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BFH-Urteil vom 3.2.1982 (VII R 101/79) BStBl. 1982 II S. 355

1. Die Versagung rechtlichen Gehörs ist im Revisionsverfahren nur ordnungsgemäß gerügt, wenn der Betroffene auch darlegt, was er bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte.

2. § 6 Abs. 3 StSäumG machte die Haftung für die Säumniszuschläge nicht davon abhängig, daß den Haftenden an ihrer nicht rechtzeitigen Entrichtung ein Verschulden trifft.

FGO §§ 96 Abs. 2, 119 Nr. 3, 120 Abs. 2; StSäumG § 6 Abs. 3; AO § 109 Abs. 1; AO 1977 § 69 Satz 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Gesellschafter-Geschäftsführer der Fa. X GmbH (im folgenden GmbH). Über das Vermögen der GmbH wurde am 5. Februar 1975 das Konkursverfahren eröffnet. Am 17. Februar 1975 wurde das Konkursverfahren mangels Masse wieder aufgehoben. Die GmbH schuldete dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) Lohnsteuer und Ergänzungsabgabe, mit denen das FA im Konkursverfahren ausgefallen war. Das FA nahm daher den Kläger nach § 109 der Reichsabgabenordnung (A0) als Haftenden für Lohnsteuer November und Dezember 1974 und Januar 1975, für Ergänzungsabgabe Oktober bis Dezember 1974, für Stabilitätszuschlag Mai/Juni 1974 und für Säumniszuschläge bis zur Einleitung des Konkursverfahrens durch Haftungsbescheid vom 13. Januar 1976 i.d.F. des Änderungsbescheids vom 1. April 1977 in Anspruch.

Das Finanzgericht (FG) wies im übrigen die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Die Rüge des Klägers, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden, ist nicht zulässig erhoben worden.

Soweit der Kläger diese Rüge im Zusammenhang mit der vom FG vorgenommenen Beiziehung der Akten des Amtsgerichts und des Arbeitsamts erhebt, hätte er darlegen müssen, was er vorgetragen hätte, wenn er von der Beiziehung dieser Akten ausreichend unterrichtet worden wäre. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs bedarf zwar keiner Darlegungen darüber, daß das angefochtene Urteil auf dem gerügten Mangel beruht oder beruhen kann (§ 119 Nr. 3 FGO). Die Rüge muß aber schlüssig erhoben werden. Das erfordert, daß substantiiert dargelegt wird, wozu sich der Kläger nicht hat äußern können und was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte. Denn wer nichts hätte vortragen können, dem kann nicht das Wort verboten worden sein (vgl. die bei Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 119 Anm. 6 E zitierte Rechtsprechung und Literatur; ferner Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 29. September 1976 VII CB 46/76, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1977, 202, und vom 12. Juli 1978 6 B 81/78, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung § 115, Rechtsspruch 202 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerwG).

Der Kläger hat sich damit begnügt, darzulegen, er habe von der Beiziehung der genannten Akten, die vom FG in der Vorentscheidung verwertet worden seien, nichts gewußt. Das reicht für eine ordnungsmäßige Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs nicht aus (vgl. § 120 Abs. 2 FGO). Der Kläger hätte vielmehr - gegebenenfalls nachdem er sich Einsicht in die genannten Akten verschafft hatte - darlegen müssen, was er in der Vorinstanz vorgetragen hätte, falls ihm das FG das rechtliche Gehör in ausreichendem Maße gewährt hätte.

Zutreffend hat das FG entschieden, daß der Kläger auch für die von der GmbH geschuldeten Säumniszuschläge haftet.

Der Kläger wendet sich dagegen mit der Begründung, eine eigene Steuerschuld des Haftenden entstehe frühestens mit Zugang des Haftungsbescheides. Das trifft zwar zu. Der Kläger verkennt aber, daß er im Haftungsbescheid nicht für Säumniszuschläge in Anspruch genommen worden ist, die er selbst verwirkt hat, sondern für die von der GmbH wegen der nicht rechtzeitigen Abführung der Steuern geschuldeten Säumniszuschläge. Diese Inanspruchnahme ist aber nach § 6 Abs. 3 StSäumG zu Recht erfolgt.

