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BFH-Urteil vom 20.4.1982 (VII R 96/79) BStBl. 1982 II S. 521

Der mit der Wahrnehmung der Steuerangelegenheiten einer KG beauftragte Geschäftsführer kann die Verletzung seiner Pflicht, einbehaltene Lohnsteuer rechtzeitig abzuführen, nicht damit entschuldigen, daß er einen zuverlässigen Angestellten beauftragt habe, die Stundung der Lohnsteuer beim FA zu beantragen.

AO § 109 Abs. 1

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit 2. Oktober 1974 alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der X-GmbH (GmbH). Diese war einzige Komplementärin der Y-KG (KG), deren Geschäfte sie führte. Über das Vermögen der KG wurde am 28. Juli 1975 das Konkursverfahren eröffnet. Dem Kläger oblag als Geschäftsführer der GmbH die Finanz- und Lohnbuchhaltung der KG. Er war u.a. für die Abgabe der Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuervoranmeldungen sowie für die Entrichtung der entsprechenden Steuern verantwortlich.

Nach Mahnungen des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) beantragte der Kläger beim FA am 18. Juli 1975, der KG die rückständigen Lohn- und Kirchenlohnsteuern für die Monate April bis Juli 1975 wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und einer Liquiditätsenge der KG bis etwa Mitte September 1975 zu stunden. Diesen Antrag des Klägers, der als Geschäftsführer der GmbH für die KG die maßgebenden, bis Juni 1975 abzugebenden Lohnsteueranmeldungen unterschrieben hatte, lehnte das FA am 29. Juli 1975, also einen Tag nach der Konkurseröffnung über das Vermögen der KG, ab.

Durch Haftungsbescheid vom 12. April 1976 (Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer) nahm das FA den Kläger für die genannten Steuerschulden in Anspruch.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger, den Haftungsbescheid aufzuheben. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus:

Eine Haftung nach § 109 Abs. 1 AO sei gegeben, wenn jemand durch schuldhafte Verletzung der ihm in den §§ 103 bis 108 AO auferlegten Pflichten Steueransprüche verkürzt habe. Nach herrschender Meinung sei die Steuer dann verkürzt, wenn am Fälligkeitstag einzuzahlende Steuer nicht an die Finanzkasse abgeführt werde (BFH-Urteil vom 11. Juli 1958 III 267/57 U, BFHE 67, 245, BStBl III 1958, 367). Die Pflichtverletzung müsse schuldhaft sein. Mangels einer näheren Abgrenzung reiche für die Annahme eines Verschuldens ein leicht fahrlässiges Verhalten aus (BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364). Danach hafte der Kläger wegen der rückständigen Lohn- und Kirchensteuern sowie Umsatzsteuern nicht, weil ihn an der Nichtabführung der Steuern kein Verschulden treffe.

Der Kläger sei für die Steuerangelegenheiten der KG zuständig gewesen. Er sei jedoch seit Ende 1974 zunehmend durch Sonderaufgaben zeitlich in so starkem Maße in Anspruch genommen worden, daß er seinen eigentlichen Geschäftsbereich nicht mehr in der gebotenen Weise habe verwalten können, zumal die Erledigung dieser Sonderangelegenheiten seine häufige Abwesenheit von seinem Arbeitsplatz zur Folge gehabt habe, wie der Kläger im einzelnen glaubhaft dargelegt habe.

Die erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten hätten im Frühjahr 1975 die KG bewogen, die Befriedigung ihrer Lieferanten hinauszuschieben. Zugleich habe die angespannte finanzielle Lage den Ausschlag dafür gegeben, auch beim FA einen Aufschub der Zahlungen zu erwirken. Dementsprechend habe der Kläger nach seiner glaubhaften Bekundung Anfang Mai 1975 den Finanz- und Lohnbuchhalter N beauftragt, beim FA wegen der zum 10. Mai 1975 zu zahlenden Lohnsteuer für den Monat April und vorsorglich für die am 10. Juni 1975 zu zahlenden Beträge an Lohnsteuer Stundung zu beantragen. Angesichts der starken Arbeitsbelastung des Klägers sei es verständlich, daß er, wie er glaubhaft versichert habe, N damals mit der Stellung des schriftlichen Stundungsantrags beim FA beauftragt habe. Damit habe er das getan, was aus seiner Sicht notwendig gewesen sei, um den Steuerverpflichtungen als Geschäftsführer nachzukommen.

