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BFH-Urteil vom 28.10.1981 (I R 115/78) BStBl. 1982 II S. 485

1. Gegenstand eines Ergänzungsbescheids gemäß § 216 Abs. 2 AO kann auch die im Gewinnfeststellungsbescheid unterlassene Feststellung sein, daß die Buchführung nicht ordnungsmäßig war.

2. Die nachträgliche Feststellung des Fehlens einer ordnungsmäßigen Buchführung (1.) kann auch für einen Veranlagungszeitraum getroffen werden, für den der Steueranspruch verjährt ist, wenn die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung für die steuerrechtliche Beurteilung von Sachverhalten aus nicht verjährten Zeiträumen bedeutsam bleibt (hier Verlustabzug).

3. Eine Bilanz ist im Sinne der Vorschrift des § 39 Abs. 2 HGB rechtzeitig aufgestellt, wenn der Kaufmann im Laufe des folgenden Geschäftsjahres auf den Bilanzstichtag einen auf dem Inventar und einer Hauptabschlußübersicht beruhenden "Vermögensstatus" erstellt, den er seinen Gläubigern übersendet, obschon diese Vermögensübersicht und die laufende Buchführung inhaltliche Mängel aufweisen.

AO § 162 Abs. 2, § 215 Abs. 2 Nr. 2, § 216; EStG § 10d; HGB § 39 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte in den gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) für vorläufig erklärten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheiden vom 11. Juli 1967 Verluste der Klägerin für 1963 in Höhe von 213.233 DM und für 1964 von 468.630 DM fest. Diese Verluste wurden den gegen die beiden Gesellschafter der KG ergangenen Einkommensteuerbescheiden 1963 und 1964 vom 19. Juli 1967 zugrunde gelegt.

Aufgrund einer in der Zeit vom Oktober 1972 bis Ende März 1973 durchgeführten Betriebsprüfung erließ das FA am 20. Juni 1974 als Ergänzungsbescheide gemäß § 216 Abs. 2 AO bezeichnete Verfügungen, in denen jeweils festgestellt wurde, daß die Verluste aus den Jahren 1963 und 1964 nicht aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt worden seien. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, das FA habe zu Recht in den angefochtenen Ergänzungsbescheiden die Feststellungen nachgeholt, daß die Buchführung der Klägerin nicht ordnungsmäßig gewesen sei und daß die in den Jahren 1963 und 1964 entstandenen Verluste von den Gesellschaftern der Klägerin in den folgenden Veranlagungszeiträumen nicht gemäß § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigt werden könnten (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Juni 1963 VI 189/62 U, BFHE 77, 469, BStBl III 1963, 491). Bei der im Gewinnfeststellungsverfahren zu treffenden Feststellung zur Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung gehe es um eine Entscheidung für das Verlustentstehungsjahr, nicht für das Jahr, für welches der Verlustabzug geltend gemacht werde (vgl. BFH-Urteil vom 29. März 1973 IV R 238/69, BFHE 109, 141, BStBl II 1973, 540). Das FA habe in den vorläufigen Gewinnfeststellungsbescheiden vom 11. Juli 1967 über die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung noch nicht entschieden. Der Erlaß der angefochtenen Ergänzungsbescheide vom 20. Juni 1974 sei auch nicht deshalb unzulässig gewesen, weil zu diesem Zeitpunkt die Steueransprüche bereits verjährt gewesen seien. Die Verjährung der unmittelbar auf einem Gewinnfeststellungsbescheid beruhenden Einkommensteueransprüche schließe dann den Erlaß von Ergänzungsbescheiden nicht aus, wenn und soweit der Inhalt dieser Bescheide solche Einkommensteueransprüche betreffe, die noch nicht verjährt seien. Insoweit greife der Schutz der Verjährung nicht ein. Die im vorliegenden Verfahren streitige Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der Klägerin in den Jahren 1963 und 1964 wirke unmittelbar auf die Einkommensteuer ihrer Gesellschafter in den unstreitig nicht verjährten Veranlagungszeiträumen 1965 bis 1969 ein, weil die Gesellschafter für diese Veranlagungszeiträume den Abzug ihrer Verluste aus den Jahren 1963 und 1964 gemäß § 10 d EStG begehrten. Die angefochtenen Ergänzungsbescheide seien auch inhaltlich im Ergebnis Rechtens, da die Klägerin ihre Verluste in den Jahren 1963 und 1964 nicht aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt habe (wird ausgeführt). Die Klägerin habe die Bilanz 1963 erst im Jahre 1967, also wesentlich verspätet, aufgestellt. Daher sei auch die Bilanz des folgenden Wirtschaftsjahres 1964 nicht ordnungsmäßig (vgl. BFH-Urteil vom 24. September 1974 VIII R 125/70, BFHE 113, 500, BStBl II 1975, 78).

