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BFH-Beschluß vom 28.4.1982 (I R 89/77) BStBl. 1982 II S. 556

Der I. Senat legt dem Großen Senat des BFH - zu Nr. 1 gemäß § 11 Abs. 3 FGO, zu Nr. 2 gemäß § 11 Abs. 4 FGO - folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vor:

1. Sind eine gegen eine GmbH verhängte Geldstrafe gemäß § 890 der Zivilprozeßordnung a. F. sowie eine gegen die GmbH verhängte Geldbuße wegen Verstoßes gegen § 38 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 3. Januar 1966 (BGBl I, 37) als Betriebsausgaben abzugsfähig?

2. Sind die mit den genannten Verfahren zusammenhängenden Gerichts- und Anwaltskosten als Betriebsausgaben abzugsfähig?

KStG a.F. § 6 Abs. 1 Satz 1; EStG § 4 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Der Anrufung des Großen Senats liegt der folgende Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH - stellt ... her. Durch einstweilige Verfügung wurde ihr verboten, bestimmte Werbeproben kostenlos zu verteilen. Wegen fortgesetzter Zuwiderhandlung gegen die einstweilige Verfügung wurde die Klägerin gemäß § 890 der Zivilprozeßordnung (ZPO) in der bis zum 1. Januar 1975 gültigen Fassung - a. F. - durch Beschluß des LG zu einer Geldstrafe von 10.000 DM verurteilt. Sie hatte die Kosten des Bestrafungsverfahrens zu tragen. Die Beschwerde der Klägerin wurde vom Oberlandesgericht kostenpflichtig zurückgewiesen.

Ferner hatte das Bundeskartellamt wegen unzulässiger Preisempfehlungen gemäß § 38 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 3. Januar 1966 (BGBl I, 37) i. V. m. § 26, 33 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 24. Mai 1968 (BGBl I, 481) gegen die Klägerin eine Geldbuße von 3.000 DM festgesetzt. Die Klägerin erhob Einspruch. Das Kammergericht setzte die Geldbuße in gleicher Höhe fest. Die Kosten des Verfahrens wurden der Klägerin auferlegt.

In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1972 setzte die Klägerin die Geldstrafe, die Geldbuße und die Verfahrenskosten als Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte die Berücksichtigung dieser Aufwendungen ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) hat die Klägerin Revision eingelegt, die das FG zugelassen hat. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Begriff der Betriebsausgaben verkannt. Die durch einstweilige Verfügung untersagte Werbegeschenkaktion und die inkriminierte Preisempfehlung hätten dazu gedient, neue Absatzmärkte zu gewinnen und der Klägerin ein stabiles Preisgefüge zu sichern. Bei den hier streitigen Ausgaben - Strafe, Busse und Verfahrenskosten - handle es sich um Wertabgaben des Unternehmens aus betrieblichem Anlaß, die das Endvermögen verringerten, das dem Betriebsvermögensvergleich zugrunde gelegt werde. Soweit Betriebsausgaben vom Abzug ausgeschlossen sein sollen, bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage. Eine solche sei weder im Körperschaftsteuergesetz (KStG) noch im Einkommensteuergesetz (EStG) enthalten.

Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er führt aus, wenngleich die betriebliche Veranlassung von Geldstrafen und Geldbußen nicht generell verneint werden könne, sei deren Abzug gleichwohl nicht zuzulassen. Sanktionen strafrechtlicher Art büßten ihre Bedeutung als Abschreckung und Sühne ein, wenn sie gleichzeitig als Betriebsausgaben anerkannt und damit im Verständnis des Bürgers "begünstigt" würden. Der Staat würde sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen. Gegenüber Unternehmern, die sich gewissenhaft an die Gesetze hielten, wäre es nicht zu vertreten, wenn ihre Konkurrenten, die es weniger genau nähmen, nicht die Folgen ihres gesetzwidrigen Verhaltens selbst tragen müßten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist zulässig.

