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BFH-Urteil vom 6.5.1981 (II R 16/79) BStBl. 1981 II S. 584

Eine Betriebstätte i. S. von § 1 Nr. 1 GrEStStrukturG NW setzt nicht eine gewerbliche Tätigkeit voraus (Fortentwicklung der Entscheidung vom 22. Januar 1975 II R 62/73, BFHE 115, 67, BStBl II 1975, 391).

GrEStStrukturG NW § 1 Nr. 1; StAnpG § 16.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 1. Juli 1974 haben die in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GdbR) verbundenen Kläger und Revisionskläger (Kläger), beide Angehörige der steuerberatenden Berufe, einen Grundstücksteil mit aufstehendem Wohngebäude um 140.000 DM erworben. Für den Erwerb wurde Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur (GrEStStrukturG NW) beantragt.

Mit gemäß § 100 der Reichsabgabenordnung (AO) vorläufigem Bescheid setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegen die GdbR Grunderwerbsteuer fest. Im Jahre 1976 hat die GdbR eine Bescheinigung des zuständigen Regierungspräsidenten vorgelegt, in der ausgeführt wird, unter dem Gesichtspunkt der Verlagerung und Erweiterung eines Steuerberatungsbüros erfülle der Grundstückserwerb die Voraussetzungen von § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStStrukturG NW. Unter Bezugnahme auf diese Bescheinigung trugen die in GdbR verbundenen Kläger vor, bis 1974 hätten sie ihr Steuerberatungsbüro in gemieteten Räumen betrieben. Der Grundstückserwerb hätte eine Betriebsvergrößerung ermöglicht und damit die Reduzierung von Personal vermieden.

Das FA vertrat die Ansicht, wegen freiberuflicher Tätigkeit werde keine Betriebstätte i. S. von § 16 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) unterhalten und erklärte den vorläufigen Steuerbescheid am 12. November 1976 für endgültig.

Die nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens erhobene Klage, mit der die Aufhebung der Steuerfestsetzung begehrt wird, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die GdbR ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, der Einspruchsentscheidung sowie des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides.

Nach § 1 Nr. 1 GrEStStrukturG NW in der für den Erwerbsvorgang gültigen Fassung ist unter weiteren Voraussetzungen der Erwerb eines Grundstückes von der Grunderwerbsteuer befreit, das unmittelbar zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte verwendet werden soll. Zu Unrecht hat das FG angenommen, der Begriff der Betriebstätte in diesem Gesetz sei lediglich i. S. des Betriebstättenbegriffs des § 16 StAnpG zu verstehen.

Ziel des GrEStStrukturG NW war neben der grunderwerbsteuerrechtlichen Ergänzung des Stillegungsgesetzes vom 11. April 1967 (BGBl I 1967, 403) und des Kohlegesetzes vom 15. Mai 1968 (BGBl I 1968, 365) "allgemein für sämtliche Wirtschaftszweige im Interesse einer strukturellen Verbesserung den Ankauf von Grundstücken zur Gründung und Erweiterung von volkswirtschaftlich förderungswürdigen Betrieben'' zu "erleichtern" (vgl. Gesetzesbegründung in Landtags-Drucksache Nr. 1238 S. 9, Sechste Wahlperiode). Der im Gesetz verwendete Begriff der Betriebstätte ist vom Zweck der Norm her zu verstehen. Dieser Zweck gebietet aber keine Beschränkung auf Gewerbebetriebe; auch die Ansiedlung bzw. Erweiterung von Büros freiberuflich Schaffender kann zu einer strukturellen Verbesserung führen. Auch die im freien Beruf Tätigen sind unter den Begriff der "sämtlichen Wirtschaftszweige'' zu subsumieren, für die der Grunderwerb zur Gründung und Erweiterung erleichtert werden soll. Der in § 1 Nr. 1 GrEStStrukturG NW verwendete Begriff "Betriebstätte" entspricht infolgedessen nicht dem gleichlautenden Begriff, wie er in § 16 Abs. 1 StAnpG erläutert war (so noch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 22. Januar 1975 II R 62/73, BFHE 115, 67, 70, BStBl II 1975, 391).

Da die übrigen formellen Voraussetzungen für die Befreiung (Antrag und Bescheinigung) gegeben sind, war die Grunderwerbsteuerbefreiung des Erwerbsvorgangs zu Unrecht versagt worden.