Angesichts seiner starken Arbeitsbelastung lasse sich in dem Umstand, daß der Kläger in der Folgezeit wegen seiner Anweisung an N, Stundung zu beantragen, nichts weiter unternommen habe, ein fahrlässiges Verhalten des Klägers nicht sehen. Fahrlässig habe der Kläger auch nicht dadurch gehandelt, daß er nicht entsprechende Beträge zurückgehalten habe, um bei Ablehnung des Stundungsantrags durch das FA die Steuerschulden unverzüglich begleichen zu können. Abgesehen davon, daß die damalige Finanzlage das nicht ermöglicht habe, habe der Kläger aufgrund seiner intensiven Bemühungen fest mit Finanzierungshilfe des Landes gerechnet und auch rechnen dürfen. Diese sei der KG auch tatsächlich unmittelbar nach Konkurseröffnung verbindlich zugesagt und nur wegen des Konkurses nicht mehr ausbezahlt worden. Von diesem Betrag hätte der Kläger einen Teil für die Tilgung der Steuerschulden abzweigen können, wie er es beabsichtigt gehabt habe, um ggf. den restlichen Betrag aufgrund der infolge der guten Auftragslage in naher Zukunft zu erwartenden verbesserten Liquiditätslage der KG zu entrichten.

Nach allem seien ab Frühjahr 1975 die Aufgaben des Klägers unter den außergewöhnlichen Verhältnissen so gewachsen, daß ihre restlose Erfüllung über das Maß der einem Menschen verfügbaren Kräfte hinausgegangen sei. Trotzdem habe es im Interesse der KG und nicht zuletzt auch ihrer Arbeitnehmer gelegen, daß sich der Kläger verpflichtet gefühlt habe, auf seinem Posten zu verharren und die Geschäfte, so gut es eben gegangen sei, weiterzuführen, um die KG vor einem weiteren erheblichen Schaden zu bewahren, der dann allerdings durch die Stellung des Konkursantrags doch eingetreten sei. Der Reichsfinanzhof (RFH) erkenne in seinem Urteil vom 11. Januar 1928 VI A 606/27 (RFHE 22, 319) eine vergleichbare Notlage an, bei der sich die Frage stellen könne, ob nicht der Vertreter gewisse Geschäfte anderen Personen zur Erledigung überlassen und von ihrer Überwachung im Vertrauen auf die Zuverlässigkeit der Hilfspersonen auch wenigstens teilweise absehen müsse. Eine solche Ausnahmesituation habe im Frühjahr 1975 für den Kläger vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat das Tatbestandsmerkmal "schuldhafte Pflichtverletzung" des § 109 Abs. 1 AO verkannt.

Die KG war nach § 41a EStG 1975 verpflichtet, die von den Einkünften ihrer Arbeitnehmer durch Abzug vom Arbeitslohn zu erhebende Einkommensteuer (Lohnsteuer) einzubehalten und an das FA abzuführen. Für diese Einbehaltung und Abführung haftete sie nach § 42d EStG 1975. Nach §§ 97 Abs. 2, 103, 105 Abs. 1 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 GmbHG traf den Kläger als den für die Steuerangelegenheiten zuständigen Geschäftsführer der in der KG geschäftsführenden GmbH u.a. die Pflicht, die einbehaltene Lohnsteuer rechtzeitig an das FA abzuführen. Soweit durch schuldhafte Verletzung dieser Pflicht Steueransprüche verkürzt worden sind, haftet der Kläger persönlich neben dem Steuerpflichtigen (§ 109 Abs. 1 AO; vgl. auch BFH-Urteil vom 11. August 1978 VI R 169/75, BFHE 125, 508, BStBl II 1978, 683, mit weiteren Nachweisen). Eine Steuerverkürzung im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn eine Steuerschuld nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig an die Finanzkasse abgeführt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 116/74, BFHE 121, 5, BStBl II 1977, 257, mit weiteren Nachweisen). Für die Annahme des Verschuldens reicht bereits ein leicht fahrlässiges Verhalten aus (vgl. BFH-Urteil vom 26. November 1980 I R 47/78, BFHE 132, 194, BStBl II 1981, 287, mit weiteren Nachweisen).

Von dieser Rechtslage ist das FG zutreffend ausgegangen. Soweit es aber zum Ergebnis gelangt ist, der Kläger hafte für die rückständige Lohnsteuer nicht, weil ihn an deren Nichtabführung kein Verschulden treffe, hat es den Begriff der schuldhaften Pflichtverletzung i.S. des § 109 Abs. 1 AO verkannt.