Die Klägerin hatte bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist noch keinen besonderen Revisionsantrag gestellt. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision gehört, daß die Revision oder Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthält (§ 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Schon aus der Revisionsbegründung der Klägerin ergibt sich, daß sie die Aufhebung der Vorentscheidung erstrebt und ihren Klageantrag, die streitigen Aufwendungen als Betriebsausgaben abzusetzen, weiterverfolgt. Damit war in der Revisionsbegründung das Ziel der Revision hinreichend verdeutlicht.

III.

Der Senat beabsichtigt, der Revision stattzugeben. Er hält im Streitfall die Ordnungsstrafe, die Geldbuße und die Verfahrenskosten für abzugsfähig. Der Senat ist der Ansicht, daß an der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht mehr festgehalten werden kann.

1. a) Der Abzug von Geldstrafen und Geldbußen ist weder im Einkommensteuer- noch im Körperschaftsteuerrecht geregelt. Ihre Abzugsfähigkeit ist seit Jahrzehnten umstritten.

Der Reichsfinanzhof (RFH) hat zunächst zwischen Kriminalstrafen und polizeilichen Geldstrafen oder behördlichen Ordnungsstrafen unterschieden. Kriminalstrafen hat er grundsätzlich nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen. Bei berufsbedingten Verstößen gegen Wirtschaftsgesetze oder besondere Betriebsvorschriften hat der RFH die Strafen oder Geldbußen als abzugsfähige Betriebsausgaben angesehen (Urteile vom 31. Oktober 1928 VI A 1147/28, RStBl 1929, 83; vom 20. August 1930 VI A 1386/30, RStBl 1931, 103; vom 20. Januar 1937 VI A 22/37, RStBl 1937, 427; vom 17. August 1938 VI 440/38, RStBl 1939, 229).

Mit Erlaß vom 4. Februar 1939 (RStBl S. 251) ordnete der Reichsminister der Finanzen (RdF) an, daß Ordnungsstrafen künftig nicht mehr abzugsfähig sein sollten. Daraufhin gab der RFH seine bisherige Meinung auf, weil sich die tatsächlichen Verhältnisse und die Volksanschauungen geändert hätten; eine Ordnungsstrafe habe selbst dann Strafcharakter, wenn sie sich gegen das Unternehmen richte (Urteile vom 8. März 1939 VI 175/39, RFHE 46, 236, RStBl 1939, 507; vom 28. März 1939 I 27/39, RFHE 46, 270, RStBl 1939, 628, und vom 16. Oktober 1941 III 142/41, RFHE 51, 45, RStBl 1941, 973). Dem ist der Oberste Finanzgerichtshof (OFH) in dem Urteil vom 24. Oktober 1947 IV 12/47 S (Steuer und Wirtschaft - StuW - 1947, Teil II, Sp. 65, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 1) beigetreten. In dieser Entscheidung ist die Behauptung, der RFH habe seine Rechtsprechung auf Veranlassung des RdF aus typisch nationalsozialistischen Gedankengängen geändert, zurückgewiesen worden.

Die Rechtsprechung des BFH hat - trotz heftiger Kritik - an der geänderten Rechtsprechung des RFH (vgl. RFHE 46, 236, RStBl 1939, 507) festgehalten. In der ersten veröffentlichten Entscheidung des BFH vom 21. Juli 1955 IV 373/54 U (BFHE 61, 361, BStBl III 1955, 338) tritt der früher angeführte Gedanke, daß strafbare Handlungen nicht den Betrieb, sondern den privaten Lebensbereich des Täters angingen, auch wenn sie eng mit dem Betrieb zusammenhingen, zurück. Dafür wird der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung in den Vordergrund gestellt. Geldstrafen dürften nicht mittelbar dadurch gemildert oder gar aufgehoben werden, daß ihre Entrichtung zu einer Steuersenkung führe; das widerspreche dem Strafzweck. Der Täter dürfe nicht einen Teil der Strafe durch Minderung seiner Steuer auf die Allgemeinheit abwälzen können (ebenso BFH-Urteil vom 6. November 1968 I R 12/66, (BFHE 94, 56, BStBl II 1969, 74). Dem folgt das BFH-Urteil vom 10. September 1957 I 322/56 S (BFHE 65, 471, BStBl III 1957, 415) hinsichtlich der Geldbußen, die wegen Ordnungswidrigkeiten verhängt werden. In dieser Entscheidung wird zwar ausdrücklich vermerkt, daß eine kriminelle Straftat und eine Ordnungswidrigkeit sich in ihrem Unrechtsgehalt unterscheiden können. Gleichwohl wird eine Unterscheidung nach dem Unrechtsgehalt, um davon den Betriebsausgabenabzug der Geldstrafe oder Geldbuße abhängig zu machen, abgelehnt. Maßgebend ist nach dieser Entscheidung, ob ein vom Gesetz unter Strafe gestellter Verstoß gegen das Gemeinwohl vorliegt.