In ihrer Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidungen und die angefochtenen Ergänzungsbescheide aufzuheben. Sie rügt Verletzung sachlichen Rechts (Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -; §§ 211, 213, 215, 216, 220 AO; § 2 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -; § 10 d EStG; § 39 Abs. 2 HGB; § 162 Abs. 2 AO). Die angefochtenen Bescheide seien sowohl in förmlicher als auch in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft zustande gekommen. Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sei keine Besteuerungsgrundlage i. S. von § 213 Abs. 2 AO. Daher hätten in den angefochtenen Bescheiden keine Feststellungen über diese Frage getroffen werden können. Die Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung der Klägerin sei nach Lage der Dinge schon zur Zeit des Erlasses der ursprünglichen Bescheide vom 11. Juli 1967 nicht erforderlich gewesen. Keinesfalls sei das FA berechtigt gewesen, solche Feststellungen in den Ergänzungsbescheiden "nachzuholen". Denn es handele sich nicht um Feststellungen, die bei dem Erlaß der ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheide "unterblieben" seien. Wenn der Gewinn einer Mitunternehmerschaft festgestellt werde, sei darin zwangsläufig eine Feststellung über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung eingeschlossen. Selbst wenn es sich um eine an sich statthafte Nachholung einer unterbliebenen Feststellung handelte, wäre diese im Streitfall schon deshalb nicht zulässig, weil die Einkommensteueransprüche gegenüber den Gesellschaftern für die Jahre 1963 und 1964 verjährt gewesen seien. Außerdem handle es sich um Feststellungen, von welchen die Einkommensteueransprüche gegen die Gesellschafter der Klägerin nicht für die Jahre 1963 und 1964, sondern für andere Zeiträume, nämlich die Jahre 1965 f., abhingen. Dieser Zusammenhang berechtige das FA nicht zum Erlaß von ergänzenden Feststellungsbescheiden für die Jahre 1963 und 1964. Schließlich hätte das FG eine Nachholung unterlassener (vorläufiger) Feststellungen nur in der Form endgültiger Bescheide vornehmen dürfen. Zur Nachholung einer Endgültigkeitserklärung aber sei das FA zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Bescheide nicht mehr befugt gewesen. Falls der BFH die Rechtsansicht nicht teile, daß aus den vorgenannten Gründen die angefochtenen Bescheide aus verfahrensrechtlichen Erwägungen nicht hätten ergehen dürfen, werde geltend gemacht, daß die Bescheide inhaltlich unzutreffend seien. Denn die von der Klägerin geführten Bücher hätten in den Jahren 1963 und 1964 aus keinem der vom FG angenommenen Gründe den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung i. S. des § 10 d EStG widersprochen (wird ausgeführt).

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

I. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß das FA formell berechtigt war, die angefochtenen Ergänzungsbescheide zu erlassen.

