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BFH-Urteil vom 5.5.1981 (VIII R 113/78) BStBl. 1981 II S. 639

Bei der Berechnung der auf die begünstigten Einkünfte nach § 25 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG entfallenden anteiligen Einkommensteuer ist vom "Gesamtbetrag der Einkünfte" i. S. von § 2 Abs. 3 EStG 1975 auszugehen.

BerlinFG §§ 21, 25 Abs. 2 Nr. 1; EStG 1975 § 2 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bezog 1975 neben Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte aus Kapitalvermögen mit Kapitalerträgen von 4.580 DM, bei denen es sich nicht um Einkünfte aus Berlin (West) i. S. des § 23 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) handelte. Bei der für die Berechnung der Ermäßigung der veranlagten Einkommensteuer nach § 25 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG erforderlichen Aufteilung der Einkommensteuer im Verhältnis der Summe aller Einkünfte aus Berlin (West) zum "Gesamtbetrag der Einkünfte" erhöhte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Gesamtbetrag der Einkünfte (40.134 DM) um den Altersentlastungsbetrag nach § 24a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 (1.901 DM) auf 42.035 DM und erließ einen entsprechenden Einkommensteuerbescheid.

Nach erfolglosem Einspruch, mit dem geltend gemacht wurde, bei der Ermittlung des Verhältnisses der Einkünfte aus Berlin (West) zum "Gesamtbetrag der Einkünfte" sei zu Unrecht der Altersentlastungsbetrag hinzugerechnet worden, weil dieser nach § 2 Abs. 3 EStG 1975 von der Summe der Einkünfte abzuziehen sei, gab das Finanzgericht (FG) mit der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 155 veröffentlichten Entscheidung der Klage statt und führte im wesentlichen aus:

Für die Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer nach § 21 Abs. 1 BerlinFG - 30 v. H. bei den Einkünften aus Berlin (West) - sei in Fällen, in denen im Einkommen neben Einkünften aus Berlin (West) noch andere Einkünfte enthalten sind, die Einkommensteuer für die Berechnung der Ermäßigung im Verhältnis der Summe aller Einkünfte aus Berlin (West) zum Gesamtbetrag der Einkünfte aufzuteilen. "Gesamtbetrag der Einkünfte" sei auch hier wie in § 2 Abs. 3 EStG 1975 die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag. Die Identität der Begriffe Gesamtbetrag der Einkünfte im Einkommensteuergesetz und im Berlinförderungsgesetz ergebe sich aus der engen Verknüpfung beider Gesetze. Eine Nichtberücksichtigung des Altersentlastungsbetrages sei entgegen der Meinung des FA auch nicht durch Auslegung möglich. Der Gesetzeswortlaut sei eindeutig. Eine abändernde Rechtsfortbildung sei nicht zulässig, weil nicht zu erkennen sei, daß der Gesetzgeber dem Begriff "Gesamtbetrag der Einkünfte" im Einkommensteuergesetz und im Berlinförderungsgesetz nach dem Einkommensteuerreformgesetz vom 5. August 1974 - EStRG - (BGBl I 1974, 1769) einen verschiedenen Inhalt habe geben wollen. Dies sei auch aus gesetzessystematischen Gründen nicht erforderlich.

Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 21, 25 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG und macht geltend.

Unabhängig vom Wortlaut geböten Sinn und Zweck der §§ 21 bis 26 Berlin FG eine andere Auslegung als die des FG. Für die Errechnung der anteilig zu gewährenden Steuerermäßigung seien die Einkünfte aus Berlin (West) in ein Verhältnis zu den übrigen Einkünften zu setzen. Auf dieses mathematische Verfahren dürften "verfahrensfremde" Beträge, wie hier der Altersentlastungsbetrag, keinen Einfluß haben. Alle Wahrscheinlichkeit spreche hier für ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers. Wolle man gleichwohl eine wortgetreue Anwendung der Vorschrift für die Verhältnisrechnung, müßten sämtliche Einkünfte anteilig um den Altersentlastungsbetrag gekürzt werden. Die vom FG vorgenommene Auslegung des § 25 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG führe im Ergebnis dazu, daß die auf die Einkünfte des Klägers aus Berlin (West) entfallende Einkommensteuer sich statt um 30 v. H. um 31,43 v. H. ermäßige.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Für die Abänderung der Steuerfestsetzung in der Vorentscheidung hat das FG die Ermäßigung der Einkommensteuerschuld nach § 21 BerlinFG in richtiger Anwendung des § 25 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG vorgenommen. Die Bestimmung des Begriffs "Gesamtbetrag der Einkünfte" in der letzterwähnten Vorschrift durch das FG ist frei von Rechtsirrtum.