In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der BFH in dem Urteil vom 18. Mai 1972 IV R 122/68 (BFHE 105, 486, BStBl II 1972, 623) die gegen einen Sachverständigen verhängte Ordnungsstrafe nach § 411 ZPO a. F. nicht zum Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zugelassen. Ebenso ist in dem Urteil vom 18. Dezember 1975 IV R 12/72 (BFHE 118, 307, BStBl II 1976, 370) eine gebührenpflichtige Verwarnung nach § 22 des Straßenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1952 (BGBl I, 837) i. d. F. des Gesetzes vom 16. Juli 1957 (BGBl I, 710) nicht als Betriebsausgabe anerkannt worden. Es handle sich zwar nicht um eine Geldstrafe oder Geldbuße, sie habe auch keinen strafähnlichen Charakter. Sie sei jedoch die Folge eines Verstoßes gegen die Rechtsordnung und trete lediglich an die Stelle der sonst verwirkten Strafsanktion.

Im Beschluß des Großen Senats vom 28. November 1977 GrS 2-3/77 (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105) wird ausgeführt, daß die Versagung des Abzugs von Geldstrafen auf dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung beruhe und dem Abzug anderer Kosten eines schuldhaft verursachten betrieblichen Verkehrsunfalls nicht entgegenstehe.

In den Urteilen in RFHE 46, 270, RStBl 1939, 628 und BFHE 65, 471, BStBl III 1957, 415 ist ferner ausdrücklich hervorgehoben worden, daß der Betriebsausgabenabzug aus den aufgezeigten Gründen auch dann entfällt, wenn eine Geldstrafe oder Geldbuße gegen eine Handelsgesellschaft oder juristische Person verhängt worden ist.

Dagegen wurden bei der Einziehung von Gegenständen abzugsfähige Betriebsausgaben angenommen, weil die Einziehung keinen Strafcharakter habe (vgl. die BFH-Urteile vom 20. Januar 1959 I 135/58, StRK, Einkommensteuergesetz, § 4, Rechtsspruch 298, betreffend eine Ersatzeinziehung nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz; vom 14. Januar 1965 IV 49/63 U, BFHE 82, 85, BStBl III 1965, 278, betreffend die Einziehung von verfälschtem Wein nach dem Weingesetz; vom 23. Juli 1965 VI 9/64 U, BFHE 83, 233, BStBl III 1965, 585, betreffend die Abführung des Mehrerlöses nach dem Wirtschaftsstrafgesetz).

b) Nach den Grundsätzen der bisherigen Rechtsprechung wäre auch die gemäß § 890 ZPO a. F. verhängte Geldstrafe nicht abzugsfähig. Bei der Ordnungsstrafe (jetzt Ordnungsgeld) des § 890 ZPO a. F. handelt es sich nicht um eine Zwangs- oder Beugemaßnahme, sondern um eine strafähnliche Sanktion, die Verschulden voraussetzt (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 25. Oktober 1966 2 BvR 506/63, BVerfGE 20, 323). Die Ordnungsstrafe wird ähnlich wie eine Geldstrafe bemessen (Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 890 Anm. III). Bei juristischen Personen wird das Ordnungsmittel gegen die Gesellschaft gerichtet, wobei es auf das Verschulden des gesetzlichen Vertreters ankommt (Stein-Jonas, a. a. O., § 890 Anm. V).

