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BFH-Urteil vom 30.3.1982 (III R 150/80) BStBl. 1982 II S. 552

Streikunterstützungen, die eine Gewerkschaft an ihre streikenden Mitglieder zahlt, gehören zu den Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG (Bestätigung des BFH-Urteils vom 30. Oktober 1970 VI R 273/67, BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138).

EStG 1977 §§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 11, 19 Abs. 1, 24 Nr. 1a; LStDV § 2 Abs. 2 Nr. 2; GG Art. 3, 9 Abs. 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1978 als Walzer bei einem Hüttenwerk beschäftigt. Er ist Mitglied der IG Metall und bezog von dieser während eines Schwerpunktstreiks in der Hütte von Ende November bis Ende Dezember 1978 eine Streikunterstützung von über 800 DM. Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Streikunterstützung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 30. Oktober 1970 VI R 273/67, BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138) als steuerpflichtige Einnahme aus nichtselbständiger Arbeit. Das FA sah in der Streikunterstützung eine Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sei.

Der Einspruch, mit dem der Kläger die Steuerfreiheit der Streikunterstützungen geltend machte, blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte zur Begründung des Urteils, das in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 391 veröffentlicht ist, im wesentlichen aus: Die Streikunterstützungen seien keiner der in § 2 Abs. 1 EStG erschöpfend aufgezählten Einkunftsarten zuzuordnen. Arbeitslohn liege nicht vor, da die Streikunterstützungen nicht als Entgelt für eine Arbeitsleistung erbracht würden. Die Annahme steuerpflichtiger Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG scheitere bereits daran, daß die Arbeitnehmer bei der Herbeiführung des Streiks, der zum Verlust des Arbeitslohns geführt habe, nicht unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hätten. Die Streikunterstützungen seien auch nicht als "Ersatz für Arbeitslohn" anzusehen. Es sei zwar anerkannt, daß Ersatzleistungen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht nur vom Arbeitgeber, sondern auch von Dritten geleistet werden könnten. Absicht und Zweck der gewerkschaftlichen Zahlungen an die streikenden Mitglieder seien jedoch ausschließlich auf die Durchführung arbeitsrechtlicher Kampfmaßnahmen gegen die Arbeitgeber gerichtet und könnten daher nicht als Lohnsurrogat angesehen werden. Die Gewerkschaft trete weder an die Stelle der Arbeitgeber noch habe sie Veranlassung, eine Leistung für diese zu erbringen. Die Streikgelder seien auch keine einkommensteuerpflichtigen Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG. Denn die Streikunterstützungen würden nicht für die Nichtausübung einer Tätigkeit, sondern mit dem Ziel gezahlt, die Arbeitnehmer dazu zu bestimmen, eine berufliche Tätigkeit zeitweise ruhen zu lassen. Schließlich gehörten Streikunterstützungen nicht zu den einkommensteuerpflichtigen sonstigen Einkünften i. S. von § 22 Nr. 1 EStG. Abschließend führte das FG aus, daß Streikunterstützungen auch keine sonstigen Einkünfte aus Leistungen i. S. von § 22 Nr. 3 EStG seien.

Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten und hat sich der Auffassung des FG angeschlossen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. a) Der VI. Senat des BFH hat es in BFHE 100, 504, 509, BStBl II 1971, 138 abgelehnt, § 19 Abs. 1 EStG (§ 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV -) unmittelbar auf Streikunterstützungen anzuwenden. Dieser Rechtsauffassung, die allgemein geteilt wird, schließt sich der erkennende Senat an.

b) Der VI. Senat des BFH hat Streikunterstützungen in BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138 als Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG behandelt und zur Begründung dieser Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG setze voraus, daß durch die Entschädigungen Einnahmen ersetzt werden, die zu einer der sieben Einkunftsarten gehören. Dieses Erfordernis sei bei Streikunterstützungen erfüllt. Diese ständen in einem wesensmäßigen Zusammenhang mit dem Arbeitslohn. Nach dem Wortlaut des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sei es unerheblich, wer die Entschädigungen aus welchem Grund leiste. Entscheidend sei, daß die Streikunterstützungen als Ersatz für den entfallenen Arbeitslohn gewährt würden und wie dieser dazu dienten, die Kosten der Lebenshaltung zu sichern. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -) stehe der Besteuerung von Streikunterstützungen nicht entgegen.

