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BFH-Urteil vom 3.7.1981 (III R 97/79) BStBl. 1981 II S. 759

Eine Ermäßigung des Gebäudewerts wegen Abbruchverpflichtung kommt nur in Betracht, wenn eine vertragliche Verpflichtung zum Abbruch von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden eindeutig und unzweifelhaft besteht. Hieran fehlt es bei einer Vereinbarung, wonach die Baulichkeiten bei Vertragsbeendigung in das Eigentum des Grundstückseigentümers und Vermieters übergehen sollen, wenn der Mieter die Gebäude nicht innerhalb von sechs Monaten ab Aufforderung durch den Grundstückseigentümer abgebrochen hat.

BewG § 94 Abs. 3 Satz 3.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Mineralölunternehmen, errichtete in 1969 auf einem gemieteten Grundstück aufgrund einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine Tankstelle. In § 7 des formularmäßigen Mietvertrages vom 5. April 1968 heißt es u. a.:

"... (Die Klägerin) wird bei Vertragsbeendigung durch Zeitablauf oder gemäß § 6 die von ihr oder den von ihr Beauftragten errichteten Baulichkeiten entfernen und das Mietgelände bodengleich einebnen. Geschieht dies nicht innerhalb von 6 Monaten von der Aufforderung ab, so gehen die nicht entfernten Anlagen und/oder Baulichkeiten in das Eigentum des Vermieters über, ohne daß Ansprüche gegen ... (die Klägerin) erhoben werde können ...". Das Mietverhältnis läuft bis zum 31. Dezember 1983. Es verlängert sich jeweils um fünf Jahre, wenn es von keiner Seite mindestens 12 Monate vor Ablauf gekündigt wird.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete das Tankstellengebäude anläßlich der Nachfeststellung zum 1. Januar 1974, dem hier streitigen Stichtag, nach dem Sachwertverfahren als Geschäftsgrundstück auf fremdem Grund und Boden und stellte den Einheitswert auf 21.800 DM fest. Das FA lehnte es ab, den von der Klägerin begehrten Abschlag wegen Abbruchverpflichtung (§ 94 Abs. 3 Satz 3 des Bewertungsgesetzes - BewG -) zu gewähren.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 61 (EFG 1980, 61) veröffentlichten Entscheidung aus: Die gesetzliche Pflicht (§ 556 BGB) des Mieters, die von ihm auf dem gemieteten Grundstück errichteten Anlagen nach Ablauf der Mietzeit zu beseitigen (vgl. dazu Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 27. April 1966 VIII ZR 148/64, Wertpapier-Mitteilungen, 1966 S. 765 - WM 1966, 765 -, und vom 8. Dezember 1971 VIII ZR 150/70, WM 1972, 389, 390; Palandt/Putzo, Bürgerliches Gesetzbuch, 38. Aufl., § 556 Anm. 1 a), begründe keinen Abschlag nach § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG. Für die Gewährung des Abschlags reiche es auch nicht aus, wenn dem Mieter ein vertragliches Wahlrecht eingeräumt sei, die Gebäude nach Ablauf der Vertragszeit abzureißen oder nicht. Denn dann hänge der Abbruch von der aufschiebend bedingten Entschließung des Mieters ab.

