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BFH-Urteil vom 18.5.1982 (VII R 98/80) BStBl. 1982 II S. 576

1. Der Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG in der Neufassung vom 31. Januar 1975 (BGBl I 1975, 412), zuletzt geändert durch Art. 14 StÄndG 1979 vom 30. November 1978 (BGBl I 1978, 1849, 1860), ist grundsätzlich pfändbar.

2. Das Kindergeld unterliegt keiner Zweckbestimmung in dem Sinne, daß es nur zum Wohle des Kindes verwendet werden dürfe.

BKGG § 1; SGB Allg. Teil Art. I § 54 Abs. 3 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Bremen

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war bis 1979 Geschäftsführer einer inzwischen aufgelösten GmbH & Co. KG (KG), die den Handel mit Mineralöl betrieb. Am 27. März 1979 erließ das Hauptzollamt (HZA) gegen ihn wegen Steuerhinterziehung einen Haftungsbescheid über 683.601,20 DM. Der Kläger ist jetzt als Angestellter im Geschäft seiner Ehefrau tätig. Nach seinen Angaben bezieht er ein Nettogehalt von 1.531 DM monatlich. Vom Arbeitsamt erhält er für drei Kinder 350 DM Kindergeld im Monat. Verwertbares Vermögen besitzt er, soweit bekannt, nicht mehr.

Wegen eines Teilbetrags der Haftungsschuld in Höhe von 20.000 DM erließ der Beklagte und Revisionskläger (das HZA) am 6. September 1979 eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung über einen Teil des dem Kläger zustehenden Kindergeldes. Dabei ordnete das HZA die Zusammenrechnung des Kindergeldes mit seinem Arbeitseinkommen an. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.

Mit der sodann erhobenen Klage trug der Kläger im wesentlichen vor, die Verfügung vom 6. September 1979 beruhe auf einem Ermessensfehler.

Durch Urteil vom 8. Oktober 1980 hob das Finanzgericht (FG) die Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 6. September 1979 und die Beschwerdeentscheidung vom 21. Januar 1980 auf. Zur Begründung führte es aus:

Die Frage, ob Ansprüche auf Kindergeld der Pfändung unterlägen, sei in Rechtsprechung und Schrifttum lebhaft umstritten. Sie werde bejaht von Bauer (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1978, 871, mit zahlreichen Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen) und von Zöller (Zivilprozeßordnung, 12. Aufl., 1979, § 850 e III 3). Die gegenteilige Auffassung werde vertreten von Müller/Wolff (NJW 1979, 299. m. w. N.), Roberz (NJW 1978, 2081) und Hübschmann/Hepp/Spitaler (Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 319 AO 1977 Anm. 35). Das FG schließe sich der zuletzt genannten, die Zulässigkeit der Pfändung verneinenden Auffassung an. Das Kindergeldrecht habe die Aufgabe, den finanziellen Aufwand der Eltern für Unterhaltsleistungen an Kinder zu mindern (Aye/Bley/Göbelsmann/Gurgel/Müller/Schroeter, Sozialversicherung, I § 25 SGB - Kindergeld -). Deshalb bestimme § 1 des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - (vom 31. Januar 1975, BGBl I 1975, 412) ausdrücklich, daß das Kindergeld dem Berechtigten "für seine Kinder" gezahlt werde. Nach dem Willen des Gesetzgebers solle mit dem Kindergeld von der Allgemeinheit ein Beitrag zu der durch Pflege und Erziehung von Kindern entstehenden Familienlast übernommen werden. Diese sozialpolitische Zielsetzung sei durch das Sozialgesetzbuch (SGB) vom 11. Dezember 1975 (BGBl I 1975, 3015) nicht geändert worden (Roberz a. a. O.). Die Zweckbestimmung des Kindergeldanspruchs stehe also einer wirksamen Pfändung entgegen. Die Pfändung entspreche deshalb nicht der Billigkeit (Art. I § 54 SGB - AT -). Der Kindergeldanspruch sei als zweckgebundene, dem Wohle des Kindes dienende Sozialleistung grundsätzlich nicht pfändbar (vgl. Müller/Wolff, a. a. O.).

Der gegenteiligen Auffassung des HZA und der Oberfinanzdirektion (OFD) könne das FG nicht folgen. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Unpfändbarkeit bestehe nur dann, wenn der Gläubiger nachweisen könne, daß der Forderung, aus der er gegen den Kindergeldberechtigten vorgehe, Aufwendungen für dessen Kind zugrunde lägen (Müller/Wolff, a. a. O.; Roberz, a. a. O.). Ein solcher Ausnahmefall sei hier jedoch nicht gegeben. Eine Zusammenrechnung des Kindergeldes mit dem Arbeitseinkommen des Klägers sei demnach nicht zulässig.

Mit der Revision macht das HZA geltend:

Kindergeld dürfe immer gepfändet werden, wenn eine solche Maßnahme der Billigkeit entspreche und der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfsbedürftig werde (Art. I § 54 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 SGB - AT -).

Kindergeld sei entgegen der Auffassung des FG keine ausschließlich dem Wohl des Kindes dienende Sozialleistung, sondern Familieneinkommen (vgl. das Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 22. Mai 1974 4 RJ 17/73, NJW 1974, 2152). Daß das Kindergeld nicht nur für die einzelnen Kinder bestimmt sei, ergebe sich überdies aus der Tatsache, daß das Kindergeld für das zweite und dritte Kind erheblich höher sei als das für das erste und daß die Erhöhung des Kindergeldes an die Stelle von Steuervorteilen getreten sei, die zu einer Erhöhung des pfändbaren Nettoarbeitseinkommens geführt hätten.

