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BFH-Beschluß vom 17.3.1982 (VII S 104/81) BStBl. 1982 II S. 328

1. Der Streitwert des Arrestverfahrens entspricht im Regelfall der Hälfte der Arrestsumme (Bestätigung der Rechtsprechung). Das gilt auch, wenn bereits bei Erhebung der Klage das Arrestverfahren in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet war.

2. Der Streitwert des Verfahrens der isolierten Anfechtung einer Rechtsbehelfsentscheidung der Verwaltung ist gleich dem Streitwert des Verfahrens über den Bescheid, der Anlaß zum Rechtsbehelfsverfahren gegeben hat.

GKG § 13 Abs. 1 Satz 1.

Sachverhalt

Der Beklagte und Antragsgegner (das Hauptzollamt - HZA -) erließ am 4. Oktober 1979 eine Arrestverfügung gegen die Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) wegen eines Anspruchs auf Eingangsabgaben in Höhe von 115.500 DM. Auf die Beschwerde der Antragstellerin erklärte die Oberfinanzdirektion (OFD) mit Entscheidung vom 22. Januar 1980 die Beschwerde in der Hauptsache für erledigt mit der Begründung, der Antragstellerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da durch Erlaß des Haftungsbescheids über 115.200 DM das Arrestverfahren in das Vollstreckungsverfahren übergeleitet worden sei und sich damit erledigt habe. Die dagegen eingereichte Klage wies das Finanzgericht (FG) als unzulässig ab; seine Begründung entsprach im wesentlichen der Begründung der OFD. Dagegen legte die Antragstellerin Revision mit dem Antrag ein, die Vorentscheidung, die Beschwerdeentscheidung der OFD und die Arrestverfügung vom 4. Oktober 1979 aufzuheben. Der Bundesfinanzhof (BFH) wies mit Urteil vom 7. April 1981 VII R 60/80 die Revision als unbegründet zurück. Er führte im wesentlichen aus:

Gegenstand des Verfahrens sei die isolierte Anfechtung der Beschwerdeentscheidung der OFD. Es entspreche dem berechtigten Interesse der Antragstellerin, daß sie nicht infolge einer etwaigen fehlerhaften Unzulässigkeits- oder Erledigungsentscheidung der OFD eine außergerichtliche Tatsacheninstanz verliere. Es sei demnach davon auszugehen, daß die Antragstellerin lediglich begehre, daß gerichtlich entschieden werde, ob die OFD die Beschwerde zu Recht als erledigt betrachtet bzw. als unzulässig verworfen habe. Daran ändere nichts, daß die Antragstellerin neben der Aufhebung der Beschwerdeentscheidung auch die Aufhebung der Arrestverfügung beantragt habe. Dieser Antrag sei vielmehr dahin zu werten, daß die Antragstellerin damit ihr unverändertes sachliches Ziel deutlich machen, nicht aber zum Ausdruck bringen wolle, daß dieses Ziel unbedingt im vorliegenden Verfahren und nicht auch - nach Aufhebung der Beschwerdeentscheidung - in dem anschließenden Vorverfahren mit evtl. anschließendem gerichtlichen Verfahren erreicht werden sollte. Die Beschwerdeentscheidung der OFD stelle sich als eine Unzulässigkeitsentscheidung dar. Das ergebe sich aus ihren Gründen. Das FG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen. Sie sei aber unbegründet. Denn die OFD sei zutreffend davon ausgegangen, daß der Antragstellerin für ihren Rechtsbehelf gegen die Arrestverfügung nach Überleitung des Arrestverfahrens in das normale Vollstreckungsverfahren das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt habe.

Mit Kostenrechnung vom 15. Juli 1981 setzte die Kostenstelle des BFH die Gerichtskosten für das Revisionsverfahren auf 1.562 DM fest und ging dabei aus von einem Streitwert von 57.750 DM (= 50 % des Betrages, wegen dessen der Arrest erlassen worden war).

Mit Schreiben vom 10. November 1981 beantragte die Antragstellerin, den Streitwert festzusetzen. Zur Begründung führt sie aus: Der Streitwert, von dem der Kostenbeamte ausgegangen sei, erscheine überhöht. In dem Verfahren sei um die Rechtmäßigkeit der Erledigungserklärung einer Beschwerde gestritten worden, während der Arrest bereits vollzogen und die Verwertung der Sicherheiten durchgeführt worden sei. Der Streitwert müsse also unter dem Betrag von 57.750 DM liegen. Außerdem habe inzwischen das HZA durch einen Steueränderungsbescheid vom 31. August 1981 die Steuer nur noch auf 30.000 DM festgesetzt, so daß sie, die Antragstellerin, mit unnötig hohen Kosten belastet würde, die nicht gerechtfertigt seien. Es stelle sich dann rückblickend heraus, daß die bisher vollzogenen Arreste und verwerteten Sicherheiten schon zu einer Übersicherung der Zollbehörden geführt hätten.