Die Klägerin rügt mit der Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG. In § 7 Satz 1 des Vertrages habe die Klägerin die Verpflichtung übernommen, bei Vertragsbeendigung die errichteten Baulichkeiten zu entfernen. Diese Verpflichtung der Klägerin bestehe zeitlich unbefristet. Die Vereinbarung in § 7 Satz 2 des Vertrages gehe davon aus, daß der Vermieter die Klägerin nach Vertragsbeendigung auffordere, die von ihr errichteten Baulichkeiten zu entfernen. Diese Abrede gehe von der auf der Lebenserfahrung beruhenden Annahme aus, daß der Vermieter seinen Anspruch auf Abbruch ausdrücklich geltend machen werde, wenn er an einer völligen Freimachung des Grundstücks durch den Mieter interessiert sei. Der fruchtlose Ablauf der mit der Aufforderung zum Abbruch in Lauf gesetzten 6-Monatsfrist habe zunächst zur Folge, daß der Vermieter Eigentümer der Baulichkeiten werde. Mit Ablauf der 6-Monatsfrist erlösche ferner der Anspruch des Vermieters gegen die Klägerin auf Entfernung der Aufbauten und Anlagen. Gleichzeitig gingen alle anderen Ansprüche unter, die dem Vermieter gegen die Klägerin aus der Nichterfüllung der in § 7 Satz 1 des Vertrages vereinbarten Abbruchverpflichtung zuständen. Hieraus folge, daß die 6-Monatsfrist, die der Vermieter durch seine Aufforderung an die Klägerin in Lauf setze, den Charakter einer Ausschlußfrist besitze. Diese werde in jedem Fall gewahrt, wenn innerhalb der Frist Klage auf Erfüllung des Anspruchs erhoben werde. Der im Wege der Klage innerhalb der Ausschlußfrist geltend gemachte Anspruch bleibe auch über den Ablauf der Ausschlußfrist hinaus erhalten, wenn der Rechtsstreit zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet sein sollte (Reichsgericht in Juristische Wochenschrift 1937 S. 533 - JW 1937 533 - ; Soergel/Siebert, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 10. Aufl., § 209 Anm. 33). Könne aber die Ausschlußfrist durch Klageerhebung gewahrt werden, so stehe dem Vermieter die Entscheidung darüber zu, ob die Anlagen entfernt werden oder nicht. Für die Klägerin ergebe sich lediglich eine gewisse Chance, daß der Vermieter seine Rechte wegen der Vertragsformulierung nicht hinreichend wahrnehme. Bei dem vom FG angenommenen Wahlrecht der Klägerin würde der Vermieter mit seiner Aufforderung, die Baulichkeiten zu entfernen, die Klägerin nach sechs Monaten aus ihrer Verpflichtung entlassen.

Für den Vermieter wäre es dann sinnvoller, seinerseits sofort die Baulichkeiten abreißen zu lassen und eine Erstattung der Kosten durch die Klägerin zu verlangen. Demgegenüber entspreche die Auslegung der Fristbestimmung in § 7 Satz 2 des Vertrages als einer Ausschlußfrist der Interessenlage beider Vertragspartner. Der Vermieter könne den Abbruch erzwingen, die Klägerin habe die Chance, die Kosten zu vermeiden, wenn der Vermieter der bloßen Aufforderung innerhalb dieser Frist nicht weitere Maßnahmen, nämlich die Einreichung der Klage, folgen lasse.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Einheitswertbescheid dahin abzuändern, daß der Einheitswert von 21.800 DM auf 20.100 DM ermäßigt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Ist vereinbart, daß ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden nach Ablauf der Miet- oder Pachtzeit abzubrechen ist, so ist dieser Umstand durch einen entsprechenden Abschlag zu berücksichtigen (§ 94 Abs. 3 Satz 3 BewG). Voraussetzung für die Gewährung des Abschlags ist jedoch, daß am Stichtag eine vertragliche Abbruchverpflichtung eindeutig und unbedingt besteht. Dies ist nur der Fall, wenn die vertraglichen Vereinbarungen nach ihrem eindeutigen Wortlaut dem Mieter oder Pächter bei Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses keine andere Wahl lassen, als die Gebäude abzureißen. Vertragliche Gestaltungen, die Zweifel an dem Bestehen einer solchen Verpflichtung aufkommen lassen, die die Verpflichtung einschränken oder die es dem Mieter oder Pächter bei Beendigung des Vertrages im Ergebnis freistellen, das nur zu einem vorübergehenden Zweck errichtete Gebäude entweder abzubrechen oder durch Stehenlassen und Zeitablauf in das Eigentum des Vermieters oder Verpächters übergehen zu lassen, beinhalten keine Abbruchverpflichtung i. S. des § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG. Das Erfordernis einer klar und eindeutig vereinbarten Abbruchverpflichtung als Voraussetzung für die Gewährung des Abschlags ist deshalb geboten, weil Gebäude, die aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages auf fremdem Grund und Boden errichtet sind, nach Auslaufen des Miet- oder Pachtverhältnisses in aller Regel noch einen wirtschaftlichen Wert darstellen. Im Hinblick hierauf lassen es die Vertragspartner häufig offen, ob die Gebäude nach Ablauf des Miet- oder Pachtverhältnisses abgebrochen werden oder ob sie vom Grundstückseigentümer ohne oder gegen Entgelt übernommen werden sollen. Zu den Voraussetzungen, unter denen eine Abbruchverpflichtung i. S. von § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG im Einzelfall angenommen werden kann, hat der Senat im Urteil vom 3. Juli 1981 III R 102/80 (BStBl 1981, 764), auf das insoweit Bezug genommen wird, Stellung genommen.

