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BFH-Urteil vom 18.3.1982 (V R 19/76) BStBl. 1982 II S. 525

Den Betreiber von Glücksspiel- und Unterhaltungsautomaten trifft im Verhältnis zu den Gastwirten, welche die Automatenaufstellung gegen Gewinnbeteiligung gestatten, die Last, über deren Anteil an dem in seiner Verfügung stehenden Gewinn abzurechnen. Die Abrechnung ist daher eine Gutschrift des Automatenaufstellers.

UStG 1967 § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1980 § 14 Abs. 5; 1. UStDV § 5.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Jahren 1969 bis 1971 Glücksspiel- und Unterhaltungsautomaten, die sie in Gaststätten aufgestellt hatte. Die Gastwirte erhielten für die Gestattung der Automatenaufstellung einen Anteil an den Einspielergebnissen nach vorheriger Herausrechnung der von der Klägerin geschuldeten Umsatzsteuer. Unter den Gastwirten befanden sich Unternehmer, die ihre Umsätze in diesen Besteuerungszeiträumen nach § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - UStG 1967 - versteuert haben. Die Kassierer der Klägerin rechneten mit den Gastwirten regelmäßig auf Formularen der Klägerin ab, die wie folgt ausgestaltet waren:

Das vom Kassierer der Klägerin ausgefüllte Formular wurde von ihm und dem Gastwirt in der Rubrik "Für die Richtigkeit der Abrechnung" unterschrieben. Die auf den Gesamtbetrag des sogenannten Wirteanteils entfallende Umsatzsteuer wurde in der Rubrik "Vom Wirt abzuführende Mehrwertst." eingetragen und zusätzlich zum Wirteanteil von der Klägerin an die Gastwirte ausgezahlt. In Höhe dieser Steuerbeträge machte die Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 abziehbare Vorsteuerbeträge geltend.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte der Klägerin mit den Umsatzsteuerbescheiden 1969 bis 1971 vom 4. Juli 1974 den Vorsteuerabzug, soweit nach den Feststellungen einer Betriebsprüfung die Gastwirte ihre Umsätze als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 UStG 1967 versteuert hatten. Die formularmäßigen Abrechnungen seien von der Klägerin ausgestellte Gutschriften im Sinne des § 5 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes (1. UStDV).

Mit der Klage hat sich die Klägerin gegen die Versagung des Abzugs der vorstehenden Vorsteuerbeträge gewendet. Sie ist der Ansicht, es lägen von den Gastwirten ausgestellte Rechnungen im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG 1967 vor. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie rügt Verletzung der §§ 14 und 15 UStG 1967: Bei den Abrechnungen handele es sich um Rechnungen im Sinne der §§ 14 und 15 UStG 1967. Selbst wenn man sie als Gutschriften ansehen wollte, müßten sie einer Rechnung gleichgestellt werden. Gutschriften und Rechnungen seien gleichwertig. Sie habe darauf vertrauen können und dürfen, daß die Gastwirte die Umsatzsteuer entsprechend ihrer Versicherung abführen würden. Die Versagung des Vorsteuerabzugs verstoße gegen Treu und Glauben. Die Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover habe Abrechnungen, die denen der Klägerin entsprochen hätten, gegenüber dem Zentralverband der Organisationen des Automaten-Aufstell-Gewerbes mit Verfügung vom 18. April 1969 S 7.300 - 44/S 7.280 - 55 - StH 731 als Rechnungen anerkannt. Sie habe auf diese Auskunft vertraut.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

