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BFH-Urteil vom 18.3.1982 (IV R 57/79) BStBl. 1982 II S. 549

Als Zuschlag nach § 13a Abs. 6 EStG a.F. kann insgesamt kein negativer Betrag angesetzt werden.

EStG § 13a Abs. 6 in der bis zum 1. Juli 1980 geltenden Fassung.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Für den Veranlagungszeitraum 1975 ist streitig, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) den im Wirtschaftsjahr 1974/75 bei seinem Weinbau erzielten Verlust im Rahmen des § 13 a Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes in der bis zum 1. Juli 1980 geltenden Fassung EStG a. F.) als Abschlag berücksichtigen kann.

Der Kläger ist Arbeiter und im Nebenberuf Landwirt und Winzer. Er ermittelt seinen Gewinn aus Landwirtschaft gemäß § 13 a EStG a. F. nach Durchschnittsätzen. Ohne den Weinbau erzielte er in den Wirtschaftsjahren 1974/75 und 1975/76 jeweils einen Durchschnittsgewinn von 1.324 DM, der sich aus einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von rd. 5,8 ha errechnete.

Durch den Weinbau erwirtschaftete der Kläger folgende Erträge:

Wirtschaftsjahr 1974/75

 

Betriebseinnahmen

870 DM

Betriebsausgaben

15.049 DM

 

--------------

Verlust

14.179 DM

 

Wirtschaftsjahr 1975/76

 

Betriebseinnahmen

32.080 DM

Betriebsausgaben

20.522 DM

 

--------------

Gewinn

11.558 DM

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Kalenderjahr 1975 ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) den Verlust aus Weinbau für das Wirtschaftsjahr 1974/75 unberücksichtigt und berechnete die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wie folgt:

1/2 Einkünfte Landwirtschaft

   

Wirtschaftsjahr 1974/75

 

662 DM

   

Einkünfte Landwirtschaft

   

Wirtschaftsjahr 1975/76

1.324 DM

 

   

Einkünfte Weinbau

   

Wirtschaftsjahr 1975/76

11.558 DM

 
 

--------------

 
 

12.882 DM

 

davon 1/2

6.441 DM

6.441 DM

   

-------------

Einkünfte aus Landwirt-

   

schaft und Forstwirtschaft

   

1975

 

7.103 DM

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 227 veröffentlicht ist, meint, wenn man davon ausgehe, daß der Zuschlag nach § 13a Abs. 6 EStG a.F. durch Einnahme-Ausgabe-Überschußrechnung zu ermitteln sei, so müsse man auch die Folgerung ziehen, daß bei einem Überschuß der Betriebsausgaben ein Abschlag zugelassen werden müsse. Der Wortlaut des § 13a Abs. 6 EStG a.F. stehe dem nicht entgegen. Ähnlich wie § 4 EStG mit den Vorschriften für die Ermittlung des Gewinns auch die Ermittlung eines Verlustes (negativen Gewinns) regele, erfasse § 13a Abs. 6 EStG a.F. mit dem Begriff Zuschlag auch einen Abschlag (negativer Zuschlag). In der Festsetzung eines Mindestbetrages für den Zuschlag von 800 DM sei eine gesetzliche Vereinfachungsregel zu erblicken, die entsprechend auch für einen Abschlag gelte; ein Abschlag sei also erst vorzunehmen, wenn er mehr als minus 800 DM ausmache.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 13a Abs. 2 bis 6 EStG a.F. Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er meint, daß die Finanzverwaltung selbst in Abschn. 130a Abs. 8 der Einkommensteuer-Richtlinien für das Kalenderjahr 1978 (EStR 1978) ihre Auffassung geändert habe.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. hatten Land- und Forstwirte, die nicht buchführungspflichtig waren, die Wahl zwischen der Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittsätzen nach § 13a Abs. 2 bis 6 EStG a.F., der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich und der Gewinnermittlung durch Vergleich der Betriebseinnahmen mit den Betriebsausgaben. Wollten sie den Gewinn durch Vermögensvergleich oder durch Vergleich der Betriebseinnahmen mit den Betriebsausgaben ermitteln, mußten sie die entsprechenden Bücher oder Aufzeichnungen führen und einen entsprechenden Antrag stellen, und zwar innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf des Wirtschaftsjahres, auf das er sich beziehen sollte. Sie waren dann vier Wirtschaftsjahre an die beantragte Gewinnermittlung gebunden. Wurde ein solcher Antrag nicht gestellt, waren die Gewinne der nicht buchführungspflichtigen Land- und Forstwirte nach § 13a Abs. 2 bis 6 EStG a.F. zu ermitteln.

