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BFH-Urteil vom 14.10.1981 (II R 85/79) BStBl. 1982 II S. 163

Ist ein Nießbrauch an einem Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft vermacht worden, so ist der Jahreswert des Nießbrauchs für Erbschaftsteuerzwecke auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 17 a BewG 1934 höchstens mit dem achtzehnten Teil des Wertes des belasteten Gesellschaftsanteils anzusetzen (Ergänzung und Klarstellung zum Urteil vom 11. August 1976 II R 144/67, BFHE 120, 268, BStBl II 1977, 2).

ErbStG 1951 § 22 Abs. 1, 6; BewG 1934 §§ 3, 15 bis 17; BewG 1934 i.d.F. des Bewertungsänderungsgesetzes 1963 § 17a.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist einer der beiden Söhne des 1956 verstorbenen Erblassers. Testamentarische Erben sind ein Sohn des Klägers und ein Sohn des Bruders des Klägers je zur Hälfte. Dem Kläger ist u. a. der lebenslängliche Nießbrauch an dem Erbteil seines Sohnes zur Hälfte vermacht worden. Zur anderen Hälfte ist der Nießbrauch der Ehefrau des Erblassers angefallen. Nach deren Tod steht er auch insoweit dem Kläger zu. Zum Nachlaß gehörte u. a. der Anteil des Erblassers an der A KG, an der der Erblasser als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt war. Kommanditisten dieser Gesellschaft waren seine beiden Söhne.

Der Kläger beantragte, die auf den Nießbrauch entfallende Erbschaftsteuer in Raten zu entrichten.

Aufgrund einer vorläufigen Erbschaftsteuererklärung setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) durch vorläufigen Steuerbescheid gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest.

Die endgültige Erbschaftsteuererklärung gab der Kläger 1965 ab. In dieser Erklärung bewertete er den Kapitalwert des Nießbrauchs, soweit er sich auf den Anteil des Erblassers an der A KG bezog, auf 260.000 DM (20.000 DM x 13).

Das FA nahm demgegenüber den Wert des dem Kläger zustehenden Nießbrauches an dem Gesellschaftsanteil mit 910.000 DM an (70.000 DM x 13) und gelangte so in dem endgültigen Steuerbescheid zu einer Erbschaftsteuer in Höhe von ... DM und zu einer auf den Jahreswert des Nießbrauchs zu entrichtenden Steuer von jährlich ... DM.

Der Einspruch des Klägers hatte zum Teil Erfolg. Die Einwendungen gegen den Ansatz des Nießbrauchs an dem Gesellschaftsanteil wies das FA jedoch zurück. Es ergab sich nunmehr eine Erbschaftsteuer von ... DM, sowie eine auf den Jahreswert des Nießbrauchs zu entrichtende Steuer von jährlich ... DM.

Mit seiner Klage machte der Kläger zunächst geltend, daß der Jahreswert des ihm zustehenden Nießbrauches an dem Gesellschaftsanteil des Erblassers nicht mit 70.000 DM jährlich, sondern nur mit 45.000 DM anzusetzen sei. Es sei nicht richtig, vom Durchschnittsertrag der Jahre 1954 bis 1956 auszugehen. Es müsse auch der starke Ertragsabfall der Jahre 1957 und 1958 berücksichtigt werden, der sich bereits nach dem Tode des Erblassers angekündigt habe. Später hat der Kläger seinen Antrag dahin erweitert, den Jahreswert des ihm zustehenden Nießbrauchs an dem Gesellschaftsanteil des Erblassers nur noch mit 25.000 DM anzusetzen. Das FA hat sich mit einem Ansatz von 50.000 DM einverstanden erklärt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Erbschaftsteuer auf ... DM herabgesetzt und die Festsetzung einer aus dem Jahreswert des Nießbrauchs zu entrichtenden Erbschaftsteuer ersatzlos aufgehoben. Es hat den Wert des Nießbrauchs des Klägers, soweit er den Gesellschaftsanteil an der A KG betraf, mit 300.000 DM angesetzt.