1. Nach § 216 Abs. 2 AO war eine unterbliebene Feststellung i. S. des § 216 Abs. 1 AO in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen.

a) Die in § 216 Abs. 1 AO bezeichneten Feststellungen sind nicht als abschließende Aufzählungen anzusehen ("auch Feststellungen"; vgl. Tipke/Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, Anm. 1 zu § 216 AO). Die Vorschrift knüpft u. a. an § 215 AO an. Nach § 215 Abs. 2 Nr. 2 AO war der Gewinn aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festzustellen, wenn an ihm mehrere beteiligt waren. Nach ständiger Rechtsprechung gehörte entsprechend dem Zweck der Vorschrift, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, zu diesen Feststellungen auch die Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, soweit diese als Tatbestandselement bedeutsam war (vgl. BFH-Urteil in BFHE 77, 469, BStBl III 1963, 491). Es gelten die gleichen Erwägungen wie für die - selbständig anfechtbare - Feststellung, ob bestimmte gemeinschaftliche Einkünfte außerordentlich i. S. des § 34 Abs. 2 EStG sind (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 229/70, BFHE 107, 265, BStBl II 1973, 121). Davon ist die Rechtsprechung auch in der Folgezeit ausgegangen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 109, 141, BStBl II 1973, 540).

b) Ein Ergänzungsbescheid i. S. des § 216 Abs. 2 AO kann jede Feststellung i. S. der §§ 215, 216 Abs. 1 AO betreffen und damit auch die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zum Gegenstand haben (BFHE 77, 469, BStBl III 1963, 491). Zu Unrecht wendet die Klägerin ein, daß das Merkmal der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht zu den Besteuerungsgrundlagen gehöre und deshalb nicht Gegenstand eines Ergänzungsbescheids sein könne. Der Einwand richtet sich damit gegen die Zulässigkeit einer einheitlichen Feststellung dieses Merkmals im Gewinnfeststellungsbescheid. Diese Zulässigkeit ist aber, wie ausgeführt, zu bejahen. Ist eine solche Feststellung zulässiger Gegenstand des Gewinnfeststellungsbescheids, so kann sie, wenn sie unterblieben ist, in einem Ergänzungsbescheid nachgeholt werden.

2. In dem Ergänzungsbescheid kann die Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung auch für einen Veranlagungszeitraum getroffen werden, für den der Steueranspruch verjährt ist, wenn die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung für die steuerrechtliche Beurteilung von Sachverhalten in nicht verjährten Zeiträumen bedeutsam ist.

a) Nach ständiger Rechtsprechung wird über die Höhe des abzugsfähigen Verlustes nicht bereits im Entstehungsjahr, sondern erst im Abzugsjahr entschieden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1974 VIII R 118/69, BFHE 111, 494, BStBl II 1974, 336). Da die Entscheidung über die Höhe des auszugleichenden Verlustes im Entstehungsjahr wie auch über die Höhe des abzuziehenden Verlustes in einem Folgejahr einen unselbständigen Teil eines Steuerbescheids darstellt (§ 213 Abs. 1 AO), liegt in der Überprüfung der Höhe des Verlustabzugs in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum kein unzulässiger Eingriff in die Bestandskraft von Bescheiden früherer Veranlagungszeiträume (BFH-Urteile vom 17. März 1961 VI 67/60 U, BFHE 73, 441, BStBl III 1961, 427; in BFHE 111, 494, BStBl II 1974, 336). Aus dem gleichen Grunde steht auch die Verjährung der Steueransprüche für die Jahre der Verlustentstehung der späteren Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung jener Jahre nicht entgegen. Es handelt sich um Merkmale des Steuertatbestandes des Jahres des Verlustabzugs, nicht des Jahres (der Jahre) der Verlustentstehung.

b) Die Besonderheiten des Gewinnfeststellungsverfahrens gebieten es indes, die Feststellung zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung als Teil des Gewinnfeststellungsbescheids für das Verlustentstehungsjahr zu treffen. Denn nur in dieser Weise kann die Feststellung einheitlich getroffen werden. Der Verlustabzug selbst findet bei den Einzelveranlagungen der Mitunternehmer statt. Die Nachholung der unterbliebenen Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung kann sinngemäß nur einen Bestandteil des Gewinnfeststellungsbescheids für das Verlustjahr bilden.