Der Kläger hat weder für das Wirtschaftsjahr 1974/75 noch für das Wirtschaftsjahr 1975/76 einen Antrag nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. gestellt. Er hat sich damit für die Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nach § 13a Abs. 2 bis 6 EStG a.F. entschieden, und zwar für seine gesamte Landwirtschaft einschließlich des Weinbaues. Damit war der Gewinn aus der eigentlichen landwirtschaftlichen Nutzung mit einer von ihm bewirtschafteten Nutzfläche von 5,8 ha und einem Vergleichswert von 4.107 DM nach Durchschnittsätzen zu ermitteln und der Gewinn aus der weinbaulichen Nutzung mit einer Nutzfläche von rd. 1,3 ha im Wirtschaftsjahr 1974/75 und von rd. 1 ha im Wirtschaftsjahr 1975/76 (Vergleichswert im Wirtschaftsjahr 1974/75 = 5.127 DM und im Wirtschaftsjahr 1975/76 = 4.634 DM) durch einen Zuschlag nach § 13a Abs. 6 EStG a.F. zu berücksichtigen, der durch eine Einnahme-Überschußrechnung zu ermitteln war.

2. Die Meinung des FG, der Zuschlag für die weinbauliche Nutzung verwandle sich in den Fällen in einen Abschlag, in denen bei der weinbaulichen Nutzung und bei den anderen in Abs. 6 genannten Nutzungen und Betriebsvorgängen der Vergleich der Betriebseinnahmen mit den Betriebsausgaben einen Verlust ergebe, findet weder im Wortlaut des Gesetzes eine mögliche Rechtfertigung, noch läßt sie sich im Wege der Auslegung aus dem Wesen dieser Durchschnittsgewinnermittlung ableiten.

a) Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist nach Abs. 2 des § 13a EStG a.F. der Gewinn die Summe aus

1. dem Grundbetrag,

2. dem Wert der Arbeitsleistung des Betriebsinhabers und seiner im Betrieb tätigen Angehörigen,

3. den vereinnahmten Pachtzinsen,

4. den Zuschlägen nach Abs. 6,

5. dem Nutzungswert der Wohnung des Betriebsinhabers mit 1/18 des im Einheitswert besonders ausgewiesenen Wohnungswertes.

Davon sind abzusetzen verausgabte Pachtzinsen und diejenigen Schuldzinsen, die Betriebsausgaben sind, sowie dauernde Lasten, die Betriebsausgaben sind und die bei der Einheitsbewertung nicht berücksichtigt wurden. Es ist nicht zweifelhaft, daß durch die Posten Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 5 Zurechnungsbeträge zum Grundbetrag erfaßt werden sollen. Daß dasselbe für den Posten Nr. 4 gilt, ergibt sich einmal aus dem Wort "Zuschläge". Der Begriff des Zuschlags kann sprachlich nicht als Abschlag verstanden werden. Er wird auch im gesamten Steuerrecht in keinem Gesetz in der Weise verwendet, daß mit ihm zugleich auch sein Gegenteil, d.h. also ein Abschlag, gemeint oder angesprochen sein sollte, wie dies beim Begriff des Gewinns üblich geworden ist (vgl. § 4 Abs. 1 EStG). § 13a EStG a.F. selbst unterscheidet in Abs. 3 Nr. 1 c ausdrücklich auch zwischen Zuschlägen und Abschlägen.