Bei der Ermittlung dieses Wertes ist das FG entsprechend den Ausführungen des erkennenden Senats in seinem Urteil vom 11. August 1976 II R 144/67 (BFHE 120, 268, BStBl II 1977, 2) davon ausgegangen, daß der dem Kläger zustehende Nießbrauch an dem Gesellschaftsanteil nicht anders behandelt werden dürfe als eine vorübergehende Erhöhung seines Gewinnanteils als Gesellschafter der KG und daß der Wert des Nießbrauchs gleich der Differenz der Werte des Kapitalanteils des Klägers im Zeitpunkt des Todes des Erblassers mit und ohne Berücksichtigung der vorübergehenden Erhöhung seines Gewinnanteils durch die Einräumung des Nachlaßnießbrauchs sei. Das FG hat festgestellt, daß der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelte Wert des Betriebsvermögens der KG am Todestag des Erblassers 10.000.000 DM betragen habe, von denen auf den Erblasser 8.000.000 DM und auf den Kläger 2.000.000 DM entfallen seien. Das Betriebsvermögen der KG habe sich unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Gewinne in den Jahren 1954 bis 1956 mit 5,714 v. H. verzinst. Im Anschluß daran hat das FG den Wert des Kommanditanteils des Klägers in Anlehnung an das sog. Stuttgarter Verfahren ermittelt, wobei es von einem Zinssatz von 5,714 v. H. ausgegangen ist und die voraussichtlichen Erträge der nächsten fünf Jahre berücksichtigt hat. Bei dieser Berechnung ergab sich ein Wert des Gesellschaftsanteils des Klägers unter Einbeziehung des Nießbrauchs in Höhe von ... DM bzw. ohne Einbeziehung des Nießbrauchs von ... DM. Die Differenz von 300.000 DM stellt nach der Auffassung des FG den Wert des Nießbrauchs dar. Da die noch zu berücksichtigende Vermögensabgabe und die entsprechende Vermögensteuer den Jahreswert des Nießbrauchs überstiegen, entfiel für das FG der Ansatz einer auf den Jahreswert jährlich zu zahlenden Erbschaftsteuer.

Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang abzuweisen. Das FG habe gegen die §§ 15, 16, 17 BewG 1934 verstoßen. Seine Berechnungen liefen letztlich darauf hinaus, daß nur die Erträge des Nießbrauchs für die nächsten fünf Jahre nach dem Tode des Erblassers berücksichtigt worden seien.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

Der Senat vermag der Berechnung des Wertes des dem Kläger zustehenden Nießbrauchs an dem Gesellschaftsanteil des Erblassers an der A KG nicht zu folgen.

Zwar entspricht die Auffassung des FG, daß der Nießbrauch wie eine vorübergehende Erhöhung des Gewinnanteils des Klägers aufgrund seines Gesellschaftsrechtes zu behandeln sei und dessen Wert gleich der Differenz der Werte des jeweiligen Kapitalanteils mit und ohne Berücksichtigung der vorübergehenden Erhöhung seines Gewinnanteiles sei, der Rechtsprechung des erkennenden Senates (vgl. das Urteil in BFHE 120, 268, BStBl II 1977, 2).

Das FG ist aber deshalb nicht zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt, weil es die erforderlichen Anteilsbewertungen in Anlehnung an das sog. Stuttgarter Verfahren durchgeführt hat.

Das Stuttgarter Verfahren ist eine besondere Form der Übergewinnmethode, bei der der Vermögenswert stark im Vordergrund steht, die Erträge wegen ihres Ansatzes für nur fünf Jahre aber in relativ geringem Ausmaß berücksichtigt werden (vgl. das BFH-Urteil vom 12. März 1980 II R 28/77, BFHE 130, 198, 202, BStBl II 1980, 405, mit weiteren Nachweisen; vgl. auch Moxter, Der Betrieb 1976, S. 1585 - DB 1976, 1585 -). Daraus folgt, daß der Nießbrauchsanspruch des Klägers bei der Berechnung des FG nur in unzureichender Weise berücksichtigt worden ist. Daraus folgt weiter, daß bei dieser Bewertungsmethode der Wert des nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils zu hoch angesetzt wird, wie die nachfolgende Berechnung zeigt:

Der Wert des Gesellschaftsanteils des Erblassers betrug 8.000.000 DM. Der Sohn des Klägers war Erbe zur Hälfte und erhielt somit einen Gesellschaftsanteil im Wert von 4.000.000 DM. Dieser Anteil war wiederum zur Hälfte, d. h. in Höhe eines Wertes von 2.000.000 DM mit dem Nießbrauch des Klägers belastet. Wird von dem Wert des belasteten Teils des Gesellschaftsanteils des Sohnes des Klägers der Wert des Nießbrauchs in der vom FG angenommenen Höhe von 300.000 DM abgezogen, verbleibt ein Wert von 1.700.000 DM. Aufgrund des Lebensalters des Klägers im Zeitpunkt des Todes des Erblassers war aber mit einem Bestand des Nießbrauchs von mehr als 20 Jahren zu rechnen. Unter Berücksichtigung dieser Dauer des Nießbrauchs ist es offensichtlich, daß der Ansatz des belasteten Teils des Gesellschaftsanteils mit 1.700.000 DM stark überhöht ist.