2. Dieser Entscheidung des VI. Senats hat nur ein Teil des Schrifttums zugestimmt (vgl. insbesondere Kruse, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1981, 15; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 19 S. 39, 50 a, § 24 S. 7; Nissen in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 19, Rdnr. 56 und 61; Baumdicker in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, a. a. O., § 24 Rdnr. 7; Kaiser in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, a. a. O., § 34, Rdnr. 42; Oeftering/Görbing, Das gesamte Lohnsteuerrecht, § 19 EStG, Rdnr. 253, Stichwort "Streikunterstützungen"). Sie ist überwiegend auf Ablehnung gestoßen (vgl. insbesondere Martens, StuW 1972, 75; Beck, Finanz-Rundschau - FR - 1977, 481; Seuffert, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1979, 395; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 19 EStG Anm. 400, mit weiteren Hinweisen; anders allerdings in § 24 EStG Anm. 3 c und 5; Brockhoff in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 19 Anm. 110; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, § 24 EStG Anm. 25). Die Kritik an der BFH-Rechtsprechung wendet im wesentlichen ein: Arbeitslohn und Streikunterstützungen gehörten verschiedenen Bereichen an. Der Arbeitslohn sei Ausfluß des zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Dienstverhältnisses. Streikunterstützungen beruhten dagegen in erster Linie auf den von den Arbeitnehmern geleisteten Gewerkschaftsbeiträgen. Die gegensätzliche Interessenlage zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften schlösse einen einkommensteuerrechtlich relevanten wirtschaftlichen oder inneren Zusammenhang zwischen Lohnausfall und Streikunterstützung aus. Es treffe auch nicht zu, daß die Folgen von Streiks für die einzelnen Gewerkschaftsmitglieder unfreiwillig einträten. Streiks setzten die Zustimmung qualifizierter Abstimmungsmehrheiten für Arbeitskampfmaßnahmen voraus. Die Abstimmungsergebnisse müßten auch solche Gewerkschaftsmitglieder gegen sich gelten lassen, die gegen den Streik gestimmt oder überhaupt nicht abgestimmt hätten. Ein ordnungsgemäß beschlossener Streik müsse mit allen seinen Folgen als von der Solidargemeinschaft der Mitglieder und damit als von jedem einzelnen Mitglied selbst herbeigeführt angesehen werden. Dies schließe die Annahme aus, daß die Gewerkschaftsmitglieder unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck ständen.

3. Der erkennende Senat folgt auch bei voller Würdigung dieser Kritik gleichwohl im Ergebnis der vom VI. Senat in BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138 vertretenen Rechtsansicht. Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i. S. von § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. Das Tatbestandsmerkmal "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" setzt voraus, daß Ersatz für Einnahmen geleistet wird, die ausgefallen sind und daß diese Einnahmen - ihr Zufluß unterstellt - unter eine der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG genannten Einkunftsarten gefallen wären (vgl. hierzu unter b). Ersatz "für" Einnahmen wird gewährt, wenn die Ersatzleistung unmittelbar dazu dient, den Verlust der entgangenen oder entgehenden Einnahmen voll oder z. T. auszugleichen. Diese Voraussetzung ist nicht ohne weiteres bereits dann erfüllt, wenn die Ersatzleistung durch den Verlust lediglich bedingt ist. Erforderlich ist vielmehr auch, daß Ersatzleistung und entfallene Einnahmen in der Weise zusammenhängen, daß die Ersatzleistung einen unmittelbaren und objektiven Bezug zu den entgangenen Einnahmen hat. Dabei genügt es, daß die Ersatzleistung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zu den entgangenen oder entgehenden Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit steht. Entschädigungszahlungen, die Ausfluß der privaten Sphäre sind, können daher bei lediglich formal-logischer Ursachenverknüpfung mit entgangenen oder entgehenden Einnahmen nicht den steuerpflichtigen Einnahmen zugerechnet werden.

