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BFH-Urteil vom 10.2.1982 (I R 195/79) BStBl. 1982 II S. 560

Die zur Gewährung einer Kohleprämie für Transportfahrzeuge des Anlagevermögens erforderliche räumliche und zeitliche Bindung an die im Fördergebiet belegene Betriebstätte (§ 32 Abs. 3 Nr. 1 KoG) ist auch dann gegeben, wenn die Fahrzeuge überwiegend zum Transport von Gütern zwischen zwei außerhalb des Fördergebiets liegenden Orten eingesetzt werden, die Einsatzfahrten jedoch in der Betriebstätte beginnen und dort enden.

KoG § 32 Abs. 3 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Transportunternehmen in W, dessen Betriebstätte er Anfang 1973 wegen einer Betriebserweiterung innerhalb des Ortes verlagerte. Der Bundesbeauftragte für den Steinkohlenbergbau und die Steinkohlenbergbaugebiete bescheinigte dem Kläger am 20. September 1974, daß seine Betriebserweiterung die Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der Steinkohlenbergbaugebiete (KoG) erfülle. Im Rahmen der Betriebserweiterung erwarb der Kläger in den Streitjahren 1970 bis 1972 verschiedene Transportfahrzeuge.

Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) dem Kläger für die Veranlagungszeiträume 1970 bis 1971 zunächst antragsgemäß eine Investitionsprämie gewährt hatte, sah er im Anschluß an eine Betriebsprüfung hinsichtlich der angeschafften Transportfahrzeuge die Voraussetzungen des § 32 KoG nicht für gegeben an.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1970 und 1971 sowie gegen den Einkommensteuerbescheid 1972 gab das Finanzgericht (FG) der Klage hinsichtlich der Investitionsprämie für einen im Jahr 1972 erworbenen Sattelzug statt. Im übrigen wies es die Klage ab. Für einen im Jahr 1970 angeschafften Sattelzug könne die Investitionsprämie nicht gewährt werden, weil dieser nach 2 1/2 Jahren wieder veräußert worden sei. Für drei in den Jahren 1970, 1971 und 1972 angeschaffte Tankfahrzeuge könne der Kläger deshalb keine Investitionsprämie beanspruchen, weil auch insoweit die Verbleibfrist des § 32 Abs. 3 Nr. 1 KoG nicht erfüllt sei. Zwar hätten die Fahrzeuge in der im Fördergebiet liegenden Betriebstätte des Klägers ihren Standort und seien auch dort gewartet worden. Da jedoch die Einsatzfahrten zu 80 v. H. außerhalb des Fördergebiets ausgeführt worden seien, fehle es an einer Nutzung im geförderten Gebiet.

Mit seiner Revision wendet sich der Kläger gegen die Versagung der Investitionsprämie für die drei Tankfahrzeuge. Zur Begründung bringt er im wesentlichen vor:

Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 3 Nr. 1 KoG seien erfüllt, da die Fahrzeuge unmittelbar zur Erzielung gewerblicher Einkünfte im Fördergebiet zur Verfügung stünden. Sie kehrten täglich zum Standort zurück und würden dort gewartet, gepflegt und instandgehalten. Für den Einsatz der Fahrzeuge würden auch Arbeitskräfte aus dem Fördergebiet (technisches Personal, Büropersonal, Fahrer) beschäftigt. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Berlinförderungsgesetz (BerlinFG) könne wegen der besonderen Lage des Fördergebiets Berlin für den Streitfall nicht herangezogen werden. Doch selbst wenn man mit dieser Rechtsprechung davon ausgehe, daß ein Fahrzeug nur dann in der Betriebstätte verblieben sei, wenn es im Verkehr von und nach dem Fördergebiet eingesetzt werde, ändere dies im Ergebnis nichts. Denn der Begriff "Verkehr" könne nicht als "beladener Transport "verstanden werden, sondern sei mit der im Straßenverkehr zurückgelegten Entfernung gleichzusetzen. Danach seien aber die Tankwagen ohne Unterbrechung im Verkehr von und nach dem Fördergebiet eingesetzt worden, da sie morgens den Standort im Fördergebiet verlassen, über den außerhalb des Fördergebiets liegenden Beladeort zum ebenfalls außerhalb liegenden Entladeort führen und schließlich wieder zum Standort zurückkehrten.