Nach dieser Bestimmung erstreckt sich die Haftung für Steuern auf Säumniszuschläge, wenn der Haftende die Steuern aus Mitteln, die seiner Verwaltung oder Verfügungsmacht unterlegen haben, nicht rechtzeitig entrichtet hat. Diese Bestimmung begnügt sich nicht - im Gegensatz zu der Regelung des § 6 Abs. 2 StSäumG hinsichtlich der Zinsen - damit, eine entsprechende Anwendung der die Haftung für Steuern regelnden Vorschriften anzuordnen. Hätte sie das getan, so haftete im vorliegenden Fall der Kläger nach § 109 AO für die von der GmbH verwirkten Säumniszuschläge nur, falls er durch schuldhafte Verletzung seiner Pflichten den Anspruch des FA auf Entrichtung dieser Säumniszuschläge verkürzt hätte. § 6 Abs. 3 StSäumG ist vielmehr dahin zu verstehen, daß die Haftung für (von einem anderen geschuldete) Säumniszuschläge nur an zwei Voraussetzungen geknüpft ist: Der Betreffende muß Haftender für die Steuern sein, aufgrund deren nicht rechtzeitiger Entrichtung die Säumniszuschläge verwirkt worden sind; dabei muß es sich um Steuern handeln, die aus den Mitteln nicht rechtzeitig entrichtet worden sind, die der Verwaltung oder Verfügungsmacht des Haftenden unterlegen haben. Danach wird also nicht schon dann für die Säumniszuschläge - gewissermaßen automatisch - gehaftet, wenn die Voraussetzungen der Haftung für die Steuern gegeben sind, auf denen die Säumniszuschläge beruhen. Es muß vielmehr hinzukommen, daß es sich um einen Fall handelt, in dem die Steuern aus den Mitteln nicht gezahlt worden sind, die der Verwaltung oder Verfügungsmacht des Haftenden unterlegen haben. Diese zweite Voraussetzung ist aber eine rein objektive, also unabhängig von irgendwelchem Verschulden (vgl. auch Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl., § 6 StSäumG, Anm. 1; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1. bis 6. Aufl., § 6 StSäumG, Anm. 7; anderer Ansicht wohl, wenn auch nicht ganz deutlich, Becker/Riewald/Koch, Reichsabgabenordnung mit Nebengesetzen, Band I, § 6 StSäumG, Anm. 4 Abs. 2).

Diese am Wortlaut orientierte Auslegung des § 6 Abs. 3 StSäumG - die überdies durch die Fassung der Nachfolgevorschrift, des § 69 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977), bestätigt wird - entspricht auch dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Diese Vorschrift ist durch Art. 16 des Steueränderungsgesetzes 1961 - StÄndG 1961 - (BGBl I 1961, 981, 993-994) eingeführt worden. Sie steht offenbar im Zusammenhang mit den BFH-Urteilen vom 8. November 1955 V 90/55 S (BFHE 61, 521, BStBl III 1955, 399) und vom 9. Dezember 1955 IV 397/54 U (BFHE 62, 176, BStBl III 1956, 66). Dort hatte der BFH entschieden, daß Säumniszuschläge keine Steuern, sondern Zwangsmittel seien und sich daher die Haftung für Steuern nicht auf sie erstrecke. Dieses Ergebnis erschien nicht befriedigend. So schrieb damals Felix (Die Rechtsfolgen der Steuersäumnis 1958, S. 31), dem Charakter der Säumniszuschläge als Druckmittel würde besser gedient, wenn auch Haftende, die für die Steuern einzustehen hätten, für die Säumniszuschläge hafteten, wenn sie einen Einfluß auf die pünktliche Zahlung der Steuerschuld durch den Schuldner selbst hätten. Felix hielt es daher für unrichtig, daß diejenigen, die für Steuerverkürzungen haften, weil sie die Steuer aus den von ihnen verwalteten Mitteln nicht entrichtet haben, nicht auch für die durch ihr Zögern in der Person des Vertretenen entstandenen Säumniszuschläge haften, obwohl unter Umständen der Vertretene gar nicht für die Steuerzahlung sorgen kann. Da § 6 Abs. 3 StSäumG i.d.F. des StÄndG 1961 auch in der Formulierung weitgehend mit den Ausführungen von Felix übereinstimmt, liegt es nahe anzunehmen, daß ihm dieser Gedanke zugrunde liegt.

Das FA hat den Kläger schließlich auch zu Recht für die Ergänzungsabgabe in Anspruch genommen. Nach § 6 ErgAbgG finden auf die Veranlagung, Festsetzung und Entrichtung der Ergänzungsabgabe die für die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Also gilt dafür auch das Verfahren für die Abführung der Lohnsteuer entsprechend (vgl. auch § 3 Nr. 2 ErgAbgG). Folgerichtig gelten dann aber auch für die Haftung des gesetzlichen Vertreters einer GmbH bei pflichtwidriger und schuldhafter Nichtabführung der Ergänzungsabgabe nach § 109 AO die gleichen Voraussetzungen wie hinsichtlich der Nichtabführung der Lohnsteuer (vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 90/75, BFHE 124, 29, 31, BStBl II 1978, 205).