Nach den Feststellungen des FG handelt es sich bei den nicht rechtzeitig abgeführten und damit verkürzten Steuern um einbehaltene und angemeldete, aber nicht abgeführte Lohnsteuer. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist die Frage des Verschuldens bei der Abführung einbehaltener Lohnsteuer streng zu beurteilen (vgl. BFHE 104, 294, 299, BStBl II 1972, 364, und BFH-Urteil vom 11. Mai 1962 VI 195/60 U, BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342). Der Grund dafür liegt im System des Lohnsteuerabzugsverfahrens begründet. Die abzuführende Steuer ist ein bei der Lohnzahlung zurückbehaltener Teil des Lohnes der Arbeitnehmer. Der Arbeitnehmer ist Schuldner der Lohnsteuer (§ 38 Abs. 2 EStG 1975). Der Arbeitgeber zieht die Lohnsteuer gewissermaßen nur treuhänderisch für den Arbeitnehmer und den Steuerfiskus ein. Das sind für den Arbeitgeber wirtschaftlich fremde Gelder. Er darf sie daher nicht sach- und zweckwidrig selbst verwenden (vgl. z.B. das zuletzt zitierte BFH-Urteil sowie das BFH-Urteil in BFHE 57, 412, BStBl III 1953, 161). Die Nichtabführung der Lohnsteuer verletzt daher im allgemeinen ohne weiteres die Pflicht der den Arbeitgeber vertretenden Person, dafür zu sorgen, daß die Steuer aus den von ihm verwalteten Mitteln des Arbeitgebers entrichtet wird. Die Verletzung dieser Verpflichtung ist regelmäßig schuldhaft. Denn die ordnungsmäßige Beachtung der gesetzlichen Vorschriften muß von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebs verlangt werden (BFHE 57, 412, BStBl III 1953, 161, mit weiteren Nachweisen).

Zu Unrecht beruft sich der Kläger in seiner Revisionserwiderung auf Tipke/Kruse (a.a.O., § 69 AO Anm. 12 Abs. 2). Der dort vertretenen Auffassung, bei der Nichterfüllung von Ansprüchen auf Entrichtung von Abzugssteuern seien keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei Nichtzahlung anderer Steuern, folgt der erkennende Senat nicht. Es ergibt sich zwangsläufig aus dem oben geschilderten System des Lohnsteuerabzugsverfahrens, daß bei der Abführung der Lohnsteuer an das Verhalten der Verantwortlichen strengere Anforderungen zu stellen sind als bei der Zahlung anderer Steuern (vgl. BFHE 104, 294, 299, BStBl II 1972, 364, 366; BFHE 75, 206, BStBl III 1962, 342).

Das FG stützt seine Auffassung, das Verhalten des Klägers erfülle den Begriff der Schuldhaftigkeit i.S. des § 109 Abs. 1 AO nicht, im wesentlichen auf die von ihm festgestellte (und vom FA mit Verfahrensrügen angegriffene) Tatsache, der Kläger habe Anfang Mai 1975 einen zuverlässigen Mitarbeiter beauftragt, beim FA die Stundung der zum 10. Mai und 10. Juni 1975 zu zahlenden Lohnsteuer zu beantragen. Diese Tatsache vermag den Kläger jedoch nicht zu entschuldigen.

Es kann unentschieden bleiben, ob der Anspruch des FA auf Abführung von Abzugssteuern überhaupt rechtlich der Stundung zugänglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 8. Februar 1957 VI 141/56 S, BFHE 65, 251, BStBl III 1957, 329; Tipke/Kruse, a.a.O., § 222 AO 1977 Anm. 2). Es kann ferner dahinstehen, ob die vom FA bestrittene Behauptung des Klägers im Revisionsverfahren, das FA habe in solchen Fällen gewöhnlich gestundet, zutrifft und ob der Kläger den Umstand, daß entsprechende Feststellungen des FG fehlen, im Wege der Gegenrüge geltend machen kann und geltend gemacht hat. Denn auch wenn diese Behauptung zuträfe, dürfte der Kläger nicht die schlichte Stellung eines solchen Antrags ohne irgendwelche entsprechende vorherige Zusagen des FA zum Anlaß nehmen, seiner ihm vom Gesetz auferlegten Pflicht, die einbehaltenen "fremden" Mittel zum Fälligkeitstermin an das FA abzuführen, zu versäumen. Der Kläger durfte nicht eigenmächtig, d.h. ohne Zustimmung des FA, die abzuführenden Gelder in ein vom Steuergläubiger gewährtes niedrig verzinsliches Darlehen umwandeln.