c) Der Abzug von Strafverfahrenskosten als Betriebsausgaben ist ebenfalls aus dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung verweigert worden. In der Entscheidung in BFHE 61, 361, BStBl III 1955, 338 ist der Abzug von Verfahrenskosten unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des RFH sogar im Falle des Freispruchs verwehrt worden. Hiervon ist der BFH in den Entscheidungen vom 15. November 1957 VI 279/56 U (BFHE 66, 267, BStBl III 1958, 105) und vom 13. Oktober 1960 IV 63/59 S (BFHE 72, 45, BStBl III 1961, 18) im Falle eines Freispruchs abgegangen. Für den Fall der Verurteilung ist der BFH dabei verblieben, daß Gerichtskosten und die Kosten der Strafverteidigung nicht abzugsfähig sind (BFHE 94, 56, BStBl II 1969, 74). Die steuerrechtliche Gleichbehandlung der Kosten eines Strafverfahrens mit dem Verbot der Abzugsfähigkeit von Geldstrafen sei gerechtfertigt, weil die Tragung der Gerichtskosten die notwendige Folge der Verurteilung des Angeklagten sei.

2. Im Streitfall sind die von der Klägerin mit Geldstrafe und Geldbuße belegten Handlungen im betrieblichen Bereich begangen worden. Geldstrafe und Geldbuße sind der Sache nach Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG.

Die Vorschriften, die den Betriebsausgabenabzug beschränken oder versagen, stehen im Streitfall dem Abzug der Geldstrafe und Geldbuße als Betriebsausgaben nicht entgegen. § 4 Abs. 5 und 6 EStG enthält Einschränkungen der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben, die die Lebensführung des Betriebsinhabers oder dritter Personen berühren; dadurch sollen Mißstände beim Betriebsausgabenabzug verhindert werden. In Abs. 5 ist ein Katalog näher bezeichneter, bei der Gewinnermittlung ausscheidender Betriebsausgaben aufgestellt. In Abs. 5 Satz 2 (ab EStG 1975 in Abs. 5 Nr. 7) ist ferner bestimmt, daß andere als die im Katalog bezeichneten Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, bei der Gewinnermittlung insoweit ausscheiden, als sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind.

Mit der Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben befassen sich noch weitere Vorschriften. So sind Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörden nicht nachkommt, den Empfänger der Zahlungen genau zu benennen (§ 205a Abs. 2 und 3 der Reichsabgabenordnung - AO -, § 160 der Abgabenordnung - AO 1977 -). § 12 Nr. 1 EStG bestimmt außerdem, daß bei Einkommensteuerpflichtigen (natürlichen Personen) die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie der Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen. Die Vorschriften über die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben einschließlich der Vorschrift über die Einschränkung ihrer Abzugsfähigkeit sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG a. F. auch bei der Veranlagung von Körperschaften zur Körperschaftsteuer zu beachten. Nach § 12 KStG a. F. ist außerdem eine Reihe von Aufwendungen nicht abzugsfähig, die vornehmlich in der Sphäre körperschaftsteuerpflichtiger Gebilde vorkommen. Es sind insbesondere die Zweckaufwendungen und die Vergütungen an Mitglieder des Aufsichtsrats und an andere mit der Überwachung der Geschäftsführung beauftragte Personen.

Die aufgezeigte Regelung über den Betriebsausgabenabzug sagt ihrem Wortlaut nach nichts darüber aus, wie die durch Handlungen im betrieblichen Bereich verursachten und angefallenen Geldstrafen und Geldbußen in den Normenkomplex der abzugsfähigen und nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben einzuordnen sind. Aus den Vorschriften, die den Betriebsausgabenabzug verbieten oder einschränken, läßt sich äußerstenfalls nur soviel entnehmen, daß der Gesetzgeber den nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehenden Aufwand in besonderen Fällen und weiterhin Aufwendungen, die im Grenzbereich der steuerlich berücksichtigungsfähigen Gewinnverwendung liegen, vom Abzug als Betriebsausgaben ausschließen wollte. Bei dieser Gesetzeslage bleibt offen, warum der Gesetzgeber keine Regelung über die Abzugsfähigkeit oder Nichtabzugsfähigkeit des viel gravierenden Falles verhängter Geldstrafen oder Geldbußen getroffen hat. Der Gesamtkomplex der Regelung über den Abzug der Betriebsausgaben erweist sich damit als unvollständig. Es liegt eine Regelungslücke i. S. einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., S. 358) vor.

