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BFH-Urteil vom 17.9.1981 (V R 6/76) BStBl. 1982 II S. 47

Eine inländische Organgesellschaft, die vom Organkreis im Ausland hergestellte Gegenstände vertreibt, kann im Rahmen der Entlastung des Vorratsvermögens nach § 28 UStG 1967 lediglich eine Erhöhung des Ausgangswertes um 20 v. H. beanspruchen.

UStG 1967 § 28 Abs. 2.

Sachverhalt

Die Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen) sind Organgesellschaften eines ausländischen Automobilherstellers. Sie vertreiben im Inland die von ihrer Organmutter im Ausland hergestellten und ins Inland unter Entrichtung einer Umsatzausgleichsteuer von 6 v. H. eingeführten Fahrzeuge und Ersatzteile ohne eine weitere Bearbeitung. Für diese Gegenstände des Vorratsvermögens beanspruchten die Klägerinnen im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1968 die Entlastung gemäß § 28 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967). Sie gingen bei der Berechnung des abziehbaren Entlastungsbetrages davon aus, daß der maßgebliche Wert im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 nach Satz 3 dieser Vorschrift um 100 v. H. zu erhöhen sei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hielt nach einer Betriebsprüfung lediglich eine Erhöhung um 20 v. H. für zutreffend und legte diese Rechtsauffassung seinen Berichtigungsbescheiden zugrunde. Das Finanzgericht (FG) hat die gemäß § 73 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verbundenen Klagen auf Erhöhung des Entlastungsbetrages abgewiesen.

Mit der Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Klagebegehren weiter. Dem FG sei im Ausgangspunkt darin zu folgen, daß der Gesetzgeber in § 28 UStG 1967 ein pauschales Entlastungsverfahren gewählt habe und unter Inkaufnahme von gewissen Ungleichbehandlungen sinnvollerweise zwischen Vorräten der Fertigung (Erhöhungssatz 20 v. H.) und des Handels (Erhöhungssatz 100 v. H.) unterscheide. Die kumulative Vorbelastung dieser beiden Gruppen von Vorratsvermögen sei unterschiedlich hoch. Ob ein Gegenstand dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen sei, könne in den Fällen grenzüberschreitender Organschaft nicht schematisch in der Weise beantwortet werden, es handele sich um ein Unternehmen, die im Ausland vorgenommene Fertigung des Gegenstandes sei folglich eine dem inländischen Unternehmensteil zuzurechnende Be- und Verarbeitung und infolgedessen läge ein Gegenstand der Fertigung vor. Die bei der Einfuhr der Gegenstände erhobene Umsatzausgleichsteuer habe zu einer Belastung vergleichbar der inländischen Fertigungsstufe geführt, was eine Zuweisung zu den Handelsvorräten rechtfertige. Entgegen der Auffassung des FG werde damit keine Auslegung des § 28 Abs. 2 UStG 1967 gegen seinen Wortlaut erstrebt. Dieser sei vielmehr darin zu verstehen, daß in den Fällen grenzüberschreitender Organschaft die Be- und Verarbeitung im ausländischen Unternehmensteil wegen der Belastung mit Umsatzausgleichsteuer dem inländischen Unternehmensteil nicht zuzurechnen sei. Diese früher im Bereich des § 4 Nr. 4 und des § 7 Abs. 3 UStG 1951 vertretene Auffassung sei seit der Änderung dieser Vorschriften durch das 16. Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes - 16. UStÄndG - vom 26. März 1965 (BGBl I 1965, 156, BStBl I 1965, 107) hinfällig, denn mit dieser Gesetzesänderung sei anerkannt worden, daß wegen der Erhebung der Umsatzausgleichsteuer die Zurechnung von Be- und Verarbeitungen über die Grenze hinweg unhaltbar sei. Deshalb habe das Umsatzsteuergesetz 1951 den inländischen Unternehmensteil bei der Weiterlieferung des Gegenstandes einem inländischen Händler gleichgestellt. Im übrigen habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) für die Zeit vor Inkrafttreten des 16. Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes entschieden, daß dem inländischen Unternehmensteil die Großhandelsvergünstigung gebühre, weil die Herstellerstufe durch die Erhebung der Umsatzausgleichsteuer abgegolten sei (Urteile vom 24. Februar 1966 V 115/63, BFHE 85, 140, BStBl III 1966, 261, und vom 10. März 1966 V 121/64, BFHE 86, 91, BStBl III 1966, 412). Entgegen der Auffassung des FA sei es auch notwendig, Inlandslieferungen des Herstellers an den Händler mit dem Einfuhrvorgang innerhalb des Organkreises gleichzustellen, denn es sei für den Händler gleichgültig, ob der Gegenstand auf dem ersten Wege oder als Folge einer Einfuhr in sein Vorratsvermögen gelangt sei. Nach alledem müsse § 28 Abs. 2 Satz 3 UStG 1967 im dargestellten Sinne interpretiert werden.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er hält die Rechtsfrage aufgrund des BFH-Urteils vom 30. Oktober 1969 V R 51/69 (BFHE 97, 209, BStBl II 1970, 75) für geklärt und sieht in diesem Urteil eine Bestätigung der in Abschn. B Nr. 4 Abs. 8 des BMF-Schreibens vom 3. November 1967 (BStBl I 1967, 374) vertretenen Auffassung. Ergänzend wird bemerkt, entgegen der Auffassung der Klägerinnen könne nicht davon ausgegangen werden, daß eingeführte Waren durch die Umsatzausgleichsteuer ebenso belastet worden seien wie vergleichbare inländische Handelswaren. Es müsse vielmehr unterstellt werden, daß die Umsatzausgleichsteuer nicht an die vergleichbare Vorbelastung inländischer Waren herangekommen sei, so daß für den Gesetzgeber keine zwingende Veranlassung bestanden habe, die im Ausland hergestellten und danach eingeführten Waren im Rahmen des § 28 UStG 1967 den inländischen Handelswaren gleichzustellen.