Wäre z. B. ein auf 21 Jahre unverzinsliches Darlehen in Höhe von 2.000.000 DM zu bewerten, so ergäbe sich nach der Hilfstafel 1 zu § 12 Abs. 3 BewG 1965 ein Wert von 32,486 v. H. = 649.720 DM. Der Wert des Nießbrauchs muß deshalb erheblich höher sein, als ihn das FG errechnet hat. Daraus ergibt sich, daß das Stuttgarter Verfahren für die Bewertung des Nießbrauchs des Klägers als eine vorübergehende Erhöhung seines Gewinnanteils ungeeignet ist. Ein zutreffendes Ergebnis hätte unter diesen Umständen nur durch die Anwendung der Ertragswertmethode erzielt werden können. Von dieser Vorstellung ging der erkennende Senat auch in seinem Urteil in BFHE 120, 268, BStBl II 1977, 2 aus. Denn nur so ist seine Schlußfolgerung verständlich, das Bewertungsergebnis stimme mit dem überein, das sich bei unmittelbarer Anwendung des erst nach dem Erbfall in das Bewertungsgesetz 1934 eingefügten § 17 a ergäbe. Der Senat räumt allerdings ein, dem Mißverständnis durch das FG dadurch Vorschub geleistet zu haben, daß er nicht ausdrücklich auf die Anwendung der Ertragswertmethode hingewiesen hat.

Der erkennende Senat hat die Frage der Bewertung des Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil nochmals überprüft. Er ist nunmehr der Meinung, daß es im Einzelfall nicht der komplizierten Bewertung des Gesellschaftsanteils mit und ohne Berücksichtigung des Nießbrauchs als vorübergehende Erhöhung des Gewinnanteils bedarf, daß vielmehr unmittelbar die §§ 15 bis 17 BewG 1934 unter Berücksichtigung der Regeln angewendet werden können, wie sie 1963 in das Bewertungsgesetz als § 17 a eingefügt worden sind und daß dies auch für die Fälle Bedeutung hat, in denen der Nießbrauchsbegünstigte noch nicht Gesellschafter war.

Der erkennende Senat berücksichtigt dabei seine in dem nichtveröffentlichten Urteil vom 27. April 1977 II R 38/68 getroffene Entscheidung anläßlich der Beurteilung eines Nachlaßnießbrauchs an einem Grundstück, der 1962 entstand. Danach habe sich die Bewertung eines Nachlaßnießbrauchs für Erbschaftsteuerzwecke auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 17 a BewG an dem Einheitswert des Grundstückes deshalb zu orientieren, weil der Nießbrauch als Recht zur Nutzung nur einen Teil des umfassenderen Eigentumsrechtes an dem Grundstück beinhalte, das mit dem Einheitswert anzusetzen sei. Wegen der Besonderheiten des Erbschaftsteuerrechts hat der Senat hierin keine Abweichung von den Entscheidungen des III. Senats vom 17. Mai 1963 III 406/58 S (BFHE 77, 571, BStBl III 1963, 530) und vom 26. Juli 1963 III 13/60 U (BFHE 77, 310, BStBl III 1963, 434) gesehen.

Das Urteil des FG unterliegt danach der Aufhebung. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil keine ausreichenden Feststellungen über den Jahreswert des Nießbrauchs vorliegen. Maßgebend für die Ermittlung des Jahreswertes ist § 17 Abs. 3 BewG 1934. Danach ist bei Nutzungen, die in ihrem Betrag schwanken, von dem Betrag auszugehen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Die Zahlen der vorangegangenen Jahre können hierbei zwar Anhaltspunkte liefern. Wenn jedoch substantiierte Einwendungen erhoben werden, muß das FG diesen Einwendungen nachgehen. Eine Kürzung des Jahresnutzens auf ein Achtzehntel des Wertes des Kapitalanteils, an dem der Nießbrauch bestellt worden ist, kommt deshalb nicht in Betracht, weil der von dem FA in seinem endgültigen Steuerbescheid angenommene Wert des Jahresnutzens von 70.000 DM noch unter diesem Wert liegt.

(Die in dem Urteil wiedergegebenen Zahlen sind verändert worden.)