Der Kläger beantragt, "das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuerschulden 1970 bis 1972 unter Berücksichtigung der Kohleprämie festzusetzen".

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln und nach dem 30. April 1967 in einem Steinkohlenbergbaubetrieb eine Betriebstätte errichten oder erweitern, auf Antrag für die nach dem 30. April 1967 und vor dem 1. Januar 1972 (Begünstigungszeitraum) im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung der Betriebstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einen Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum der Anschaffung oder Herstellung bis zu 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen. Neben der Beibringung einer behördlichen Bescheinigung über die Förderungswürdigkeit der Investition (§ 32 Abs. 2 KoG) verlangt das Gesetz, daß das begünstigte Wirtschaftsgut mindestens drei Jahre nach seiner Anschaffung oder Herstellung in der errichteten oder erweiterten Betriebstätte verbleibt (§ 32 Abs. 3 Nr. 1 KoG).

2. Im Streitfall sind die Tankfahrzeuge während des maßgebenden Zeitraums in dem Betrieb des Klägers in W verblieben.

a) Bei Kraftfahrzeugen ist die Voraussetzung des dreijährigen Verbleibs in der Betriebstätte i. S. des § 32 Abs. 3 Nr. 1 KoG nur dann erfüllt, wenn sie in jedem Jahr des Dreijahreszeitraums überwiegend und regelmäßig im Verkehr innerhalb des förderungsbedürftigen Gebiets oder im Verkehr von und nach diesem Gebiet eingesetzt werden. Diese Auslegung des Begriffs "Verbleib in einer Betriebstätte im Fördergebiet" entspricht der Auslegung in den Entscheidungen des BFH zum BerlinFG (Urteile vom 17. Mai 1968 VI R 5/68, BFHE 92, 392, BStBl II 1968, 570, und vom 11. Juni 1969 I R 80/68, BFHE 96, 82, BStBl II 1969, 516), dessen wirtschaftspolitisches Ziel - die Wirtschaft bestimmter Gebiete zu fördern und damit die dort vorhandenen Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen - sich im wesentlichen mit dem des KoG deckt.

b) Entgegen der Auffassung des FG sind im Streitfall die Fahrzeuge des Klägers überwiegend regelmäßig im Verkehr von und nach dem Fördergebiet eingesetzt worden.

Die im Fördergebiet liegende Betriebstätte des Klägers ist nach den Feststellungen der Vorinstanz die einzige Betriebstätte seines Transportunternehmens. Die Vorinstanz hat auch nicht festgestellt, daß die Tankfahrzeuge des Klägers in dem maßgebenden Zeitraum in oder von einer fremden Betriebstätte aus zu Transportzwecken eingesetzt worden sind. Vielmehr haben die Fahrzeuge regelmäßig ihre Einsatzfahrten in der Betriebstätte in W begonnen und sind nach Beendigung jeder einzelnen Fahrt wieder dorthin zurückgekehrt. Die vom Gesetz geforderte räumliche Bindung der Fahrzeuge an die Betriebstätte ist damit niemals aufgehoben worden.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die Tanklastwagen überwiegend zum Transport von Gütern zwischen zwei außerhalb des Fördergebiets liegenden Orten eingesetzt worden sind. Der erkennende Senat hat zwar in seiner Entscheidung in BFHE 96, 82, BStBl II 1969, 516 ausgesprochen, daß die räumliche Bindung eines Fahrzeugs an ein Fördergebiet dann nicht mehr gegeben ist, wenn es überwiegend im Verkehr außerhalb des Fördergebiets eingesetzt wird und im Fördergebiet lediglich polizeilich zugelassen ist und dort seinen Standort nach dem Güterkraftverkehrsgesetz hat. Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Fall ist indes mit dem Sachverhalt des Streitfalls nicht vergleichbar. Denn dort hatte der Steuerpflichtige nicht nur eine im Fördergebiet belegene Betriebstätte, sondern außer einer Betriebstätte in Berlin noch drei weitere Betriebstätten in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik). Da die von den Betriebstätten in der Bundesrepublik aus durchgeführten Fahrten innerhalb der Bundesrepublik die Fahrten von der Berliner Betriebstätte in die Bundesrepublik und zurück überwogen, hat der Senat die Bindung an die Betriebstätte in Berlin nicht mehr als gegeben angesehen.