Abschläge wären demnach nur möglich, wenn sie unter den Beträgen aufgeführt wären, die nach Abs. 2 Satz 2 von der aus den fünf positiven Beträgen bestehenden Summe abzusetzen sind. Verluste aus Weinbau gehören nicht dazu. Die Gewinnermittlung des § 13a EStG a.F. ist systematisch genauso aufgebaut wie die des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (GDL). Sie geht aus vom Grundbetrag, führt dann die Hinzurechnungsbeträge auf und anschließend die Abrechnungsbeträge. Ein Verlust aus Land- und Forstwirtschaft kann sich danach nur ergeben, wenn die Absetzungsbeträge nach Abs. 2 Satz 2, zu denen auch die Absetzungen nach § 7b EStG kommen können, höher sind, als der Grundbetrag einschließlich der Hinzurechnungsbeträge nach Abs. 2 Satz 1 EStG.

Der Wortlaut der Bestimmung widerlegt noch aus einem anderen Grunde die Auffassung des FG. Wenn es in Abs. 6 heißt, Zuschläge für die dort genannten Erträge sind zu dem nach den Absätzen 2 bis 5 ermittelten Betrag zu machen, wenn er dadurch um mindestens 800 DM erhöht wird, so kann das nur heißen, daß, wenn die Erträge insgesamt unter 800 DM liegen, d. h. also auch wenn sie negativ sind, ein Zuschlag entfällt.

Das FG hat zwar diese Schwierigkeit für seine Auslegung gesehen, glaubte aber davon ausgehen zu können, daß der Mindestbetrag von 800 DM ebenso für negative Werte gelte, diese also einen Minusbetrag von 800 DM übersteigen müßten. Dieser Auslegung vermag der Senat nicht zu folgen.

b) Das Wesen der Durchschnittsgewinnermittlung und ihr eigentlicher Zweck liegen vornehmlich in dem Vereinfachungseffekt. Diese Gewinnermittlungsart soll es ermöglichen, durch ein pauschales Verfahren den Gewinn von kleineren Land- und Forstwirten zu erfassen, ohne daß diese Bücher und Aufzeichnungen führen und ohne daß sie dadurch Gefahr laufen, mit zu hohen Gewinnen besteuert zu werden. Dementsprechend niedrig wurden bei dieser Gewinnermittlung der Grundbetrag und der Wert der Arbeitsleistung festgelegt, aus denen sich der pauschal ermittelte Gewinn in der Hauptsache zusammensetzt. Die Folge davon ist, daß der so ermittelte Gewinn in der Regel weit unter dem tatsächlichen Gewinn liegt. Auf der anderen Seite schließt eine solche pauschale Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen mit niedrigen Durchschnittsgewinnen bei den durch den Grundbetrag erfaßten Betriebsteilen auch die Berücksichtigung eines tatsächlichen Verlustes in einem Wirtschaftsjahr aus. Wollte also ein Landwirt einen erzielten Verlust geltend machen, so hätte er einen Antrag nach § 13 a Abs. 1 EStG a. F. stellen müssen, wobei allerdings Voraussetzung war, daß er zumindest die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben aufzeichnete.

Eine Sonderstellung innerhalb der Durchschnittsgewinnermittlung nach § 13 a EStG a. F. nehmen die in Abs. 6 Nr. 1 genannten Nutzungen ein. Sie sollen im Rahmen der Durchschnittsgewinnermittlung durch den Ansatz der tatsächlichen Erträge gesondert erfaßt werden, wenn ihre nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelten Werte 4.000 DM übersteigen und sich dadurch insgesamt einschließlich der übrigen in Abs. 6 unter Nr. 2 und Nr. 3 aufgeführten Nutzungen und Betriebsvorgänge ein Zuschlag von mindestens 800 DM ergibt. Unter Berücksichtigung der Umstände, daß a) der betreffende Landwirt, der sich für die Gewinnermittlung nach § 13 a EStG a. F. entscheidet und deshalb für die Betriebsteile, deren Gewinne durch den Grundbetrag und den Wert der Arbeitsleistung abgegolten sind, einen in der Regel weit unter dem tatsächlichen Gewinn liegenden Gewinn zu versteuern braucht, und b) die Erträge von Nutzungen nach Abs. 6 Nr. 1 erst ab einer bestimmten Größenordnung in tatsächlicher Höhe im Rahmen des § 13 a Abs. 6 EStG a. F. zu erfassen sind, entspricht es - abgesehen vom Wortlaut der Vorschrift - auch mehr dem Wesen dieser Durchschnittsgewinnermittlung, bei den Sondernutzungen nach Abs. 6 insgesamt keinen Verlustansatz für zulässig zu halten. Darin liegt ein kleiner, aber nach Auffassung des Senats erforderlicher Ausgleich für die erheblichen Begünstigungen, die den Landwirten, die sich für die Gewinnermittlung nach § 13 a EStG a. F. entschieden haben, beim Ansatz der positiven Gewinnteile eingeräumt werden. Ein nach § 13 a EStG a. F. zu besteuernder Landwirt, der z. B. durch hohe Investitionen im Weinbau in einem Wirtschaftsjahr erhebliche Verluste ausweisen kann, muß sich daher, wenn er diese Verluste steuerlich geltend machen will, allgemein für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG entscheiden. Beide Vorteile kann der betreffende Landwirt nicht erhalten.