Diese Auffassung wird durch das Urteil in BFHE 57, 412, BStBl III 1953, 161, und das BFH-Urteil vom 9. Dezember 1955 IV 397/54 U (BFHE 62, 176, BStBl III 1956, 66) bestätigt. Im erstgenannten Fall hat der BFH entschieden, daß die Stundung im Regelfall dann unerheblich sein dürfte, wenn sie erst erfolgt, nachdem der zur Abführung von Steuern Verpflichtete im Zeitpunkt der Fälligkeit schuldhaft versäumt hatte, seiner Pflicht zu genügen. Im letztgenannten Urteil erkannte der BFH, daß auch eine später vom FA ausgesprochene Stundung nichts daran ändert, daß die nicht rechtzeitige Abführung der Lohnsteuer eine schuldhafte Pflichtverletzung war. Danach kann also nur eine vor dem Zahlungstermin gewährte Stundung den für die Durchführung der Zahlung Verantwortlichen entlasten. Davon kann hier aber keine Rede sein.

Der Kläger hatte nach den Feststellungen des FG veranlaßt, daß ein Stundungsantrag gestellt wurde. Mit einem sicheren Erfolg eines solchen Antrags durfte er ohne vorherige Zusagen des FA nicht rechnen. Das Schweigen des FA auf einen solchen Antrag durfte er daher auch nicht als stillschweigende Stundung auffassen. Der Kläger hatte also unabhängig vom gestellten Stundungsantrag für die rechtzeitige Abführung der Lohnsteuer so lange zu sorgen, wie über seinen Stundungsantrag nicht positiv entschieden war. Dadurch, daß er sie ohne weiteres wirtschaftlich als vom FA gewährtes Darlehen betrachtete, hat er schuldhaft gehandelt. Wenn die vorhandenen Gelder für die Abführung der Lohnsteuer nicht ausreichten, hätte der Kläger die Löhne entsprechend gekürzt als Vorschuß oder Teilbetrag auszahlen und die entsprechende Lohnsteuer abführen müssen (vgl. BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364; BFHE 57, 412, BStBl III 1953, 161, BFHE 62, 176, BStBl III 1956, 66). Das hat er nach den Feststellungen des FG jedoch nicht getan. Und ein Fall, in dem sich die Liquiditätsverhältnisse zwischen dem Zeitpunkt der Zahlung der Löhne und Gehälter und dem Zeitpunkt der Fälligkeit für die Abführung der Lohnsteuer erheblich verändert hätten, lag auch nach dem Vorbringen des Klägers nicht vor.

Zu Unrecht wendet der Kläger in der Revisionserwiderung dagegen ein, er habe von diesen besonderen Anforderungen bei den Abzugssteuern nichts gewußt. Entsprechende Feststellungen des FG fehlen. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob das FG insoweit seine Aufklärungspflicht verletzt hat und der Kläger dies in Form einer Gegenrüge (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 120 Anm. 10 D) noch rügen kann und gerügt hat. Denn auch wenn die Behauptung des Klägers zuträfe, könnte ihn dies nicht entschuldigen. Der Kläger wußte jedenfalls - sein Auftrag an N, Stundung zu beantragen, belegt das -, daß die einbehaltene Lohnsteuer jeweils am 10. des Folgemonats an das FA abzuführen war. Trotz dieses Wissens ist er dieser Pflicht nicht nachgekommen, sondern hat sich damit begnügt, N zu beauftragen, einen Stundungsantrag zu stellen. Das vermag ihn nicht zu entschuldigen.

Eines Eingehens auf die vom FG festgestellte besondere Belastung des Klägers durch Sonderaufgaben im Rahmen des Unternehmens bedarf es nicht. Denn aus den Feststellungen des FG ergibt sich jedenfalls, daß sich der Kläger Anfang Mai 1975 mit der Abführung der Lohnsteuer befassen konnte und auch befaßt hat, indem er einem Angestellten den Auftrag gab, Stundung zu beantragen, also vorläufig nicht abzuführen. Gerade dieses Vorgehen aber belegt die schuldhafte Pflichtverletzung des Klägers. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, hätte er sich mit dieser Anweisung nicht begnügen dürfen. Solange über den Stundungsantrag nicht entschieden war, hätte er dafür sorgen müssen, daß die volle Lohnsteuer oder - nach Kürzung der Löhne entsprechend der Liquiditätssituation des Unternehmens - die von den gekürzten Löhnen einbehaltene Lohnsteuer rechtzeitig abgeführt wurde.