Auf die Stellungnahme des BMF haben die Klägerinnen entgegnet, der BMF verkenne, daß die im Rahmen des Organkreises eingeführten Gegenstände durch die Erhebung der Umsatzausgleichsteuer umsatzsteuerlich den erworbenen Waren gleichgestellt worden seien, damit der Handelsstufe zugehörten, was folglich bei Anwendung des § 28 UStG 1967 nicht außer Betracht bleiben könne. Auf das Urteil in BFHE 97, 209, BStBl II 1970, 75 könne sich der BMF nicht berufen, da es einen Sonderfall behandelt habe. Angesichts des hohen Ausgleichsteuersatzes von 3 v. H. für Kondensmilch habe bereits eine Erhöhung des Ausgangswertes um 20 v. H. zu einer Entlastung von mehr als 100 v. H. geführt. Im vorliegenden Fall dagegen führe die Auffassung des BMF zu einem nachteiligen, vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Ergebnis. Wie im Urteil in BFHE 97, 209, BStBl II 1970, 75 ausgeführt, sollte die durchschnittliche Entlastung nach § 28 UStG 1967 bei 85 v. H. liegen. Dieses Ziel würde bei ihrem Vorratsvermögen nur dann erreicht werden, wenn der Ausgangswert - wie erstrebt - um 100 v. H. angehoben würde. Bei Zugrundelegung der gegenteiligen Auffassung erreiche die AG nur eine Entlastung von 53,9 v. H. und die GmbH von 62,8 v. H.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerinnen ist nicht begründet.

