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BFH-Urteil vom 1.4.1981 (II R 15/79) BStBl. 1981 II S. 490

Erwerben Vertriebene eine Eigentumswohnung zur eigenwohnlichen Nutzung, die für sie nach ihren persönlichen Verhältnissen zu klein ist, kaufen sie später ein unbebautes Grundstück zur Bebauung mit einem Wohnhaus für eigene Wohnzwecke, das für diese Zwecke geeignet ist, und kaufen sie danach ein Zweifamilienhaus, weil sie dieses für noch besser geeignet halten, so erfüllt der letztere Erwerb nicht die Voraussetzungen des § 2 Nr. 2 GrEStVertrG.

GrEStVertrG Nordrhein-Westfalen § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 2 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind seit 1957 miteinander kinderlos verheiratet. Sie sind Vertriebene und haben seit dem 8. September 1964 ihren ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet.

1965 kauften sie je zur ideellen Hälfte eine 44 qm große Eigentumswohnung in A, die sie 1972 wieder verkauften. Sie haben vorgetragen, daß diese Wohnung von der Klägerin allein bewohnt worden sei, da diese damals in A gearbeitet habe. Mitte 1966 seien sie nach B in eine Dreizimmerwohnung gezogen.

1973 und 1974 kauften die Kläger je zur ideellen Hälfte zwei Eigentumswohnungen in C und D in der Größe von 36 und 44 qm. Diese Wohnungen haben sie nach ihrem Vortrag zur Kapitalanlage erworben.

1970 begannen die Kläger damit, die Anteile der Miterben einer Erbengemeinschaft zu kaufen, der ein Grundstück mit einem weitgehend zerstörten Gebäude in B gehörte. Am 12. November 1974 kauften sie den letzten Miterbenanteil und wurden dadurch alleinige Eigentümer des Grundstückes, das sie mit einem zur Eigennutzung vorgesehenen Wohnhaus bebauen wollten.

Durch notariellen Vertrag vom 3. Dezember 1974 kauften die Kläger sodann je zur ideellen Hälfte ein weiteres Grundstück in B mit aufstehendem Zweifamilienhaus. Das vorher in B erworbene Trümmergrundstück verkauften sie 1976 wieder, ohne es bebaut zu haben. Für den Erwerb des Zweifamilienhauses beantragten sie Grunderwerbsteuervergünstigung nach dem Nordrhein-Westfälischen Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge, Verfolgte und politische Häftlinge (GrEStVertrG) vom 21. Mai 1970, weil dieser Erwerb für sie erstmals zur Schaffung von geeignetem Wohnraum geführt habe.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag ab und setzte durch zwei Steuerbescheide vom 19. März 1975 gegen jeden der beiden Kläger Grunderwerbsteuer fest. Es liege weder ein erster Erwerb nach der Schädigung noch ein ausnahmsweise begünstigter zweiter Erwerb vor.

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger weiterhin, ihnen Freibeträge von jeweils 100.000 DM einzuräumen:

Der Anspruch auf die Steuervergünstigung nach dem Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge, Verfolgte und politische Häftlinge sei durch die Vorerwerbe nicht verbraucht worden. Die Eigentumswohnung in A sei zu klein gewesen, die Eigentumswohnungen in C und D seien nur zu Kapitalanlagezwecken erworben worden. Der Erwerb des Trümmergrundstückes in B müsse deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie dieses Grundstück nicht zu Wohnzwecken verwendet hätten. Sie hätten vielmehr das für sie besser geeignete Zweifamilienhaus gefunden, das sie alsbald hätten beziehen können und das in der Nähe der Praxis der Klägerin liege.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob bereits der Erwerb der Eigentumswohnung in A zum Verbrauch der Steuervergünstigung geführt habe, denn jedenfalls sei das von der Erbengemeinschaft durch Kauf der Erbanteile erworbene Grundstück für die Errichtung eines Wohnhauses geeignet gewesen, durch das die Kläger ihre Wohnbedürfnisse hätten befriedigen können. Auch wenn sie das nunmehr erworbene Zweifamilienhaus für noch geeigneter gehalten hätten, könne ihnen die Steuervergünstigung nicht für einen weiteren Erwerb gewährt werden.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist unbegründet. Ihnen stehen für den Erwerb des Zweifamilienhauses in B keine Freibeträge nach dem Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung für Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge, Verfolgte und politische Häftlinge mehr zu.

Die Kläger erfüllen zwar die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 GrEStVertrG; denn die FA (und auch die FG) müssen bis zum Ergehen einer etwaigen Entscheidung der zentralen Dienststelle des Landes Nordrhein-Westfalen oder der von ihr bestimmten Behörde über die Beendigung der Inanspruchnahme von Rechten und Vergünstigungen (vgl. § 13 Abs. 3 des Bundesvertriebenengesetzes - BVFG -) davon ausgehen, daß die Kläger in das wirtschaftliche und soziale Leben noch nicht in einem ihren früheren wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen zumutbaren Maße eingegliedert sind (vgl. hierzu das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 6. Dezember 1971 VIII C 80.70, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 412.3, § 13 BVFG Nr. 3 S. 4). Die Kläger erfüllen aber nicht die Voraussetzungen des § 2 Nr. 2 GrEStVertrG, wie das FG zu Recht entschieden hat.

Grundsätzlich ist nur der erste nach der Schädigung vorgenommene Erwerb zur Schaffung von Wohnungen für den Erwerber begünstigt (§ 2 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 1 GrEStVertrG). Dies wäre der Erwerb der Eigentumswohnung in A. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das zuerst erworbene Grundstück für die Schaffung des Wohnraumes nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers nicht geeignet war (§ 2 Nr. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GrEStVertrG). In diesem Fall kann auch noch ein weiterer Erwerb steuerbegünstigt sein.

Nimmt man zugunsten der Kläger an, daß die Eigentumswohnung in A in diesem Sinne für sie ungeeignet war, so fiele noch der weitere Erwerb des Trümmergrundstückes in B zur Bebauung mit einem Wohnhaus unter § 2 Nr. 2 GrEStVertrG. Denn dieses Grundstück war nach den persönlichen Verhältnissen der Kläger zur Schaffung von Wohnraum für sie geeignet. Unter diesen Umständen ist der nachfolgende Erwerb eines Zweifamilienhauses in B nicht mehr gemäß § 2 Nr. 2 GrEStVertrG begünstigt.

Der von den Klägern angeführte Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 17. April 1972 S 4 511 - 14 - V A 2 ist für die Rechtsfindung des Senats nicht verbindlich. Im übrigen kann diesem Erlaß nur entnommen werden, daß der Finanzminister offensichtlich aus Billigkeitsgründen - noch einen zweiten Erwerb begünstigen wollte, auch wenn im Einzelfall das zuerst erworbene Grundstück an sich für die Schaffung des Wohnraumes geeignet war. Dem Erlaß kann jedenfalls nicht entnommen werden, daß der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen auch noch einen dritten Erwerb ohne Rücksicht auf die Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 Nr. 2 GrEStVertrG begünstigen wollte.