a) Bei Streikunterstützungen ist der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang zu den entgangenen oder entgehenden Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gegeben. Die Streikgelder dienen unmittelbar dazu, den streikbedingten Lohnausfall auszugleichen und haben einen objektiven Bezug zu den entgangenen Einnahmen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Ein Streik führt zur Suspendierung des Dienstverhältnisses (Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts - BAG - vom 21. April 1971 GS 1/68, BAGE 23, 292). Infolge des Streiks verlieren die Arbeitnehmer für die Dauer des Arbeitskampfes u. a. ihren Anspruch auf Arbeitslohn. Dadurch entgehen ihnen Einnahmen i. S. von § 19 Abs. 1 EStG. Dieser Lohnausfall wird durch die Streikunterstützungen - jedenfalls z. T. - ausgeglichen. Die Streikunterstützungen treten für die Empfänger objektiv an die Stelle des entfallenen Arbeitslohns. Die Funktion der Streikunterstützungen als Lohnersatz wird insbesondere dadurch deutlich, daß die Streikgelder nur während der Zeit des streikbedingten Lohnausfalls gezahlt werden. Auch das BAG spricht insoweit von der großen kompensatorischen Bedeutung der Streikunterstützungen (Urteil vom 10. Juni 1980 I AZR 822/79, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1980, 1642, 1648, Abschn. V Nr. 2b). Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen entgangenem Arbeitslohn und Streikunterstützung zeigt sich im übrigen auch darin, daß die Streikgelder nicht an sämtliche Gewerkschaftsmitglieder in gleicher Höhe, etwa unter zusätzlicher Berücksichtigung der jeweiligen Unterhaltspflichten und der Dauer der Mitgliedschaft, geleistet werden. Die Höhe der gewährten Streikunterstützungen ist vielmehr grundsätzlich lohnbezogen. Dies ergibt sich daraus, daß der Umfang der Streikunterstützungen sich in erster Linie nach der Höhe der Gewerkschaftsbeiträge bemißt. Letztere wiederum richten sich grundsätzlich nach der Höhe des jeweiligen Arbeitslohns. Diese Berechnungsmethode der Streikunterstützungen kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht als bedeutungslos angesehen werden. Sie verdeutlicht vielmehr den Charakter der Streikgelder als Lohnsurrogat.

Der steuerrechtlichen Beurteilung der Streikunterstützungen als Lohnersatz steht nicht entgegen, daß die Gewerkschaft die Zahlung der Streikgelder als Instrument des Arbeitskampfs versteht. Der erkennende Senat folgt der Auffassung des VI. Senats in BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138, daß das Motiv der Entschädigungsleistung für deren steuerrechtliche Qualifizierung unbeachtlich ist. Entscheidend ist, daß die Streikunterstützungen aus der Sicht der Empfänger objektiv an die Stelle des entfallenen Arbeitslohns treten. Deshalb ist es in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, daß der Lohnersatz weder unmittelbar vom Arbeitgeber noch auch nur in dessen Interesse gezahlt wird. Im übrigen setzen weder Wortlaut noch Sinn des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG voraus, daß die Entschädigungen von demjenigen gewährt werden, der zur Leistung der entgangenen Einnahmen verpflichtet wäre (v. Bornhaupt, Betriebs-Berater - BB - 1980, Beilage Nr. 7 S. 12). Das Gesetz verlangt lediglich den Ausgleich eines Schadens, ohne zu regeln, von wem die Ersatzleistung erbracht sein muß. Demzufolge hat bereits der Reichsfinanzhof (RFH) das Vorliegen einer Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht deshalb verneint, weil sie von einem Dritten geleistet worden war (Urteil vom 3. Oktober 1928 VI A 1148/23, RStBl 1928, 363). Abgesehen davon ist es allgemein anerkannt, daß Arbeitslohn von einem Dritten gezahlt werden kann (vgl. z. B. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dies gilt erst recht für Entschädigungen, die regelmäßig vom Schadenverursacher, der häufig mit dem Empfänger der Ersatzleistung nicht in vertraglichen Beziehungen steht, geleistet wird. So ist seit langem anerkannt, daß Schadenersatzleistungen, die ein Arbeitnehmer von einem Dritten erhält, weil er wegen einer ihm von diesem zugefügten Verletzung sein Dienstverhältnis auflösen muß, gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Entschädigung zu versteuern sind (RFH-Urteil vom 10. Februar 1939 IV 262/38, RFHE 46, 183, RStBl 1939, 907). Dies gilt entsprechend für Streikunterstützungen, die die Gewerkschaft ihren Mitgliedern gewährt.