c) Fehl geht der Einwand der Klägerin, die angefochtenen Ergänzungsbescheide hätten auch deshalb nicht ergehen dürfen, weil die Feststellung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht unterblieben sei und vielmehr davon ausgegangen werden müsse, daß zumindest stillschweigend in den ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheiden die Buchführung als ordnungsmäßig behandelt worden sei. Im Streitfall ergaben sich die Bedenken gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung. Solange die Steueransprüche für die Veranlagungszeiträume, in denen der Verlustabzug geltend gemacht wird, nicht verjährt sind, daher jeweils nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung auch zu prüfen ist, ob die geltend gemachten Verluste durch ordnungsmäßige Buchführung ermittelt waren, ist das für die einheitlichen Gewinnfeststellungen zuständige Betriebs-FA berechtigt, den Mangel der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in einem Ergänzungsbescheid für das Jahr der Verlustentstehung festzustellen. Denn diese Feststellung des Fehlens der Ordnungsmäßigkeit war jedenfalls in den Gewinnfeststellungsbescheiden unterblieben.

Wäre der Ansicht der Klägerin zu folgen, daß die nachträgliche Feststellung des Fehlens einer ordnungsmäßigen Buchführung im Wege eines Ergänzungsbescheids nach § 216 Abs. 2 AO unzulässig sei, so würde dies zu einer nichtgerechtfertigten unterschiedlichen Besteuerung von Einzelunternehmern und Mitunternehmern hinsichtlich Verlustabzügen nach § 10 d EStG führen. Denn für die Einkommensbesteuerung des Einzelunternehmers ist es unbestritten, daß jeweils bei der Veranlagung für ein Abzugsjahr geprüft werden muß, ob der geltend gemachte Verlust auf einer ordnungsmäßigen Buchführung im Entstehungsjahr beruhte. Bei dieser Prüfung sind auch Erkenntnisse über den Zustand der Buchführung zu berücksichtigen, die erst in der Zwischenzeit, beispielsweise durch eine Betriebsprüfung, gewonnen wurden. Für Mitunternehmerschaften wird das gleiche Ergebnis dadurch bewirkt, daß die Feststellung über die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in das Gewinnfeststellungsverfahren einbezogen wird.

II. Der Senat folgt indes dem FG nicht darin, daß die Buchführung der Verlustentstehungsjahre 1963 und 1964 schon deshalb als nicht ordnungsmäßig anzusehen sei, weil die Klägerin die Bilanz 1963 verspätet, nämlich erst im Jahre 1967, aufgestellt habe.

1. Zu den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung gehört, daß die Bilanz innerhalb einer bestimmten Frist erstellt wird. Die Überschreitung dieser Frist ist ein Mangel der Buchführung im ganzen mit der zwangsläufigen Folge, daß die an eine ordnungsmäßige Buchführung anknüpfenden Steuervergünstigungen ausnahmslos entfallen. Für die Klägerin ergab sich die Frist zur Aufstellung der Bilanz 1963 aus § 39 Abs. 2 Satz 2 HGB. Danach ist die Aufstellung des Inventars und der Bilanz "innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit zu bewirken". Die Rechtsprechung hat in einer Reihe von Entscheidungen zu der Frage Stellung genommen, in welchen Fällen diese Voraussetzung erfüllt ist (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 25. April 1978 VIII R 96/75, BFHE 125, 165, BStBl II 1978, 525, mit weiteren Nachweisen). In dieser Entscheidung hat der VIII. Senat ausgeführt, daß eine Buchführung jedenfalls nicht ordnungsmäßig ist, wenn die Bilanz für ein Geschäftsjahr mehr als zwei Jahre nach Ablauf dieses Geschäftsjahrs aufgestellt wird. Der VIII. Senat bemerkt, er neige der Ansicht zu, daß die Bilanz für ein Geschäftsjahr innerhalb eines Jahres nach Ablauf dieses Geschäftsjahrs aufgestellt werden müsse. Der erkennende Senat braucht diese Frage für die Entscheidung des Streitfalls nicht zu vertiefen. Denn die Klägerin hat die ihr nach § 39 Abs. 2 Satz 2 HGB obliegende Verpflichtung nicht verletzt, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt.

