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BFH-Urteil vom 19.11.1981 (II R 51/80) BStBl. 1982 II S. 168

Wird ein Gesellschaftsvertrag über eine GmbH & Co. KG gemäß § 108 Abs. 3 BGB genehmigt, so entsteht die Gesellschaftsteuer nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1959 nicht rückwirkend, sondern erst im Zeitpunkt der Genehmigung.

KVStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 108 Abs. 3, § 184 Abs. 1; StAnpG § 3 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 5.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist persönlich haftende Gesellschafterin einer Kommanditgesellschaft (KG I). Am 29. Dezember 1970 schlossen die Gesellschafter der KG I mit einer anderen Kommanditgesellschaft (KG II) einen notariell beurkundeten Vertrag, wonach die KG II als weitere Kommanditistin in die KG I eintrat. Die Kommanditeinlage der KG II sollte dadurch geleistet werden, daß die KG II Bankverbindlichkeiten der KG I nebst Zinsen ab 1. Januar 1971 übernahm. Die Schuldübernahme sollte der betreffenden Bank mitgeteilt und deren Zustimmung zur befreienden Schuldübernahme eingeholt werden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ist diese Genehmigung Anfang 1971 erteilt worden.

Nach Abschn. III des notariell beurkundeten Vertrages sollte die KG II ab 1. Januar 1971 am Gewinn der KG I teilnehmen.

Nach einer Kapitalverkehrsteuerprüfung, welche 1976 durchgeführt wurde, setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wegen des Eintritts der KG II in die KG I mit Bescheid vom 3. Februar 1977 gegen die Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVStG) Gesellschaftsteuer fest.

Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin geltend, die Steuer sei mit Abschluß des Vertrages vom 29. Dezember 1970 entstanden und daher mit Ablauf des 31. Dezember 1975 verjährt (§ 146 a der Reichsabgabenordnung - AO -).

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. In der Einspruchsentscheidung vertrat es die Auffassung, die Steuerpflicht ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959. Die Sacheinlage habe die KG II nach dem Vertrag vom 29. Dezember 1970 nicht schon mit Abschluß dieses Vertrages, sondern in Form der Übernahme von Schulden nebst Zinsen (erst) ab 1. Januar 1971 leisten müssen. Sei aber eine Einlage erst später zu leisten, so entstehe auch die Steuer erst zu diesem Zeitpunkt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1959 (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juli 1972 II R 69/71, BFHE 107, 58, BStBl II 1972, 907).

Die Klage wies das FG ab.

Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung und den Steuerbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Der aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG 1959 gerechtfertigte Steueranspruch war im Jahre 1971 entstanden. Der Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist wurde daher durch die Kapitalverkehrsteuerprüfung im Jahre 1976 gehemmt (§ 146 a Abs. 3 AO, Art. 97 § 10 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung - EGAO 1977 -). Der Steueranspruch war bei Erlaß des Steuerbescheides am 3. Februar 1977 nicht verjährt.

Der notariell beurkundete Vertrag vom 29. Dezember 1970 wurde am 18. Oktober 1971 in öffentlich beglaubigter Form durch die Kommanditistin X mit der Begründung genehmigt, sie habe den Vertrag als Minderjährige unterschrieben und sei inzwischen volljährig geworden. Somit war der Vertrag zunächst gemäß § 107 und § 108 Abs. 1 BGB schwebend unwirksam gewesen. Denn Frau X erhielt durch diesen Vertrag nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil (§ 107 BGB). Zwar wurde sie einerseits im Rahmen der Gesellschaft von einer Verbindlichkeit entlastet, wenn sie auch als Kommanditistin nur begrenzt für diese Schuld einstehen mußte (§ 171 Abs. 1 HGB). Andererseits wurde aber ihr Gewinnanteil geschmälert; denn nach Abschn. III des Vertrages vom 29. Dezember 1970 sollte sich "die Gewinnbeteiligung (der KG II) nach dem Verhältnis ihrer Kapitaleinlage (richten)".

Die Genehmigung des Vertrages am 18. Oktober 1971 gemäß § 108 Abs. 3 BGB wirkte zwar bürgerlichrechtlich auf den 29. Dezember 1970 zurück (§ 184 Abs. 1 BGB). Dagegen konnte sie nicht zu diesem Datum (29. Dezember 1970) die Gesellschaftsteuerpflicht begründen. Denn eine Verkehrsteuer, welche an einen einzelnen Rechtsvorgang anknüpft, kann nicht rückwirkend entstehen. Das ergibt sich aus § 3 Abs. 1 i. V. m. § 3 Abs. 5 Nr. 5 Buchst. b des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG), wonach die Grunderwerbsteuer erst mit der behördlichen Genehmigung entsteht, falls eine solche Genehmigung erforderlich ist. § 3 Abs. 5 gibt "Beispiele und Ergänzungen" zu § 3 Abs. 1 StAnpG. § 3 Abs. 5 Nr. 5 Buchst. b enthält daher keine abschließende Regelung, sondern ist Ausdruck des allgemeinen vorgenannten Grundsatzes, daß eine Verkehrsteuer als Einzelsteuer nicht rückwirkend entstehen kann. Dementsprechend läßt nicht nur eine öffentlich-rechtliche, sondern auch jede bürgerlichrechtliche Genehmigung trotz des § 184 Abs. 1 BGB die Grunderwerbsteuer erst nachträglich entstehen. Gleiches gilt für diese Genehmigung im Bereich der Gesellschaftsteuer (vgl. auch das BFH-Urteil vom 14. August 1953 III 78/51 U, BFHE 58, 104, BStBl III 1953, 331).

Konnte demnach die Gesellschaftsteuer im vorliegenden Fall gemäß § 3 Abs. 1 StAnpG nicht vor dem 18. Oktober 1971 entstehen, so besteht allerdings die Möglichkeit, daß die Steuerpflicht schon vorher gemäß § 5 Abs. 3 StAnpG ausgelöst worden war. Im Sinne dieser Vorschrift konnte das "wirtschaftliche Ergebnis" des Vertrages vom 29. Dezember 1970 aber frühestens dadurch eintreten, daß die KG II der KG I in Form der Schuldübernahme Kapital zuführte. Der Zeitpunkt dieser Kapitalzuführung ist vom FG nicht auf den Tag festgestellt worden. Festgestellt ist jedoch, daß die nach dem Vertrag vom 29. Dezember 1970 (und gemäß § 415 Abs. 1 BGB) erforderliche Genehmigung der Gläubigerbank Anfang 1971 erteilt worden sei. Der Senat braucht deshalb die Sache nicht an das FG zurückzuverweisen; denn es steht jedenfalls fest, daß die Steuer auch gemäß § 5 Abs. 3 StAnpG nicht vor dem 1. Januar 1971 entstanden ist.