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BFH-Urteil vom 12.3.1982 (III R 63/79) BStBl. 1982 II S. 451

1. Mietänderungen, die auf die allgemeine Entwicklung in den Markt- und Preisverhältnissen zurückzuführen sind, betreffen die Wertverhältnisse. Sie führen deshalb nicht zu einer Fortschreibung des Einheitswerts.

2. Fehler der vorangegangenen Feststellung, deren Beseitigung zu einer Ermäßigung des Einheitswerts führen würde, dürfen nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 Nr. 2 - erste Alternative - BewG berücksichtigt werden. (Anschluß an BFH-Urteil vom 15. Oktober 1981 III R 96/80, BFHE 134, 184, BStBl II 1982, 15).

BewG i.d.F. vom 26. September 1974 §§ 22 Abs. 4, 27, 79 Abs. 5.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines gemischtgenutzten Grundstücks. In dem Grundstück unterhält sie ein Hotel- und Gaststättenunternehmen.

Zum 1. Januar 1964 (Hauptfeststellung) hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) für dieses Grundstück den Einheitswert festgestellt. Er hat mit Einverständnis der Klägerin die übliche Jahresrohmiete für die eigengenutzten Gewerberäume mit 30.000 DM angesetzt.

Ab 1. April 1964 hat die Klägerin den Betrieb für jährlich 30.000 DM verpachtet.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 1976 hat das FA den Einheitswert wegen Wegfalls der Grundsteuervergünstigung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG) für den nichtgewerblichen Teil des Grundstücks zum 1. Januar 1974 gemäß § 22 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) neu festgestellt. Die Jahresrohmiete für die gewerblich genutzten Räume ließ es unverändert.

Nach erfolglosem Einspruch hiergegen gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. Zur Begründung führte es aus: Da die Hotelräume am Bewertungsstichtag verpachtet waren, sei nicht die übliche Miete, sondern die Jahresrohmiete (§ 79 Abs. 1 BewG) nach den Wertverhältnissen vom Hauptfeststellungszeitpunkt maßgebend (§ 27 BewG). Die wegen der Verpachtung einschließlich des Inventars gebotene Schätzung führe zu einer Jahresrohmiete von 24.000 DM (zuzüglich 3 % für Schönheitsreparaturen). Dies sei bei der Neufeststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1974 zu berücksichtigen.

Mit der Revision rügt das FA, die Vorentscheidung verstoße gegen §§ 79, 27 und 22 Abs. 4 BewG und trägt hierzu vor: Lägen die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung vor, weil die Jahresrohmiete fehlerhaft angesetzt worden sei, so könnte dieser Fehler erst bei einer Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1977 berücksichtigt werden, da ihn die Klägerin erst im Kalenderjahr 1977 geltend gemacht habe.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Streitsache an das FG zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

1. Die Fortschreibung eines Einheitswerts ist vorzunehmen, wenn dem FA bekannt wird, daß die Voraussetzungen für sie vorliegen (§ 22 Abs. 4 Satz 1 BewG i. d. F. von Art. 2 Nr. 8 des Vermögensteuerreformgesetzes vom 17. April 1974, BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233). Nach § 22 Abs. 4 Satz 3 BewG hängt der Fortschreibungszeitpunkt vom Grund der Fortschreibung ab. Der Senat hat seine Rechtsansicht hierzu in der Entscheidung vom 15. Oktober 1981 III R 96/80 (BFHE 134, 184, BStBl II 1982, 15) dargelegt. Im Streitfall liegt der Grund für die begehrte Fortschreibung nicht in einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (§ 22 Abs. 4 Nr. 1 BewG); er betrifft vielmehr die Wertverhältnisse. Darunter sind vor allem die allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und Verkehrsverhältnisse zu verstehen, die sich in dem allgemeinen Markt- und Preisniveau im Hauptfeststellungszeitpunkt niedergeschlagen haben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. November 1965 III 243/62 U, BFHE 84, 24, BStBl III 1966, 9; Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 12. Aufl., § 27 Anm. 5). Zur Sicherung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dürfen sich Veränderungen dieser Verhältnisse innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes nicht auswirken (§ 27 BewG). Bei bebauten Grundstücken - wie dem der Klägerin -, die im Ertragswertverfahren bewertet sind, gehören zu diesen Wertverhältnissen auch die Mieten (§ 79 Abs. 5 BewG). Diese sind während des Hauptfeststellungszeitraums unverändert zugrunde zu legen, sofern ihre Änderung nicht in der Änderung tatsächlicher Umstände, z. B. in den baulichen Verhältnissen begründet ist (Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 27 BewG Anm. 14; BTDrucks IV/1488, 39). Solche tatsächlichen Umstände vermag der Senat im Streitfall nicht zu erkennen. Sollte durch die private Vereinbarung im Pachtvertrag die Höhe der Miete für die Benutzung des Grundstücks nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt geändert worden sein, so kann diese Änderung auch bei Überschreitung der Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG grundsätzlich nicht zu einer Fortschreibung führen.

2. Eine besondere Regelung gilt für die Fälle einer Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung (§ 22 Abs. 3 Satz 1 BewG). Der Senat kann es im Streitfall dahingestellt sein lassen, ob das FA die Jahresrohmiete für die gewerblich genutzten Räume zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 fehlerhaft ermittelt hat. Gemäß § 22 Abs. 4 Nr. 2 - erste Alternative - BewG ist eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung auf den Beginn des Kalenderjahres durchzuführen, in dem der Fehler dem FA bekannt wird. Nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), wurde der von der Klägerin behauptete Fehler dem FA erst im Jahre 1977 bekannt. Unter der Voraussetzung, daß die vorhergehende Feststellung fehlerhaft war, könnte im Streitfall eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung erst zum 1. Januar 1977 durchgeführt werden. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind aber die Feststellungen zum 1. Januar 1974. Zu diesem Feststellungszeitpunkt hat das FA eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung zu Recht abgelehnt (BFH-Urteil vom 23. Juni 1978 III R 112/76, BFHE 125, 459, BStBl II 1978, 642).

Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage wird abgewiesen.