Im hier zu entscheidenden Fall haben dagegen alle Transportfahrten des Klägers im Verkehr von und nach der einzigen Betriebstätte in W stattgefunden - auch die Fahrten, mit denen Güter zwischen zwei außerhalb des Fördergebiets liegenden Orten befördert worden sind. Denn von einer Einsatzfahrt von und nach dem Fördergebiet kann nicht nur dann gesprochen werden, wenn ein Fahrzeug im sog. beladenen Verkehr zwischen der Betriebstätte und einem außerhalb des Fördergebiets liegenden Ort verkehrt. Vielmehr liegt eine solche Einsatzfahrt auch dann vor, wenn ein Fahrzeug im Rahmen eines Transporteinsatzes zunächst leer die Betriebstätte verläßt, an anderer Stelle Transportgut aufnimmt und nach dessen Beförderung wieder zur Betriebstätte zurückkehrt.

Die gegenteilige Auffassung würde weder den Besonderheiten des Transportgewerbes Rechnung tragen noch dem Förderungszweck des KoG gerecht werden. Vor allem die Transportunternehmer in den flächenmäßig kleinen Fördergebieten könnten, ohne den Verlust der Investitionsprämie befürchten zu müssen, eine wirtschaftlich sinnvolle Ausnutzung ihrer Beförderungskapazitäten nicht erreichen, wenn sie sich auf solche Transportfahrten beschränken müßten, deren Be- oder Entladeort innerhalb des Fördergebiets liegt. Eine Erweiterung ihrer Beförderungskapazitäten könnten die betroffenen Unternehmer erst recht nicht in Betracht ziehen. Damit aber wäre das wirtschaftspolitische Ziel des KoG, durch Investitionsanreize die Wirtschaftsstruktur der förderungsbedürftigen Gebiete zu verbessern und dort Arbeitsplätze zu sichern oder zu schaffen, verfehlt.

3. Die dem Kläger zustehende Investitionsprämie nach dem KoG berechnet sich wie folgt:

 

1970

1971

1972

 

DM

DM

DM

     

vom FG festgesetzte

     

Prämie

0

5.928

5.928

     

Prämie für

     

Transportfahrzeuge

6.304

7.207

7.408

     

Prämie für

     

Investitionssteuer

0

0

141

 

---------

---------

---------

 

6.304

13.135

13.477

Da das FA dem Kläger für das Jahr 1970 bisher keine Investitionsprämie gewährt hat, ist die mit Bescheid vom 28. November 1974 auf 23.630 DM festgesetzte Einkommensteuerschuld 1970 um 6.304 DM zu vermindern.

Für das Jahr 1971 hat das FA bisher eine Prämie von 5.928 DM gewährt. Die mit Bescheid vom 28. November 1974 auf 18.724 DM festgesetzte Einkommensteuerschuld 1971 ist demnach um weitere 7.207 DM zu kürzen.

Die mit Bescheid vom 6. Januar 1975 auf 34.893 DM festgesetzte Einkommensteuerschuld 1972 ist um weitere 8.742 DM zu mindern, da das FA bisher lediglich eine Prämie von 4.735 DM zum Abzug gebracht hat.