Entscheidungsgründe

Die Antragstellerin hat ein Rechtsschutzbedürfnis an der Festsetzung des Streitwerts. Zwar ist der Kostenansatz bereits erfolgt. Deswegen kann das Rechtsschutzbedürfnis jedoch nicht verneint werden (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 25. Juli 1978 VII R 69/76, BFHE 125, 353, BStBl II 1978, 599).

Der erkennende Senat hat den Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Antragstellerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -). Der Senat hält es für angemessen, im vorliegenden Fall den Streitwert auf die Hälfte der Hinterlegungssumme (Arrestsumme) festzusetzen. Das entspricht bei Arrestverfahren ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis (vgl. BFH-Entscheidungen vom 17. April 1952 IV 27/52 U, BFHE 56, 389, BStBl III 1952, 152, und vom 20. September 1966 I B 12/66, BFHE 86, 786, BStBl III 1966, 653).

1. Der Streitwert ist nicht deswegen niedriger festzusetzen, weil es im vorliegenden Fall um die isolierte Anfechtung einer Rechtsbehelfsentscheidung der Verwaltung geht. Die Bedeutung dieses Verfahrens ist trotz des Umstandes, daß die Antragstellerin auch bei einem Obsiegen in diesem Verfahren den angestrebten endgültigen Erfolg, die Aufhebung der Arrestverfügung, noch nicht hätte erreichen können, identisch mit der Bedeutung des Verfahrens über die Arrestverfügung selbst. Denn nur bei einem Erfolg im Verfahren der isolierten Anfechtung der Beschwerdeentscheidung hätte die Antragstellerin erreichen können, daß die angefochtene Arrestverfügung aufgehoben wird.

Die Richtigkeit dieser Auffassung belegt die Rechtsprechung des BFH zur Frage des Streitwerts der Nichtzulassungsbeschwerde. Danach entspricht dieser Streitwert im Regelfall dem voraussichtlichen Streitwert des angestrebten Revisionsverfahrens (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 28. Februar 1978 VII B 30/77, BFHE 124, 310, BStBl II 1978, 314, m. w. N.). Die Bedeutung des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde ist, so führte der erkennende Senat in der zitierten Entscheidung aus, für den Antragsteller identisch mit der Bedeutung des Revisionsverfahrens selbst, da für ihn nur nach Zulassung der Revision die Möglichkeit besteht, daß das ihn beschwerende FG-Urteil aufgehoben wird. Derselben Ansicht ist das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. Noll, Die Streitwertfestsetzung im Verwaltungsprozeß, S. 53 Nr. 135) und das Bundessozialgericht (Beschluß vom 14. November 1977 6 BKa 7/76, Neue Juristische Wochenschrift 1978, 1704). Dem Fall der Nichtzulassungsbeschwerde entspricht der vorliegende Fall in den wesentlichen Punkten. In die gleiche Richtung geht überdies die Rechtsprechung des erkennenden Senats zum Streitwert des Vorabentscheidungsverfahrens; auch dieser entspricht dem Streitwert des Ausgangsverfahrens (Beschluß vom 17. August 1976 VII R 96/72, BFHE 119, 397, BStBl II 1976, 714, m. w. N.).

Auch die Rechtsprechung der Zivilgerichte zum Streitwert bei zivilrechtlichen Zwischenentscheidungen bestätigt diese Auffassung. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, daß sich der Streitwert der Revision gegen ein die Anordnung einer Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten ablehnendes Zwischenurteil nach dem Streitwert der Klage richtet (Urteil vom 20. November 1961 VIII ZR 65/61, BGHZ 37, 264). Der BGH führt darin aus (S. 268): "Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die prozeßhindernde Einrede, wenn sie für begründet erklärt wird, u. U. die Abweisung der Klage zur Folge haben kann (§ 113 Satz 2 ZPO)." Die gleiche Auffassung wird im Schrifttum vertreten (Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2. Aufl., § 3 Anm. B IV d 2; Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 20. Aufl., § 3 Anm. 59, Stichwort Sachurteilsvoraussetzung; Baumbach/Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 40. Aufl., Anhang § 3, Stichwort Zwischenstreit).

2. Eine niedrigere Festsetzung des Streitwerts (verglichen mit dem normalen Streitwert des Arrestverfahrens) rechtfertigt auch nicht die Tatsache, daß bereits bei Klageerhebung das Arrestverfahren in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet worden war. Bei der Streitwertbemessung ist vom Antrag der Antragstellerin auszugehen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG). Dieser zielte unverändert letztlich auf die Aufhebung der Arrestverfügung ab und nicht etwa auf eine gerichtliche Erledigungsentscheidung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den BFH-Entscheidungen vom 27. November 1957 II 66/56 U (BFHE 66, 130, BStBl III 1958, 51) und vom 27. Februar 1958 V z 78/57 (amtlich nicht veröffentlicht, Betriebs-Berater, Beilage 8/1969 zu Heft 31, S. 12 Abschn. IV Nr. 2). Diese Fälle sind mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil sich die Anträge der Kläger in jenen Verfahren jeweils auf die Frage bezogen, ob die Hauptsache erledigt war.