Der Zusammenhang zwischen Streikunterstützungen und entgangenem Arbeitslohn entfällt nicht deshalb, weil Streikgelder - jedenfalls z. T. - aus den Mitgliedsbeiträgen der Gewerkschaftsmitglieder stammen. Daß damit außer dem Dienstverhältnis eine weitere Ursache für den Zufluß der Streikgelder von Bedeutung ist, ändert jedoch nichts daran, daß die Streikunterstützungen nicht als Ausfluß der privaten, sondern vielmehr der beruflichen Sphäre anzusehen sind. Der Zweck der Gewerkschaften ist insbesondere auf die unmittelbare Förderung der rein beruflichen Bedingungen der angeschlossenen Mitglieder gerichtet. Dieses Ziel verfolgen die Gewerkschaften durch berufsbezogene Maßnahmen, und zwar notfalls auch mit den Mitteln des Arbeitskampfes. Im Hinblick auf Ziel und Zweck der gewerkschaftlichen Betätigung werden die Beiträge der Gewerkschaftsmitglieder gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 3 EStG als Werbungskosten anerkannt (BFH-Urteil vom 28. November 1980 VI R 193/77, BFHE 132, 431, BStBl II 1981, 368). Diese steuerrechtliche Beurteilung der Gewerkschaftsbeiträge als Werbungskosten trägt dem Umstand Rechnung, daß die Beziehungen des einzelnen Mitglieds zu der Gewerkschaft aus der privaten Sphäre herausgelöst und dem beruflichen Bereich zugeordnet sind. Aus diesem Grund lassen sich Streikunterstützungen nicht mit Versicherungsleistungen aus einer privat abgeschlossenen Streikversicherung vergleichen. Deshalb ist auch die Vorschrift des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 LStDV - wie dies bereits der VI. Senat in BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138, entschieden hat - im Streitfall nicht einschlägig. Abgesehen davon betrifft letztere Vorschrift, worauf der VI. Senat ebenfalls hingewiesen hat, nur solche Bezüge, die auf früheren Leistungen des Arbeitnehmers für die Zukunftssicherung beruhen. Die Arbeitnehmer erbringen jedoch ihre Beiträge zur Gewerkschaft nicht für die Zwecke ihrer Zukunftssicherung, sondern zur Unterstützung der Durchsetzung gewerkschaftlicher Ziele.