Der Begriff "Gesamtbetrag der Einkünfte" in § 25 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG wird wortgetreu auch in § 2 Abs. 3 EStG 1975 verwendet und ist dort definiert als die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag - und den Ausbildungsplatz-Abzugsbetrag ab Einkommensteuergesetz 1978 -. Es besteht kein Anlaß, den Begriff in der gesetzlichen Definition des Einkommensteuergesetzes nicht auch für das Berlinförderungsgesetz zu übernehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist davon auszugehen, daß den vom Gesetzgeber in einem Gesetz verwendeten gleichlautenden Begriffen gleiche Bedeutung beizumessen ist, wenn der Gesetzgeber nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt hat und sich auch aus dem Zweck der Vorschriften nichts anderes ergibt (vgl. Urteil vom 4. Dezember 1979 VIII R 188/78, BFHE 129, 365, BStBl II 1980, 203). Das gilt ebenso, wenn der gleiche Begriff in verschiedenen Gesetzen verwendet wird (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Januar 1971 GrS 6/70, BFHE 101, 247, BStBl II 1971, 274). Gründe für eine voneinander abweichende Bedeutung der Begriffe in § 2 Abs. 3 EStG 1975 und in § 25 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG sind nicht gegeben. Im vorliegenden Fall spricht für eine inhaltsgleiche Anwendung des umstrittenen Begriffs bereits die enge Verknüpfung zwischen dem Einkommensteuergesetz und den Vorschriften über die Steuerermäßigung nach den §§ 21 bis 28 BerlinFG (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1972 VI R 163/69, BFHE 105, 146, BStBl II 1972, 479).

Eine Nichtberücksichtigung des Altersentlastungsbetrages für die Berechnung der Steuerermäßigung nach § 25 BerlinFG ist auch nicht durch abändernde Rechtsfortbildung - Auslegung gegen den Gesetzeswortlaut - möglich. Es ist nicht zu ersehen, daß anläßlich der Neufassung des Einkommensteuergesetzes durch das Einkommensteuerreformgesetz und der damit zusammenhängenden Änderung des Berlinförderungsgesetzes ein redaktionelles Versehen vorgekommen und dadurch ein sinnwidriges, vom Gesetzgeber nicht gewolltes Ergebnis eingetreten wäre. Angesichts der übrigen redaktionellen Anpassungen des Berlinförderungsgesetzes im Zusammenhang mit dem Einkommensteuerreformgesetz ist im Zweifel nicht anzunehmen, daß bei der Vorschrift des § 25 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG vom Gesetzgeber etwas anderes gewollt gewesen wäre, als zum Ausdruck gekommen ist. Gegen ein Versehen spricht im übrigen, daß auch bei späteren Änderungen des Berlinförderungsgesetzes der hier umstrittene Wortlaut nicht geändert wurde; das Berlinförderungsgesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 22. Dezember 1978 (BGBl I 1979, 1) enthält in seinem § 25 Abs. 2 Nr. 1 immer noch den Begriff "Gesamtbetrag der Einkünfte".

Entgegen der Meinung des FA zwingt auch nicht die im Gesetz vorgesehene Verhältnisrechnung zu einer Auslegung des Begriffes "Gesamtbetrag der Einkünfte in dem Sinne, daß der Altersentlastungsbetrag unberücksichtigt zu bleiben hätte und darunter die Summe aller Einkünfte zu verstehen wäre. Dem Gesetzgeber ist es freigestellt, welche Größen er für die Berechnung der Steuerermäßigung in ein Verhältnis zueinander gesetzt wissen will, es sei denn, das angeordnete Verfahren wäre von Willkür bestimmt. Davon kann hier keine Rede sein, wenn als Verhältnisgrößen auf der einen Seite die Summe aller Einkünfte aus Berlin (West) und auf der anderen Seite die Summe aller Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, bestimmt sind. Es ist nicht auszuschließen, daß der Gesetzgeber zur Einhaltung einer bestimmten Gesetzessystematik an Begriffsbestimmungen festgehalten hat, die im Einzelfall zu einer höheren, jedoch noch vertretbaren Steuerentlastung führen können. Hierzu Korrekturen vorzunehmen, muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.