Nichts Gegenteiliges ergibt sich aus dem Urteil des RFH in RFHE 22, 319. Dieses Urteil stützt vielmehr die Entscheidung des erkennenden Senats. Der RFH hat ausgeführt, es könne im allgemeinen ein Verschulden unterstellt werden, wenn ein Vertreter des Steuerpflichtigen die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt, da die Übernahme und Beibehaltung der Stellung eines Vertreters die Verpflichtung in sich schließt, alle mit dieser Stellung verbundenen Geschäfte gewissenhaft auszuführen, und da die Einbehaltung und Abführung der Steuer regelmäßig nicht eine Angelegenheit darstellt, deren Ausführung eine unbillige Zumutung enthält. Allerdings können nach Auffassung des RFH ausnahmsweise doch Umstände vorliegen, unter denen die Nichterfüllung der steuerlichen Verpflichtung als vom Vertreter nicht verschuldet angesehen werden kann. Unter welchen Umständen die Nichterledigung einer steuerlichen Angelegenheit als entschuldbar angenommen werden könne, sei, so meint der RFH weiter, nur nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen; sie müßten jedenfalls derart sein, daß das Verlangen, der Vertreter müsse die steuerlichen Geschäfte restlos erfüllen oder für ihre Erfüllung anderweitig Sorge tragen, als eine nach allgemeiner Verkehrsauffassung gegen Recht und Billigkeit verstoßende Zumutung angesehen werden müßte. Bei der Gestaltung des vorliegenden Falles, wie er sich nach den Feststellungen des FG darstellt, liegen aber jedenfalls diese Voraussetzungen nicht vor. Es war dem Kläger nicht unzumutbar, mehr für die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen der KG zu tun als nur den Auftrag zu geben, einen Stundungsantrag zu stellen.

Das FG hat festgestellt, der Kläger habe mit einer Finanzierungshilfe des Landes in Höhe von 1,1 Mio. DM rechnen können, die auch später in der Tat gewährt worden sei; außerdem sei die Auftragslage der Firma gut gewesen. Auch darin liegen keine Umstände, die den Kläger entschuldigen könnten. Denn die Termine, zu denen der Kläger die Lohnsteuer abzuführen hatte, lagen vor dem Zeitpunkt, zu dem allenfalls mit einer Besserung der Liquiditätslage der KG zu rechnen war. Überdies hätte der Kläger von dieser Finanzierungshilfe, wie sich aus den Feststellungen des FG und dem eigenen Vorbringen des Klägers ergibt, nur einen Teil für die Tilgung der Steuerschulden abzweigen können. Daraus ergibt sich, daß auch die erwarteten Gelder die Liquiditätsschwierigkeiten des Unternehmens zu beseitigen nicht imstande gewesen wären. Auch die gute Auftragslage änderte an den aktuellen Liquiditätsschwierigkeiten des Unternehmens in dem hier maßgebenden Zeitpunkt nichts. Es konnte sich also dadurch an der Pflicht des Klägers zur rechtzeitigen Abführung der einbehaltenen Lohnsteuerbeträge ebenfalls nichts ändern.

Der Kläger meint in seiner Revisionserwiderung, das FA habe deswegen ermessensfehlerhaft gehandelt, weil es den Steuerausfall durch eigenes schuldhaftes Verhalten verursacht habe, da es auf den Stundungsantrag vom Mai 1975 nicht in angemessener Zeit reagiert habe. Diese Auffassung ist schon deswegen unzutreffend, weil, wie oben ausgeführt, der Kläger die Pflicht hatte, die Lohnsteuer rechtzeitig abzuführen, solange eine Entscheidung des FA über den Stundungsantrag noch nicht vorlag. Auch sonstige Ermessensfehler sind nicht erkennbar. Bei der besonderen Sachlage des vorliegenden Falles brauchte das FA auch nicht zu begründen, warum es den Kläger und nicht auch andere Personen in Anspruch nahm.