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BFH-Beschluß vom 17.3.1982 (II B 57/81) BStBl. 1982 II S. 406

Verweigert ein - nicht am Prozeß beteiligter - Notar im Verfahren vor dem FG die Vorlage seiner Handakten und erklärt das FG durch Zwischenurteil gemäß § 82 FGO und § 387 ZPO diese Weigerung für nicht rechtmäßig, so ist der Kläger durch diese Entscheidung nicht beschwert. Das gilt auch dann, wenn die Weigerung des Notars ihren Grund darin hat, daß der Kläger der Vorlage der Handakten nicht zustimmt und der Auffassung ist, diese Vorlage könne das Verfahren vor dem FG nicht fördern.

FGO § 82; ZPO § 387.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten dieses Zwischenverfahrens streiten darum, ob ein Notar dem Finanzgericht (FG) die Vorlage von Handakten zu einem notariell beurkundeten Vertrag verweigern darf.

1. Die Beschwerdeführer sind Eheleute und Kläger des Hauptverfahrens. Sie hatten im September 1973 von einer Kommanditgesellschaft (KG) je zur Hälfte eine Eigentumswohnung für 119.800 DM gekauft (Vertrag I). Sie hatten diese Wohnung bezogen und waren im Grundbuch als Eigentümer eingetragen worden. Der Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) hatte gemäß § 2 Nr. 2 des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei Maßnahmen des sozialen Wohnungsbaues und bei Maßnahmen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes vom 28. Juni 1962 (GrESWG) keine Grunderwerbsteuer erhoben.

Am 28. Mai 1975 hatten die Beschwerdeführer, die KG und ein anderes Ehepaar (Eheleute Prof. Dr. F.) einen notariell beurkundeten Vertrag geschlossen (Vertrag II). Danach hatten die KG und die Beschwerdeführer den Vertrag I "hinsichtlich seines schuldrechtlichen Teiles" aufgehoben und die KG die Eigentumswohnung nunmehr für 119.800 DM je zur Hälfte an die Eheleute Prof. Dr. F. verkauft. Ihre Kaufpreisforderung gegen die Eheleute Prof. Dr. F. aus dem Vertrag II hatte die KG an die Beschwerdeführer abgetreten, und zwar zur Erfüllung ihrer Verpflichtung auf Rückzahlung des in dem Vertrag I vereinbarten Kaufpreises. Das Eigentum an der Wohnung hatten die Beschwerdeführer nach dem Vertrag II unmittelbar auf die Eheleute Prof. Dr. F. übertragen sollen.

Nach Abschluß des Vertrages II hatte das FA für den Vertrag I gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuerbefreiungsgesetzes - GrESBWG - (i. d. F. vom 16. September 1974) Steuer erhoben. Die Einsprüche der Beschwerdeführer waren erfolglos geblieben, ihre Klagen abgewiesen worden.

Auf die Revision der Beschwerdeführer hatte der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 14. Juni 1978 II R 90/76 (BFHE 125, 403, BStBl II 1978, 573) die Sache an das Schleswig-Holsteinische FG zurückverwiesen. Die Steuer für den Vertrag I entfalle gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 des Schleswig-Holsteinischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1967, falls die KG durch den Vertrag II die Eigentumswohnung innerhalb von zwei Jahren zurückerworben habe. Der bisher festgestellte Sachverhalt lasse nicht erkennen, ob die genannte Vorschrift erfüllt sei, nämlich, ob die KG durch den Vertrag II aus den Bindungen des Vertrages I entlassen worden sei und ihre ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt habe.

Das FG werde daher den Sachverhalt noch aufklären müssen und insbesondere festzustellen haben, welche Vereinbarungen damals von den Beschwerdeführern mit den Eheleuten Prof. Dr. F. getroffen worden seien.

2. In dem zweiten Rechtsgang des vorgenannten Prozesses vor dem FG hat dieses unter Hinweis auf die §§ 93, 97 und 102 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) sowie die §§ 76 und 84 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Notar, welcher den Vertrag II beurkundet hatte, um Übersendung der Handakten und der sonstigen vorhandenen Unterlagen zu diesem Vertrag gebeten. Es gehe um die näheren Umstände des Zustandekommens und der Abwicklung dieses Vertrages.

Die Beschwerdeführer haben dem Notar auf dessen Anfrage keine Erlaubnis zur Aushändigung der Handakten und Unterlagen an das FG gegeben. Daraufhin hat das FG einen Beweisbeschluß erlassen. Danach "soll Beweis erhoben werden über die Motive und Begleitumstände" des vor dem Notar geschlossenen Vertrages II "durch Beiziehung der zu diesem Vertrag angelegten Handakten des beurkundenden Notars".

Nachdem der Notar weiterhin die Ansicht vertrat, er könne mangels Zustimmung der Beschwerdeführer die Handakten und Unterlagen nicht dem FG vorlegen, hat dieses durch Vorbescheid vom 7. Juli 1981 III 328/78 gemäß § 82 FGO und § 387 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) entschieden, die Weigerung (des Notars) sei nicht rechtmäßig. Der Vorbescheid wirkt gemäß § 90 Abs. 3 Satz 3 FGO als Urteil.

Gegen diese Entscheidung des FG, die in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1982, 151 veröffentlicht worden ist, richtet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführer beantragen, "den Vorbescheid aufzuheben und das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht anzuweisen, in der Hauptsache des Verfahrens Az. III 328/78 nunmehr zu entscheiden".

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Beschwerdeführer sind durch die Entscheidung des FG nicht beschwert. Diese Entscheidung dient der Aufklärung des Sachverhalts, dessen Kenntnis für die Entscheidung über die Anfechtungsklage in dem Hauptverfahren notwendig ist. Sie fördert daher den Fortgang dieses Verfahrens und widerspricht somit nicht den Interessen der Beschwerdeführer.

Zwar meinen die Beschwerdeführer, die Vorlage der Handakten durch den Notar sei überflüssig und verzögere den Prozeß. Das ändert jedoch nichts an der Rechtslage. Das FG erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist daher an Anträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 FGO). Die Beschwerdeführer haben somit kein prozessuales Recht darauf, daß das FG die Anforderung der Handakten unterläßt (vgl. dazu die Kommentare zur Zivilprozeßordnung von Wieczorek, 2. Aufl., 1976, § 387 Anm. B III b 1, und von Stein/Jonas, 19 Aufl., 1972, § 387 Anm. III 2). Dieses Recht können die Beschwerdeführer auch nicht daraus herleiten, daß der BFH in dem Urteil in BFHE 125, 403, 406, BStBl II 1978, 573, letzter Satz der Gründe, Ansichten über die in Betracht kommenden Beweise äußert. Das FG ist gemäß § 126 Abs. 5 FGO nur an die rechtliche Beurteilung des BFH gebunden. Es bleibt ihm überlassen, welche Beweise es zur Aufklärung des Sachverhalts erhebt.

Demnach wären die Beschwerdeführer durch die Zwischenentscheidung des FG nur dann beschwert gewesen, wenn das FG der Ansicht des Notars gefolgt wäre und bestätigt hätte, daß er die Handakten nicht vorzulegen braucht.