2. Bei Anwendung der in der vorstehend erwähnten Entscheidung vom 3. Juli 1981 III R 102/80 entwickelten Grundsätze ist im Streitfall ein Abschlag gemäß § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG nicht zu gewähren. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Vereinbarungen in § 7 Satz 1 des Mietvertrags die für das Bestehen einer Abbruchverpflichtung sprechen könnten, durch Satz 2 derselben Vertragsbestimmung in einer Weise in Frage gestellt werden, daß von dem Vorliegen einer eindeutigen und unbedingten vertraglichen Verpflichtung i. S. von § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG nicht gesprochen werden kann. Ist, wie im Streitfall, vereinbart, daß die Baulichkeiten bei Vertragsbeendigung in das Eigentum des Vermieters übergehen sollen, wenn die Gebäude nicht innerhalb von sechs Monaten abgebrochen werden und setzt der Beginn der 6-Monatsfrist zusätzlich eine Aufforderung zum Abbruch der Gebäude voraus, so besteht eine erhebliche Unsicherheit in der Beurteilung der gegenseitigen Rechte und Pflichten sowie in der tatsächlichen Gestaltung der künftigen Verhältnisse. Im Hinblick hierauf braucht nicht abschließend entschieden zu werden, ob es sich bei der 6-Monatsfrist in § 7 Satz 2 des Mietvertrages - wir das FG meint - um eine der Klägerin eingeräumte Überlegungsfrist oder - wie die Klägerin geltend macht - um eine Ausschlußfrist handelt. Es kann auch offenbleiben, ob die Abbruchverpflichtung nach Ablauf von sechs Monaten seit Beendigung des Mietverhältnisses erlischt, wenn die Klägerin die Tankstellengebäude nicht entfernt hat. Für ein Erlöschen der Abbruchverpflichtung könnte allerdings der letzte Halbsatz von § 7 des Mietvertrages sprechen, wonach Ansprüche gegen die Klägerin nach Ablauf der 6-Monatsfrist nicht mehr erhoben werden können. Schließlich braucht der Senat im Streitfall auch nicht abschließend darüber zu entscheiden, ob hier, wie die Klägerin meint, hinsichtlich der Vereinbarung, daß die nicht entfernten Anlagen und/oder Baulichkeiten in das Eigentum des Vermieters übergehen, ohne daß Ansprüche gegen sie, die Klägerin, erhoben werden können, eine vertragliche Unklarheit vorliegt, die unter die sogenannte Unklarheitenregel des § 5 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom 9. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3317) fällt. Entscheidend ist, daß ein Abschlag nach § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG nur in Betracht kommt, wenn eine vertragliche Abbruchverpflichtung eindeutig und unzweifelhaft besteht. Diese Voraussetzung ist jedoch bei den hier umstrittenen Vertragsbestimmungen nicht gegeben.