3. Diese Auffassung wird auch von den EStR 1978 in Abschn. 130 a Abs. 8 geteilt, wenn es dort in Satz 6 heißt: "Ein insgesamt verbleibender Verlust (gemeint sind die Nutzungen nach Abs. 6) führt nicht zu einem Abschlag." Anschließend (Satz 7) ist aber ausgeführt: "Soweit jedoch Gewinne aus einzelnen Betriebsvorgängen, z. B. aus der Veräußerung von Grund und Boden, nach § 4 Abs. 3 EStG selbständig neben dem Durchschnittsgewinn als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu ermitteln sind, müssen sich dabei ergebende Verluste mit dem Durchschnittsgewinn ausgeglichen werden." Zur Rechtfertigung dieser Auffassung berufen sich die Richtlinien zu Unrecht auf das Urteil des Senats vom 26. Februar 1976 IV R 175/72 (BFHE 118, 562, BStBl II 1976, 532). In dem Urteil hat der Senat die Auffassung vertreten, daß nach § 12 GDL für die Gewinne aus Gartenbau, Weinbau, Sonderkulturen etc. zwei Arten von Gewinnermittlungen in Betracht kommen. Soweit die hierfür nach den Vorschriften des BewG ermittelten Werte zuzüglich oder abzüglich des sich nach § 3 Abs. 4 GDL ergebenden Wertes insgesamt 8.000 DM überstiegen, waren gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GDL diese Gewinne außerhalb des GDL zu ermitteln. Infolgedessen konnten auch erzielte Verluste in diesen Betriebsteilen oder Teilbetrieben in voller Höhe steuerlich angesetzt werden. Wenn aber die genannten Werte nach den Bewertungsvorschriften unter 8.000 DM lagen, waren diese Gewinne nach § 12 Abs. 4 Nr. 3 GDL dem Grundbetrag als Zuschläge hinzuzurechnen. Für letzteren Fall hat der Senat den Ansatz eines Verlustes anstelle eines positiven Hinzurechnungsbetrages im Rahmen des § 12 Abs. 4 Nr. 3 GDL genauso ausgeschlossen, wie er dies jetzt für § 13 a Abs. 6 EStG a. F. tut. Die der veröffentlichten Entscheidung vorangestellten Leitsätze geben dies zutreffend wieder. Eine dem § 1 Abs. 3 Nr. 1 GDL entsprechende selbständige Gewinnermittlung neben der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gibt es im Rahmen des § 13 a EStG nicht mehr. Infolgedessen können sich die EStR 1978 zur Rechtfertigung eines Verlustabzuges nach § 13 a Abs. 6 EStG a. F., anstelle eines Zuschlages, nicht auf das genannte Urteil berufen.

4. Die Entscheidung wird nicht von der Frage berührt, ob gegen § 13 a EStG a. F. aus den im Vorlagebeschluß des Niedersächsischen FG vom 13. Oktober 1978 I 290/77 (EFG 1979, 28) angeführten Gründen (Art. 3 des Grundgesetzes) verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Denn auch dann, wenn § 13 a EStG a. F. aus diesen Gründen vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt würde, könnte nach den sich daraus ergebenden möglichen Folgen (z. B. Anhebung der Durchschnittswerte) die Revision vom Steuerbetrag her gesehen keinen Erfolg haben.

Danach war die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.