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BFH-Urteil vom 10.3.1982 (I R 1/79) BStBl. 1982 II S. 562

Errichtet eine Genossenschaft in einem Steinkohlenbergbaugebiet ein Betriebsgebäude und vermietet es teilweise an Fremde (hier zu ca. 25 v. H.), steht ihr eine Investitionsprämie nach dem KoG nur für die Herstellungskosten zu, die auf den eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteil entfallen, weil nur insoweit die Betriebstätte der Genossenschaft erweitert wird.

KoG § 32 Abs. 1 Satz 1.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kreditgenossenschaft, hat im Jahre 1970 ihre in H bestehende Bankfiliale erweitert und ein neues Filialgebäude errichtet. Der Bundesbeauftragte für den Steinkohlebergbau hat der Klägerin am 16. Februar 1971 bescheinigt, daß die Errichtung eines Neubaus ihrer Filiale in H die Voraussetzungen des § 32 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der Steinkohlenbergbaugebiete (KoG) erfülle.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat der Klägerin im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Investitionsprämie nach § 32 KoG zunächst in voller Höhe versagt, weil ein Teil des Gebäudes an einen Zahnarzt vermietet worden sei und das Filialgebäude deshalb zu weniger als 90 v. H. eigenbetrieblichen Zwecken gedient habe. Nach Klageerhebung hat das FA einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid erlassen und der Klägerin für die auf den eigenbetrieblich genutzten Teil entfallenden Baukosten (291.604 DM) eine Investitionsprämie in Höhe von 29.160 DM gewährt. Den geänderten Körperschaftsteuerbescheid hat die Klägerin zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht und die Investitionsprämie für die vollen Herstellungskosten des Filialgebäudes begehrt.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit im wesentlichen folgender Begründung statt: Bemessungsgrundlage für die Investitionsprämie seien nach § 32 KoG die Herstellungskosten der abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Zwar sei nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) bei Gebäuden, die teils eigenbetrieblich und teils privat genutzt werden, von zwei selbständigen Wirtschaftsgütern auszugehen, weshalb der III. Senat des BFH entschieden habe, daß eine Investitionszulage nach § 1 Abs. 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1969 nur für den eigenbetrieblich genutzten, nicht aber für den privat genutzten Teil eines Gebäudes beansprucht werden könne (Urteil vom 20. Mai 1977 III R 135/74, BFHE 122, 382, BStBl II 1977, 734). Die Grundsätze dieser Entscheidung, die einen Einzelunternehmer betroffen habe, seien auf den vorliegenden Fall jedoch nicht anzuwenden, denn die Klägerin könne als Kreditgenossenschaft Teile eines Gebäudes gar nicht als gesonderte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens behandeln, weil ihre Tätigkeit stets gewerblich sei und sie deshalb nur gewerbliches Betriebsvermögen habe. Vielmehr bestehe wegen der notwendig gewerblichen Tätigkeit der Klägerin für das gesamte Gebäude ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang. Eine andere Entscheidung könne auch nicht aus dem wirtschaftlichen Zweck des KoG hergeleitet werden. Mißbräuchen, die dadurch möglich seien, daß ein im Rahmen der Erweiterung der Betriebstätte errichtetes Gebäude überwiegend vermietet werde, könne mit dem Argument begegnet werden, daß durch solche Investitionen keine zusätzlichen Arbeitsplätze in angemessenem Umfang geschaffen würden.

Dagegen wendet sich das FA mit seiner Revision, mit der es Verletzung des § 32 KoG rügt. Wenn ein Gebäude teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu eigenen oder fremden Wohnzwecken genutzt werde, bilde nach der Rechtsprechung des BFH jeder der drei Gebäudeteile ein selbständiges Wirtschaftsgut. Die Investitionsprämie könne aber nur für die Herstellungskosten beansprucht werden, die auf den eigengenutzten Teil des Gebäudes entfielen.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Das FA hat der Klägerin zu Recht die Investitionsprämie nur für die im Streitjahr aufgewendeten Herstellungskosten gewährt, die auf den eigenbetrieblich genutzten Teil des Gebäudes entfallen.

1. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG (in der Fassung des Art. 9 des Steueränderungsgesetzes 1969 vom 18. August 1969 - StÄndG 1969 -, BGBl I, 1211, BStBl I, 477) können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln und nach dem 30. April 1967 in einem Steinkohlenbergbaugebiet eine Betriebstätte errichten oder erweitern, auf Antrag für die nach dem 30. April 1967 und vor dem 1. Januar 1972 (Begünstigungszeitraum) "im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung der Betriebstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" einen Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum der Anschaffung oder Herstellung bis zu 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall zwar hinsichtlich des eigenbetrieblich genutzten Teils, nicht aber hinsichtlich des vermieteten Teils des von der Klägerin errichteten Gebäudes vor.

§ 32 Abs. 1 Satz 1 KoG setzt seinem Wortlaut nach voraus, daß eine Betriebstätte errichtet oder erweitert wird und daß dies durch den Steuerpflichtigen geschieht, der den Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer vornehmen will. Es genügt nicht, daß ein Steuerpflichtiger Investitionen für eine Betriebstätte macht, die nicht seinem eigenen Gewerbebetrieb, sondern dem Gewerbebetrieb eines anderen Steuerpflichtigen dient (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1981 IV R 49/77, BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 28. April 1978 7 C 53/76, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1979, 252).

Der in § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG verwendete Begriff "Betriebstätte" ist nicht anders auszulegen als in anderen Steuergesetzen (BFH-Urteil vom 18. März 1976 IV R 168/72, BFHE 118, 404, BStBl II 1976, 365), da § 32 KoG allgemein als eine steuerrechtliche Regelung anzusehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1975 IV R 156/74, BFHE 116, 306, BStBl II 1975, 734). Maßgebend ist demnach der Betriebstättenbegriff des § 16 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) - § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) -. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Gebäude oder Gebäudeteile, auch wenn sie zum Betriebsvermögen eines Steuerpflichtigen gehören, nur dann als dessen Betriebstätte zu werten, wenn der Steuerpflichtige darin eine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltet. Dagegen begründet ein Gebäude oder Gebäudeteil keine Betriebstätte des Steuerpflichtigen, wenn dieser das Gebäude oder den Gebäudeteil durch Vermietung oder Verpachtung an einen Fremden nutzt (vgl. BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538, und die BFH-Urteile vom 6. Juli 1978 IV R 24/73, BFHE 126, 102, 106, BStBl II 1979, 18, und vom 28. Oktober 1977 III R 77/75, BFHE 123, 542, BStBl II 1978, 116).

Im Streitfall gehört demnach der an den Zahnarzt vermietete Teil des Gebäudes nicht zur Betriebstätte der Klägerin. Hinsichtlich dieses Teils hat die Klägerin nicht - wie es § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG voraussetzt - ihre Betriebstätte erweitert.

2. Entgegen der Auffassung des FG widerspricht die Entscheidung, daß nur der eigenbetrieblich genutzte Teil, nicht aber der Teil eines Gebäudes, der zur fremdbetrieblichen (oder privaten) Nutzung vermietet worden ist, nach § 32 KoG prämienbegünstigt ist, nicht der bilanzrechtlichen Behandlung von Gebäudeteilen. Wie der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, 252, BStBl II 1974, 132, 136) ausgesprochen hat, sind bei einem Gebäude, das teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblich, teils zu Wohnzwecken durch Vermietung oder Eigengebrauch genutzt wird, die einzelnen Gebäudeteile gesondert zu behandeln. Dient also z. B. ein zu einem Betriebsvermögen gehörendes Gebäude sowohl eigenbetrieblichen sowie fremdbetrieblichen Zwecken, als auch Wohnzwecken, so liegen drei unbewegliche Wirtschaftsgüter vor.

Im Streitfall ist wegen des teils eigenbetrieblich, teils fremdbetrieblichen Zwecken dienenden Gebäudes von zwei unbeweglichen Wirtschaftsgütern auszugehen. Beide Gebäudeteile sind "abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens" der Klägerin im Sinne des § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG. Da jedoch - wie ausgeführt - lediglich durch das Wirtschaftsgut "eigenbetrieblich genutzter Gebäudeteil" die Betriebstätte der Klägerin erweitert worden ist, kann ihr auch nur für die auf diesen Gebäudeteil entfallenden Herstellungskosten die Investitionsprämie nach dem KoG gewährt werden.