b) Der Einwand, § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG habe nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteil vom 20. Juli 1978 IV R 43/74, BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9) lediglich klarstellende Bedeutung, steht der Besteuerung der Streikunterstützungen nicht entgegen. Dem Wortsinn nach ist in § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG vorausgesetzt, daß Einnahmen entgangen sind oder entgehen werden, d. h. die "ursprünglichen" Einnahmen nicht mehr erzielbar sind und dafür ein Ausgleich gewährt wird, der zu den Einkünften i. S. von § 2 Abs. 1 EStG gehört. Durch § 24 EStG wird die Steuerpflicht der dort aufgezählten Einnahmen im Hinblick auf die Rechtsentwicklung klargestellt. Denn durch die vom EStG 1925 vollzogene Abkehr des Einkommensteuerrechts von dem weiten Einnahmenbegriff der Reinvermögenszuwachstheorie und die Beschränkung auf sieben Einkunftsarten war zweifelhaft geworden, ob die in § 44 EStG 1925 - dem Vorgänger von § 24 EStG - aufgeführten Entschädigungen noch steuerpflichtig waren (BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9). Daß dies der Fall war, wurde durch § 44 EStG 1925 klargestellt. § 24 EStG entspricht § 44 EStG 1925. In Übereinstimmung hiermit regelt § 2 Abs. 1 Satz 2 EStG, daß § 24 EStG zu den Vorschriften gehört, nach denen sich bestimmt, welcher Einkunftsart die Einkünfte im Einzelfall zuzuordnen sind. Hieraus und aus dem Wort "auch" in dem Einleitungssatz des § 24 EStG hat die Rechtsprechung entnommen, daß die in der Vorschrift genannten Einnahmen keine neue selbständige Einkunftsart bilden, sondern daß die "Ersatzeinnahmen" unter dieselbe Einkunftsart fallen, zu der die "ursprünglichen" Einnahmen, wären sie erzielt worden, gehört hätten (BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9). § 24 EStG regelt insoweit die Zuordnung der Surrogate zu den einzelnen Einkunftsarten und besagt, daß zu den Einkunftsarten i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG auch die Entschädigungen gehören, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Hieraus folgt für die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, daß die entgangenen oder entgehenden "ursprünglichen" Einnahmen zu den nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG steuerpflichtigen Einkünften gehören müssen. Dabei müssen lediglich die "ursprünglichen" Einnahmen, nicht auch die "Ersatzeinnahmen" den Tatbestand einer der sieben Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG erfüllen.

Der Senat folgt nicht der gegenteiligen Auffassung des Klägers, wonach auch für den Ersatz von Arbeitslohn i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 19 EStG (§ 2 LStDV) gegeben sein müßten. Bei einem solchen Verständnis des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG liefe diese Vorschrift leer (so bereits BFH-Urteil vom 17. Dezember 1959 IV 223/58 S, BFHE 70, 195, BStBl III 1960, 72).

c) Der Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steht nicht entgegen, daß die hier einschlägige Satzung den Gewerkschaftsmitgliedern nicht ausdrücklich einen Rechtsanspruch gegen die Gewerkschaft auf Zahlung von Streikunterstützungen gewährt. Die von der Rechtsprechung geforderte Voraussetzung, daß Entschädigungsleistungen auf einer besonderen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruhen müssen (BFH-Urteil vom 25. März 1975 VIII R 183/73, BFHE 115, 472, BStBl II 1975, 634), stellt zum Zwecke der Verhinderung einer nicht gerechtfertigten Inanspruchnahme der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 und 2 EStG klar, daß bloße Erfüllungsleistungen aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis keine Entschädigungen i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sind. Da es sich bei den Streikgeldern ganz offensichtlich nicht um Erfüllungsleistungen aus dem Dienstverhältnis handelt, kann die Anwendung des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht am Fehlen eines ausdrücklichen Rechtsanspruchs scheitern. Abgesehen davon beruht die Zahlung der Streikunterstützungen auf einer Billigkeitsgrundlage. Diese ergibt sich aus den durch die Mitgliedschaft zur Gewerkschaft geschaffenen Rechtsbeziehungen, insbesondere aus den ins einzelne gehenden Regelungen des § 23 der Satzung über die Bemessung der Streikunterstützungen sowie aus der Tatsache, daß in der Vergangenheit bei vom Gewerkschaftsvorstand beschlossenen Arbeitsniederlegungen Streikunterstützungen tatsächlich regelmäßig gewährt wurden.