1. Für die Ermittlung des Entlastungsbetrages geht § 28 Abs. 2 UStG 1967 im wesentlichen von zwei Gruppen entlastungsfähigen Vorratsvermögens aus. Bei den vom Unternehmer erworbenen und nicht be- oder verarbeiteten Gegenständen erhöht sich der maßgebliche Wertansatz des § 28 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 um 100 v. H., dagegen bei allen übrigen Gegenständen um nur 20 v. H. Dieser Aufteilung liegt die Erwägung zugrunde, daß die Entlastung nach Ausfuhrvergütungssätzen des § 25 UStG 1951 erfolgt und daß die Unterschiede in der eingetretenen Belastung mit alter Umsatzsteuer bei den Stufen der Produktion und den Folgestufen durch die unterschiedlichen (nämlich steigenden) Ausgangswerte und durch die gestaffelten Erhöhungssätze von 20 bzw. 100 v. H. aufgefangen werden. Mit der Anknüpfung an den überkommenen Bearbeitungsbegriff ist jedoch entgegen der Auffassung der Klägerinnen keine Unterscheidung von Gesetzes wegen nach Gegenständen der Fertigung (also solchen, die neben der mittelbaren Belastung die unmittelbare Belastung von regelmäßig 4 v. H. zu tragen hatten) und solchen des Handels (die neben ihrer spezifischen Vorbelastung zusätzlich die Belastung ihrer und vorangegangener Fertigungs- und Handelsstufen zu tragen hatten) verwirklicht worden. Dem Bearbeitungsbegriff ist eine derartige Funktion fremd; denn er ist an keine Umsatzstufe gebunden. Auch ein fertiger Gegenstand im Sinne der klägerischen Auffassung konnte auf den nachfolgenden Handelsstufen einer unter Umständen geringfügigen Bearbeitung unterworfen werden mit der Folge, daß für ihn nicht mehr der Erhöhungssatz von 100 v. H., sondern nur noch von 20 v. H. anwendbar war. Eine steigende kumulative Belastung mit Umsatzsteuer führt somit nicht zwangsläufig zu einer höheren Entlastung; vielmehr wirft eine schädliche Bearbeitung eines erworbenen Gegenstandes den Unternehmer auf den geringeren Erhöhungssatz von 20 v. H. zurück. Zwar soll nicht verkannt werden, daß die gesetzliche Konzeption von der Überlegung getragen ist, die Gegenstände beim Hersteller geringer und auf den nachfolgenden Stufen höher zu entlasten. Jedoch ist diese Konzeption aus Gründen der Praktikabilität schematisch verwirklicht und durch Verwendung des Bearbeitungsbegriffs verwässert worden. Die getroffene gesetzliche Lösung erlaubt daher keine Auslegung in dem Sinne, daß es die entlastungsfähigen Gegenstände nach der effektiven Höhe ihrer Belastung scheide. Das Gesetz macht ausdrücklich diesen Unterschied nicht, sondern trennt lediglich bearbeitete von nicht bearbeiteten Gegenständen. Diese Unterscheidung kann höher oder niedriger belastete Gegenstände treffen.

2. Bei den Gegenständen, die am Stichtag des 31. Dezember 1967 Vorratsvermögen der Klägerinnen waren, handelt es sich um solche, auf die der Erhöhungssatz von 20 v. H. anzuwenden ist. Die Klägerinnen sind Organgesellschaften des ausländischen Automobilherstellers X. Dieser hat die Gegenstände hergestellt. Der aus der X und den Klägerinnen bestehende Organkreis ist ein Unternehmer, da die Organschaft nicht an der Grenze endet (vgl. BFHE 85, 140, BStBl III 1966, 261, und BFHE 86, 91, BStBl III 1966, 412, für das alte Recht und Urteil vom 1. Oktober 1970 V R 49/70, BFHE 100, 272, BStBl II 1971, 34 für das neue Recht). Mithin hat im vorliegenden Fall dieser Unternehmer die zu seinem Vorratsvermögen gehörenden Gegenstände im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 3 UStG 1967 be oder verarbeitet. Soweit die Klägerinnen vorbringen, § 28 Abs. 2 Satz 3 UStG 1967 verlange ungeachtet der Rechtsfigur der grenzüberschreitenden Organschaft eine Auslegung in dem Sinne, daß nur eine im Inland vorgenommene Be- oder Verarbeitung maßgeblich sei, weil die Herstellerstufe durch die Erhebung der Umsatzausgleichsteuer abgegolten sei, machen sie geltend, daß sich die Gesetzesauslegung nach der Höhe der Belastung mit alter Umsatzsteuer richten müsse. Wie bereits dargelegt, stellt das Gesetz hierauf gerade nicht ab.