3. Die Schließung einer Gesetzeslücke ist nicht allein rechtspolitische Aufgabe des Gesetzgebers. Zur Lückenausfüllung sind auch die Gerichte bei der Entscheidung der an sie herangetragenen Streitfälle berufen. Jedoch muß sich der Richter im Bereich des Steuerrechts bei der Ausfüllung von Gesetzeslücken Zurückhaltung auferlegen. Er kann allenfalls durch Rechtsfortbildung den Steuertatbestand und damit die Steuerpflicht begrenzen (BVerfG-Urteil vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60, BVerfGE 13, 318, BStBl III 1962, 506). Nach dem BFH-Urteil vom 24. Januar 1974 IV R 76/70 (BFHE 111, 329, BStBl II 1974, 295) ist die Schließung einer Lücke in einem Steuergesetz im Wege der Analogie dann zulässig, wenn dies zu einer günstigeren Behandlung des Steuerpflichtigen führt. Unter dem Verfassungsprinzip des Rechtsstaates ist es aber bedenklich, wenn der Steuertatbestand vom Richter neu geschaffen oder ausgeweitet wird. In der Entscheidung in BVerfGE 13, 318 (328) wird unter Bezugnahme auf Bühler-Strickrodt (Steuerrecht, 3. Aufl., S. 658) darauf hingewiesen, daß das Steuerrecht von der primären Entscheidung des Gesetzgebers über die Steuerwürdigkeit bestimmter generell bezeichneter Sachverhalte getragen wird und dementsprechend aus dem Diktum des Gesetzgebers lebt.

Die bisherige Rechtsprechung hat den Betriebsausgabenabzug betrieblich veranlaßter Geldstrafen, Geldbußen und Ordnungsstrafen mangels einer Grundlage in den geltenden Steuergesetzen unter Hinweis auf die Einheit der Rechtsordnung abgelehnt; danach widerspricht es dem Strafzweck, wenn der Täter einen Teil der Geldstrafe oder Geldbuße durch Minderung seiner Steuer auf die Allgemeinheit abwälzen kann. Der erkennende Senat verkennt nicht, daß derartige Gründe den Gesetzgeber veranlassen können, durch eine diesbezügliche weitere Norm über die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs die Berücksichtigung von Geldstrafen und Geldbußen zu verbieten. Den Gerichten ist aber eine solche rechtsschöpferische Tätigkeit auf dem Gebiet des Steuerrechts versagt. Sie müssen sich an die aufgezeigten Grenzen halten, die einer solchen schöpferischen Rechtsfindung durch den Grundsatz der Bindung der Rechtsprechung an die geltenden Steuergesetze gezogen sind (vgl. BVerfG-Beschluß vom 14. Februar 1973 1 BvR 112/65, BVerfGE 34, 269, 288, allgemein zu den Grenzen schöpferischer Rechtsfortbildung).

4. Der erkennende Senat hält den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung nicht für eine hinreichende und tragfähige Rechtsgrundlage, den Abzug betrieblich veranlaßter Geldstrafen und Geldbußen zu versagen. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung beinhaltet nichts weiter als eine regulative Idee, alle aufgeworfenen Rechtsfragen auch rechtlich beantworten und die Lücken des positiven Rechts nach Möglichkeit schließen zu können (Englisch, Einführung in das juristische Denken, 7. Aufl., S. 160). Der Weg einer verschärfenden Lückenausfüllung ist aber den Steuergerichten versperrt.