d) Der Unterstützungscharakter der Streikgelder hindert nicht deren Besteuerung. Nach § 3 Nr. 11 EStG sind zwar Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit gewährt werden, einkommensteuerfrei. Die Anwendung dieser Vorschrift auf den Streitfall scheitert bereits daran, daß Streikunterstützungen nicht aus öffentlichen Mitteln i. S. von § 3 Nr. 11 EStG stammen. Die Annahme öffentlicher Mittel i. S. dieser Vorschrift würde voraussetzen, daß die Mittel aus einem öffentlichen Haushalt stammen, der einer besonderen öffentlich-rechtlichen Kontrolle durch Rechnungshöfe oder dergl. unterliegt. Eine solche Kontrolle ist im Streitfall nicht vorgesehen. Danach bedarf es - entgegen der Auffassung von Martens (a. a. O., S. 78) - keiner Stellungnahme dazu, ob Gewerkschaften überhaupt öffentlich-rechtliche Körperschaften sind (vgl. hierzu Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 63 ff., 72).

Die Anwendung von Abschn. 14 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) scheidet im Streitfall deshalb aus, weil es sich bei den Streikunterstützungen nicht um Unterstützungen privater Arbeitgeber handelt. Außerdem werden die Streikgelder an die einzelnen Arbeitnehmer nicht nach Maßgabe von Abschn. 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 LStR gezahlt.

e) Der VI. Senat ist in seinem Urteil in BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138 davon ausgegangen, daß die Streikunterstützungen aus einer ohne oder gegen den Willen der Arbeitnehmer eintretenden Sachlage herrühren. Der erkennende Senat kann offenlassen, ob dieser Auffassung beizutreten ist. Denn nach der neueren Erkenntnis des BFH (vgl. z. B. BFHE 125, 271, BStBl II 1979, 9) setzt die Annahme einer Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht mehr voraus, daß das zur Entschädigung führende Ereignis ohne oder gegen den Willen des Steuerpflichtigen eingetreten sein muß. Nach dieser Rechtsprechung schließt selbst die unmittelbare Verursachung des Schadens durch den Steuerpflichtigen die Annahme einer Entschädigung jedenfalls dann nicht aus, wenn der Steuerpflichtige unter einem nicht unerheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen oder tatsächlichen Druck gehandelt hat. Es kann zweifelhaft sein, ob es im Streitfall nicht schon an einer unmittelbaren Verursachung des schadenstiftenden Ereignisses durch den einzelnen Arbeitnehmer fehlt. Nach den einsichtigen Darlegungen von Kruse (a. a. O., S. 18) ist der entscheidende Akt der Streikwillensbildung nicht die Urabstimmung der Arbeitnehmer, sondern die Genehmigung des Streiks durch den Vorstand der Gewerkschaft. In Übereinstimmung hiermit setzen Arbeitseinstellungen nach § 22 Nr. 1 der im Streitfall einschlägigen Satzung einen Beschluß des Vorstands voraus. Damit ist indes unmittelbar ursächlich für den Schaden des einzelnen Arbeitnehmers, den dieser durch den Streik erleidet, nicht die Urabstimmung oder deren Ergebnis, sondern der Streikbeschluß des Vorstands. Mag auch ein bestimmtes Ergebnis der Urabstimmung Voraussetzung für den Streikbeschluß sein (§ 22 Nr. 7 der Satzung), so beruht der Streik gleichwohl nur mittelbar auf dem Willen der einzelnen Gewerkschaftsmitglieder. Eine nur mittelbare Mitwirkung eines Steuerpflichtigen an dem schadenstiftenden Ereignis schließt jedoch die Annahme einer Entschädigung i. S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG grundsätzlich nicht aus. Abgesehen davon ist die Annahme gerechtfertigt, daß die zum Streik aufgerufenen Gewerkschaftsmitglieder unter einem nicht unerheblichen wirtschaftlichen bzw. tatsächlichen Druck stehen. Bei einem Streik geht es um erhebliche, über das einzelne Arbeitsverhältnis und regelmäßig auch über den einzelnen Betrieb hinausreichende wirtschaftliche Interessen. Wird zudem berücksichtigt, daß Streiks nur als allerletztes Mittel zur Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen bei anders nicht lösbaren Interessenkonflikten einzusetzen sind (Urteil des BAG in NJW 1980, 1642; vgl. auch § 4 Neue Arbeitskampfrichtlinien des DGB, beschlossen am 5. Juni 1974; Scholz in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 9, Rdnr. 318), ist bei dem einzelnen Gewerkschaftsmitglied schon im Hinblick auf die Ausweglosigkeit der zwischen den Tarifvertragsparteien geführten Verhandlungen von einem erheblichen tatsächlichen Druck auszugehen. Es kommt hinzu, daß das einzelne Gewerkschaftsmitglied im Zusammenhang mit dem Streikgeschehen in ein größeres Ganzes eingebunden ist und sich den satzungsgemäß gefaßten Beschlüssen der Gewerkschaftsorgane wegen der vom Kollektiv erwarteten Solidarität in aller Regel verpflichtet fühlen wird.