1. Für die Frage, ob ein Abrechnungspapier als Rechnung im Sinne des § 14 Abs. 1 UStG 1967 oder als Gutschrift im Sinne des § 5 Abs. 1 der 1. UStDV (= § 14 Abs. 5 UStG 1980) zu beurteilen ist, ist - wie der Senat im Urteil vom 4. März 1982 V R 107/79 (BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309) erkannt und des näheren begründet hat - nicht die Gestaltung und Bezeichnung des Abrechnungspapiers maßgeblich. Die Abgrenzung zwischen den beiden möglichen Formen einer Abrechnung ist vielmehr danach zu entscheiden, wen von den beiden am Leistungsaustausch Beteiligten die Abrechnungslast trifft. Diese ist anhand des schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses oder einer den tatsächlichen Gegebenheiten und ihrer schuldrechtlichen Einordnung entsprechenden vertraglichen Verpflichtung zu bestimmen. Die Verpflichtung zur Abrechnung schließt eine Preisberechnung unter gesondertem Ausweis der auf das Nettoentgelt entfallenden Umsatzsteuer ein.

2. Legt man diese Merkmale zugrunde, so hat die Klägerin mit den Gastwirten im Wege des Gutschriftsverfahrens abgerechnet. Dem äußeren Erscheinungsbild der verwendeten Abrechnungsformulare mit der Kopfzeile "Abrechnung des Gastwirts mit Operator ... (Klägerin)" kann keine Bedeutung beigemessen werden. Denn auf der Grundlage des Automatenaufstellvertrages und der tatsächlichen Gegebenheiten hat die Klägerin mit den Gastwirten abgerechnet und nicht umgekehrt.

Die Grundlagen der Abrechnung befanden sich ausschließlich in der Hand der Klägerin; nur sie konnte über die in den Automaten befindlichen Einspielergebnisse verfügen. Die Gastwirte waren bei der Öffnung der Automaten und der Zählung des Einspielergebnisses im eigenen Interesse zugegen, da eine abrechnungsmäßige Verkürzung des Einspielergebnisses sich zu ihren Lasten ausgewirkt hätte. Andererseits mag aber auch die Klägerin an einer Mitwirkung des Gastwirts bei der Feststellung des Einspielergebnisses ein gewisses Interesse gehabt haben; denn sie ließ diese Arbeit durch einen Angestellten vornehmen. Einer möglichen Verkürzung des Einspielergebnisses durch den Angestellten wirkte die Anwesenheit des Gastwirts entgegen. Die Feststellung des gesamten Einspielergebnisses nimmt demgemäß auch den wesentlichen Teil des Abrechnungspapiers in Anspruch.

Damit waren die Grundlagen für die eigentliche Abrechnung gegenüber dem Gastwirt, nämlich die Ermittlung seines Anteils am Einspielergebnis, geschaffen worden. Die Mitwirkung des Gastwirts war dabei auf die Kontrolle der rechnerischen Richtigkeit des von dem Kassierer ausgezählten Betrages beschränkt. Mit seiner Unterschrift in der Rubrik "für die Richtigkeit" bestätigte der Gastwirt lediglich, daß das Einspielergebnis zutreffend gezählt worden ist (was auch im Interesse des Kassierers in seinem Verhältnis zu der Klägerin lag), und daß die nachfolgenden Rechenoperationen (Ermittlung des Gastwirteanteils und der darauf entfallenden Umsatzsteuer) rechnerisch richtig waren. Darüber hinaus bestätigte der Gastwirt mit seiner Unterschrift den Empfang seines Anteils, den ihm der Kassierer gegen diese Quittung ausgefolgt hat. Auch hieran wird deutlich, daß die Klägerin der abrechnende Teil war; denn sie verfügte gegen Unterschriftsvollzug über einen Teil des ihr zustehenden Einspielergebnisses zugunsten des Gastwirts auf der Grundlage der von ihr erstellten und vom Gastwirt gebilligten Abrechnung.

3. Mit ihrem Hinweis, sie habe darauf vertrauen können und dürfen, daß die Gastwirte entsprechend ihrer Versicherung ihre Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes versteuern würden, kann die Klägerin keinen Erfolg haben (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 27. März 1981 V S 19/80, BFHE 133, 118, BStBl II 1981, 543).