgang - anders als die Klägerin - nicht für steuerfrei gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b des Niedersächsischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG), weil das zu errichtende Gebäude nicht in vollem Umfang als Dorfgemeinschaftshaus, sondern auch für Zwecke der Feuerwehr verwendet werden solle. Seine Auffassung stützte er auf den Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 14. Juni 1965 S 4401-8-313 Abschn. II Nr. 7 (BStBl II 1965, 100, 103). Darin ist angeordnet, daß die "Steuerbefreiung grundsätzlich zu versagen" ist, wenn das Grundstück "in seinen Teilen verschiedenen, teils begünstigten, teils nicht begünstigten Zwecken dienen" solle, es sei denn, es handle sich bei dem nicht begünstigten Grundstücksteil um einen von "ganz nebensächlicher oder untergeordneter Bedeutung (z. B. um einen kleinen Blumenladen in einem Krankenhausgrundstück)" oder es sei möglich, "das Grundstück - im Falle seiner Bebauung mittels senkrechter Teilung in wirtschaftlich selbständige Teilflächen" zu zerlegen, "von denen die eine zu begünstigten, die andere zu nicht begünstigten Zwecken verwendet werden soll". Das FA hielt einen solchen Ausnahmefall nicht für gegeben. Denn die Nutzung für Feuerwehrzwecke sei nicht von ganz nebensächlicher Bedeutung, sondern stelle einen Hauptzweck dar. Auch sei sie - von der genutzten Fläche her gesehen - nicht von ganz untergeordneter Bedeutung, denn sie mache fast ein Viertel der gesamten genutzten Fläche aus. Es sei ferner nicht möglich, das mit nur einem Gebäude bebaute Grundstück durch senkrechte Teilung in eine begünstigten Zwecken dienende und in eine nicht begünstigten Zwecken dienende Teilfläche zu zerlegen.

Das Finanzgericht (FG) hat Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben. Der Erwerbsvorgang sei steuerfrei gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b GrEStG. Zwar werde "die Nutzung durch die Feuerwehr vom Gesetz nicht begünstigt", aber "dieser nicht steuerbegünstigten Zwecken dienende Grundstücksteil'' lasse sich "flächenmäßig nicht abgrenzen". Auch sei es nicht möglich, das Gebäude durch senkrechte Teilung in einen begünstigten und einen nicht begünstigten Gebäudeteil aufzuteilen. In einem solchen Falle sei "darauf abzustellen, ob die steuerbegünstigte Nutzung" überwiege. Das sei hier eindeutig der Fall, denn die dem Dorfgemeinschaftshaus dienende Nutzfläche umfasse etwa 78 v. H. der gesamten Nutzfläche. Soweit der Niedersächsische Minister der Finanzen eine andere Rechtsauffassung vertrete, folge ihr das Gericht nicht.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b GrEStG. Es meint, die Steuerbefreiung sei beschränkt "auf solche Grundstücke... die ausschließlich begünstigten Zwecken dienen". Für diese Auffassung spreche insbesondere folgender Umstand: Bei der Beratung des Gesetzentwurfs sei von den Mitgliedern des Innenausschusses die Frage erörtert worden "ob und wie weit man Steuerfreiheit in solchen Fällen gewähren sollte, in denen das erworbene Grundstück nur teilweise einem steuerbegünstigten Zweck dient". Der Innenausschuß habe keine besondere Vorschrift für solche "Mischfälle'' vorschlagen wollen. Er sei davon ausgegangen, daß solche Fälle "nach der Rechtsprechung grundsätzlich voll steuerpflichtig" blieben (Stenographischer Bericht über die 22. Sitzung des Niedersächsischen Landtags am 26. Mai 1964, Fünfte Wahlperiode, 7. Tagungsabschnitt, Spalte 1472).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das Urteil des FG verletzt weder Bundes- noch Landesrecht, insbesondere nicht § 4 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b GrEStG. Nach dieser Vorschrift ist von der Besteuerung ausgenommen "bei Gemeinschaftsanlagen... der Erwerb eines Grundstücks zur Errichtung... von ... Dorfgemeinschaftshäusern... durch eine Gemeinde...". Mit Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die Befreiungsvorschrift ihre Wirkung auch dann entfalten kann, wenn das erworbene Grundstück nicht ausschließlich, sondern nur zu einem Teil dem begünstigten Zweck zu dienen bestimmt ist. Ist dieser Teil - wie im vorliegenden Fall - weder flächenmäßig abgrenzbar noch durch senkrechte Teilung des Gebäudes in einen begünstigten und einen nicht begünstigten Gebäudeteil aufzuteilen, so ist der Erwerbsvorgang jedenfalls dann von der Besteuerung ausgenommen, wenn die steuerbegünstigte Nutzung überwiegt und die nicht begünstigte Nutzung darin besteht, in zwei Räumen des Dorfgemeinschaftshauses Feuerwehrgeräte unterzubringen. Das ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut der Vorschrift, folgt aber aus ihrem Zweck, "die Durchführung kommunaler Aufgaben finanziell zu fördern" (Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes, Drucksache Nr. 41 des Niedersächsischen Landtags, Fünfte Wahlperiode, S. 5 unten). Zu den kommunalen Aufgaben in diesem Sinne gehört auch das Unterstellen und Bereithalten von Feuerwehrgeräten. Denn die Abwehr von Gefahren durch Brände und Hilfeleistung bei Unglücksfällen sowie bei Notständen sind Aufgaben der Gemeinde und des Landkreises (vgl. §§ 1 bis 3 des Niedersächsischen Brandschutzgesetzes vom 8. März 1978, Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1978 S. 233 - GVBl NS 1978, 233 -, für die vorhergehende Zeit: §§ 1 bis 3 des inzwischen aufgehobenen Gesetzes über den Feuerschutz im Lande Niedersachsen vom 21. März 1949 i. d. F. des Gesetzes vom 21. Dezember 1954, GVBl NS 179). Der mit der Steuervergünstigung verfolgte Zweck würde nur unvollkommen erreicht werden, wenn man der Rechtsansicht des FA folgte und wenn man den vom Innenausschuß verwendeten, aber nicht näher erläuterten Begriff der "Mischfälle" i. S. des FA auslegte. Denn dann wäre der Erwerb eines Grundstücks schon dann nicht mehr steuerfrei, wenn er zwar überwiegend der Errichtung einer öffentlichen Gemeinschaftsanlage (z. B. eines Dorfgemeinschaftshauses), zu einem geringen Teil aber einem anderen, nicht begünstigten gemeindlichen Zweck (z. B. dem Brandschutz und der Hilfeleistung) dienen soll, obwohl dies haushaltsmäßig aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gerade geboten sein kann (vgl. § 82 Abs. 2 der Niedersächsischen Gemeindeordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 18. Oktober 1977, GVBl NS 497).