4. Durchgreifende Bedenken gegen die Steuerpflicht von Streikunterstützungen ergeben sich nicht aus Art. 9 Abs. 3 GG. Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, wird durch die Besteuerung der Streikunterstützungen nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise eingeschränkt. Das GG gewährleistet das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nicht ohne Schranken, auch wenn Art. 9 Abs. 3 GG ausdrücklich keine Ermächtigung zu staatlichen Eingriffen vorsieht.

a) Das Recht zur Gründung von Gewerkschaften sowie die Koalitionsbestandsgarantie werden durch die Besteuerung von Streikunterstützungen nicht verletzt (vgl. Scholz, a. a. O., Art. 9, Rdnr. 243 ff.). Denn die Besteuerung von Streikunterstützungen ist auf die gemäß Art. 3 GG gebotene gleichmäßige Besteuerung von Arbeitslohn und Arbeitslohnersatz gerichtet und beeinträchtigt nicht zielgerichtet Gründung oder Bestand von Gewerkschaften.

b) Die Steuerpflicht der Streikunterstützungen kann allerdings Auswirkungen auf die Koalitionsbetätigungsfreiheit der Gewerkschaften haben. Denn durch die Besteuerung der Streikunterstützungen wird, worauf Martens (a. a. O., S. 77) zutreffend hinweist, das Durchhaltevermögen der Gewerkschaften bei Streiks vermindert. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Normsetzungsbefugnis des Gesetzgebers im Bereich der Koalitionsbetätigungsfreiheit sehr weit reicht. So ist anerkannten Rechts, daß z. B. die gesetzliche Begrenzung der Arbeitszeit, die Lohnzahlungspflicht an Wochenarbeitstagen, die zwingende Urlaubsregelung und andere Vorschriften (vgl. z. B. § 25 des Kündigungsschutzgesetzes - KSchG - und § 116 des Arbeitsförderungsgesetzes - AFG -) mit der Koalitionsfreiheit vereinbar sind, obwohl sie dem Bestreben der Koalitionen, die Arbeitsbedingungen so günstig wie möglich zu gestalten, Grenzen ziehen (Nikisch, a. a. O., S. 23 ff.). Die Grenzen zulässiger gesetzlicher Regelungen liegen erst dort, wo solche Regelungen die Betätigungsfreiheit sachwidrig hemmen (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 18. November 1954 1 BvR 629/52, BVerfGE 4, 96, 106 ff.; vom 6. Mai 1964 1 BvR 79/64, BVerfGE 18, 18, 27) oder in ihrem Kern antasten (BVerfGE 4, 106 ff.; vom 30. November 1965 2 BvR 54/52, BVerfGE 19, 303, 321 ff.). Aus dieser Sicht ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Streikunterstützungen einkommensteuerrechtlich als steuerpflichtige Entschädigungen behandelt werden. Hierdurch wird auf seiten der Arbeitnehmer dem Gebot der gleichmäßigen Besteuerung von Arbeitslohn und Arbeitslohnsurrogaten im Interesse einer Besteuerung nach der steuerlichen Leistungsfähigkeit Rechnung getragen. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es nämlich kaum zu verstehen, daß z. B. ein Arbeitnehmer mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 36.000 DM durch eine wesentlich höhere Einkommensteuerschuld belastet sein soll als ein Arbeitnehmer, der zwar nur einen Arbeitslohn von 30.000 DM bezogen hat, dem daneben jedoch Streikgelder in Höhe von 6.000 DM zugeflossen sind.