Außerdem muß berücksichtigt werden, daß die Steuergerichte vielfach Sachverhalte zu würdigen haben, die von Steuerinländern im Ausland verwirklicht worden sind. Im Rahmen der hier anstehenden Fragen ist an die Fälle zu denken, daß ein inländischer Steuerpflichtiger aus betrieblicher Veranlassung im Ausland gegen dortige Wirtschaftsstrafbestimmungen verstößt und durch ein ausländisches Gericht zu einer Geldstrafe oder Geldbuße verurteilt wird. In Betracht kommt ferner, daß eine Behörde der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aufgrund von Verstößen gegen die Vorschriften des supranationalen Gemeinschaftsrechts in eigener Zuständigkeit eine Geldbuße gegen einen Steuerinländer verhängt; oder eine Behörde eines anderen Mitgliedstaates (z. B. der Niederlande) belegt einen Steuerinländer (Bundesbürger) mit einer Geldbuße wegen eines Verstoßes gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaften, möglicherweise in Tateinheit mit einem Verstoß gegen ihr innerstaatliches Wirtschaftsrecht und unter Anwendung ihres nationalen Verfahrensrechts. In allen diesen Fällen kann der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung - das ist der Einheit der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland - nicht durchgreifen.

Schließlich läßt sich aus der Bemessungspraxis der ordentlichen Gerichte nichts für die Abzugsfähigkeit von Geldstrafen und Geldbußen herleiten. Grundlagen für die Bemessung der Höhe insbesondere einer Geldbuße sind u. a. die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen, wie sie bei jeder Straffestsetzung, geringfügige Ordnungswidrigkeiten ausgenommen, zu berücksichtigen sind (so zuletzt Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19. September 1974 KRB 2/74, Neue Juristische Wochenschrift 1975, 269). Ist die Geldbuße von der festsetzenden Behörde nach dem Mehrerlös oder dem erlangten wirtschaftlichen Vorteil zu bemessen, ist nach der Entscheidung des Kammergerichts vom 28. November 1972 Kart 4/72 (Wirtschaft und Wettbewerb 1973, 273 ff.) die steuerliche Auswirkung des Bußgeldes nicht zu berücksichtigen. Ähnlich hat der BGH in der Entscheidung vom 18. Dezember 1981 2 Str 121/81 (Juristen-Zeitung 1982, 216) beim Verfall von Bestechungsgeldern entschieden: Wird der Verfall des Bestechungslohnes angeordnet, ist bei der Bemessung des Vermögensvorteils die Einkommensteuer grundsätzlich nicht abzuziehen.

IV.

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Rechtsauffassung kommt der Senat zu dem Ergebnis, daß die von der Klägerin aus betrieblichem Anlaß gezahlte Geldstrafe und Geldbuße abzugsfähig sind. Mit dieser Rechtsauffassung setzt er sich in Widerspruch zu der vom IV. Senat in den Urteilen in BFHE 105, 486, BStBl II 1972, 623, und in BFHE 118, 307, BStBl II 1976, 370 vertretenen Ansicht. Der IV. Senat hat auf Anfrage erklärt, daß er der beabsichtigten Abweichung nicht zustimmt. Wegen dieser Divergenz ist die Entscheidung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 3 FGO herbeizuführen.

Die mit der Verhängung der Geldstrafe und Geldbuße zusammenhängenden Gerichts- und Anwaltskosten hält der Senat ebenfalls für abzugsfähig. Der Senat hat einer entsprechenden Anfrage des VI. Senats zugestimmt. Der IV. Senat ist, wie er auf Anfrage des Senats erklärte, ebenfalls mit dem Abzug dieser Kosten einverstanden, sofern Bußgelder und Ordnungsstrafen betrieblich veranlaßt waren. Gleichwohl hält es der Senat für erforderlich, den Großen Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage gemäß § 11 Abs. 4 FGO anzurufen, weil der Abzug der Verfahrenskosten nach der bisherigen Rechtsprechung stets von dem Ausgang des Verfahrens über die Verhängung der Geldstrafe oder Geldbuße abhängig gemacht worden ist.