2. Die Vorschrift des § 39 Abs. 2 Satz 2 HGB betrifft die Aufstellung des Inventars und der Bilanz. Beide Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin das Inventar und die Hauptabschlußübersicht für 1963 innerhalb des Jahres 1964 erstellt. Unbestritten ist der Vortrag der Klägerin geblieben, daß sie im Jahre 1964 einen "Vermögensstatus" zum 31. Dezember 1963 aufgestellt und ihren Gläubigern übersandt habe. Ein solcher auf der Inventur zum Bilanzstichtag beruhender Vermögensstatus erfüllt in Verbindung mit der Hauptabschlußübersicht, welche den Zusammenhang mit dem Rechnungswerk der Buchführung herstellt, die Aufgabe einer Bilanz im Sinn der Genannten handelsrechtlichen Vorschrift. Der Umstand, daß die Reinschrift der Bilanz - nach Vornahme einer Reihe von Korrekturen - erst im Jahre 1967 gefertigt worden ist, fällt demgegenüber nicht mehr entscheidend ins Gewicht. Der im Jahre 1964 tatsächlich gefertigte Abschluß ist als Aufstellung von Inventar und Bilanz zu werten, obschon die Vermögensübersicht inhaltliche Mängel aufwies und die Hauptabschlußübersicht auf einer Buchführung beruhte, in welcher eine Reihe von Geschäftsvorfällen nicht erfaßt worden war. Auch eine mangelhafte Bilanz ist eine Bilanz und wenn sie rechtzeitig aufgestellt ist, so kann sie grundsätzlich nicht wegen dieser Mängel als nicht aufgestellt behandelt werden. Allenfalls führen die sachlichen Mängel zu dem Ergebnis, daß die Buchführung ungeachtet der rechtzeitigen Aufstellung des Inventars und der Bilanz als nicht ordnungsmäßig anzusehen ist.

III. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat der Buchführung die Ordnungsmäßigkeit deshalb aberkannt, weil die Bilanz verspätet aufgestellt worden sei. Es hat dies daraus gefolgert, daß Inventar und Hauptabschlußübersicht, diese in Verbindung mit der laufenden Kontenführung, unvollständig gewesen seien. Wie ausgeführt hat dieser Mangel keinen Einfluß auf die Beurteilung der Frage, ob die Bilanz rechtzeitig aufgestellt war, wohl aber auf die Entscheidung darüber, ob die Buchführung wegen sachlicher Mängel als nicht ordnungsmäßig zu beurteilen ist. Bei dieser Prüfung kommt es darauf an, ob die festgestellten Mängel im Verhältnis zu dem Umfang des gesamten Zahlenwerks der Buchführung erheblich ins Gewicht fallen. Es greifen die Grundsätze ein, welche die Rechtsprechung zur Bedeutung sachlicher Mängel der Buchführung entwickelt hat, und zwar in Abkehr von der Auffassung, daß bereits ein formeller Systemfehler genüge, um die Ordnungsmäßigkeit zu verneinen (vgl. BFH-Urteile vom 31. Juli 1969 IV R 57/67, BFHE 97, 246, BStBl II 1970, 125; vom 15. März 1972 I R 60/70, BFHE 105, 138, BStBl II 1972, 488). Danach ist in jedem Falle die Schwere des Mangels entscheidend. Im Streitfall hat sich zwar erwiesen, daß der Jahresabschluß technisch gesehen auch nachträglich noch berichtigt werden konnte. Dieser Umstand schließt jedoch nicht aus, daß die Mängel - unbeschadet der technischen Berichtigungsfähigkeit - sachlich so schwerwiegend waren, daß die Buchführung und die Bilanz als im ganzen nicht ordnungsgemäß beurteilt werden müssen. Diese abschließende Entscheidung kann der erkennende Senat aufgrund der vorliegenden Feststellungen nicht treffen.

IV. Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, wird aufgehoben. Die Sache ist an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.