Im übrigen können auch Erwägungen zum Grundsatz der Kampfparität der Tarifvertragsparteien nicht völlig außer Betracht bleiben. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß Streikunterstützungen und Zahlungen aus den Streikabwehrfonds nach der Rechtsprechung des BAG im Hinblick auf die Kampfparität vergleichbar sind (Urteil in NJW 1980, 1642, 1948; vgl. auch Beck, a. a. O., S. 486, und Wiener, Nichteinkommensteuerpflichtige Einkünfte, in Schriftenreihe des Instituts für Steuerrecht der Universität Köln, Bd. 26 S. 83).

5. Die Besteuerung der Streikunterstützungen steht in Einklang mit dem Grundsatz der Einkommensbesteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Diesem systemtragenden Prinzip des Einkommensteuerrechts (vgl. Tipke, Steuerrecht, 8. Aufl., S. 23 ff.) entspräche es an sich, Lohnsurrogate grundsätzlich der Einkommensteuer zu unterwerfen. Soweit mithin Lohnersatz - etwa aus sozialpolitischen Gründen - nicht besteuert werden soll, bedarf es ausdrücklicher gesetzlicher Befreiungsvorschriften. Aus diesem Grund sind z. B. die Leistungen aus der Krankenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 3 Nr. 1 a EStG) sowie das Arbeitslosen-, Kurzarbeiter- und Schlechtwettergeld (§ 3 Nr. 2 EStG) aufgrund ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen von der Einkommensteuer freigestellt. Für Streikunterstützungen fehlt es an einer entsprechenden gesetzlichen Befreiungsvorschrift, obwohl der Gesetzgeber - und zwar in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Besteuerung der Streikunterstützungen in BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138 sowie in Kenntnis der ständigen, und zwar einheitlichen Verwaltungsübung (vgl. z. B. Erlaß des Finanzministeriums Bayern vom 28. Februar 1964, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Einkommensteuergesetz, § 24 Nr. 6; Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 3. März 1971, StEK, Einkommensteuergesetz, § 24 Nr. 18) - das EStG in Zusammenhang mit der Besteuerung von Lohnsurrogaten erst kürzlich durch die Einfügung des sog. Progressionsvorbehalts (§ 32b EStG i. d. F. des 2. Haushaltsstrukturgesetzes) geändert hat (vgl. auch die Begründung zu § 132 des Regierungsentwurfs eines EStG 1975, BTDrucks 7/1470 S. 303, wo Streikunterstützungen - allerdings nur beiläufig - als Beispiel für steuerpflichtige Vergütungen, die zwar mit dem Dienstverhältnis in Zusammenhang stehen, aber nicht für eine Arbeitsleistung gezahlt werden, angeführt sind). Im Hinblick hierauf und weil in dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit wesentliche neue Gesichtspunkte nicht vorgetragen worden sind, sieht der Senat keinen Anlaß, die vom VI. Senat in BFHE 100, 504, BStBl II 1971, 138 vertretene Rechtsansicht aufzugeben.

6. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Da die Streikunterstützungen zu den steuerpflichtigen Einnahmen gehören, war die Klage als unbegründet abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).