Das HZA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er trägt vor:

Das FG habe die Frage, ob sein Anspruch auf Kindergeld der Pfändung unterliege, zutreffend verneint.

Entscheidend für die grundsätzliche Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Kindergeld sei das materielle Kriterium der Zweckbestimmung, nicht dagegen, wie das HZA meine, das rein formale Kriterium der Zurechnung des Kindergeldes zu dem Einkommen der Familie. Das HZA berufe sich zu Unrecht auf das Urteil des BSG in NJW 1974, 2152. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Verfahren sei lediglich streitig gewesen, wem Kindergeld (formalrechtlich) als Einkommen zuzurechnen sei. Im vorliegenden Fall gehe es dagegen um die ganz anders geartete Frage, ob materielle Gesichtspunkte die Pfändbarkeit des Anspruchs auf Kindergeld rechtfertigten. Materielle Gesichtspunkte, nämlich die Zweckbestimmung des Kindergeldes, stünden, wie das FG zutreffend ausgeführt habe, der Pfändbarkeit entgegen. Im übrigen habe sich das Urteil des BSG nicht mit Kindergeld nach dem BKGG, sondern mit dem Kindergeld(-anteil) nach dem Lastenausgleichsgesetz auseinandergesetzt. Das HZA berufe sich zu Unrecht auf die Staffelung des Kindergeldes nach § 10 BKGG. Die aus sozialpolitischen Gründen vorgesehene Erhöhung des Kindergeldes für das zweite, dritte und jedes weitere Kind ändere an der im vorliegenden Verfahren entscheidenden Zweckbestimmung des Kindergeldes nichts. Im übrigen gelte nach § 12 Abs. 4 BKGG als auf ein Kind entfallendes Kindergeld der Betrag, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf alle Kinder, für die dem Berechtigten Kindergeld geleistet werde, ergebe. Aus § 12 Abs. 4 BKGG gehe somit nicht nur hervor, daß alle Kinder im Verhältnis zueinander gleichberechtigt in bezug auf das Kindergeld seien, sondern darüber hinaus, daß materiell Berechtigter für das Kindergeld das Kind selbst sei. Dies folge ganz eindeutig aus der Formulierung des § 12 Abs. 4 Satz 1 BKGG: "Als auf ein Kind entfallendes Kindergeld ..."

Nach allem stehe fest, daß das Kindergeld seiner Zweckbestimmung nach unpfändbar sei. Gesichtspunkte, die ausnahmsweise die Pfändung zuließen, lägen hier unstreitig nicht vor.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig.

Die nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlG) für die Revision maßgebende Streitwertgrenze von 10.000 DM ist überschritten. Die Parteien streiten weiterhin um die Rechtmäßigkeit der Pfändungs- und Überweisungsverfügung vom 6. September 1979, die das HZA wegen eines Teilbetrages von 20.000 DM der Haftungsschuld des Klägers erlassen hat. Bei Pfändungen richtet sich der Streitwert im allgemeinen nach der Höhe der zu vollstreckenden Forderung. Das kann jedoch dann nicht gelten, wenn der Wert des gepfändeten Rechts niedriger ist. In diesem Falle ist der Streitwert nach dem finanziellen Erfolg der Pfändungsverfügung zu bemessen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Oktober 1977 VII R 4/77, BFHE 123, 408, BStBl II 1978, 71, und BFH-Urteil vom 14. Februar 1979 VII R 54/78, BFHE 127, 304, BStBl II 1979, 427). Im vorliegenden Fall ergibt sich aufgrund der Zusammenrechnung des Kindergeldes mit dem Arbeitseinkommen des Klägers ein nach § 850c der Zivilprozeßordnung (ZPO) pfändbarer Betrag von 209,10 DM monatlich. Da der Wegfall des in dieser Höhe gepfändeten Kindergeldes gewiß, aber der Zeitpunkt des Wegfalls ungewiß ist, kommt für die Bemessung des Wertes dieser wiederkehrenden Leistung gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Regelung in § 3 und § 9 Halbsatz 1 ZPO in Betracht. Nach der letztgenannten Vorschrift ist in einem solchen Fall der Wert nach dem 12 1/2 fachen Betrag des einjährigen Bezuges zu berechnen. Es ergeben sich allerdings Bedenken gegen einen so hohen Vervielfältiger des Jahresbetrages im vorliegenden Fall daraus, daß das FG das Alter der Kinder, für das der Kläger das Kindergeld erhält, nicht festgestellt hat und deshalb möglicherweise die voraussichtliche Dauer der Bezugsberechtigung des Klägers wesentlich kürzer ist als 12 1/2 Jahre. Da es sich hier aber um einen Jahresbetrag von 2.500 DM handelt und keiner der Beteiligten die Festsetzung des Streitwerts durch das FG auf 20.061 DM angegriffen und die Überschreitung der Revisionsgrenze von 10.000 DM bezweifelt hat, geht der erkennende Senat davon aus, daß der Kläger das Kindergeld noch länger als vier Jahre beziehen wird und somit die Revisionsgrenze überschritten ist.

Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die der Aufhebung der Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 6. September 1979 und der Beschwerdeentscheidung vom 21. Januar 1980 zugrunde liegende Auffassung des FG, die Kindergeldansprüche des Klägers seien unpfändbar, ist rechtsirrig.

Das BKGG in der Neufassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 1975 gewährt in seiner für den vorliegenden Fall maßgebenden Fassung (vgl. das Achte Änderungsgesetz vom 14. November 1978, BGBl I 1978, 1757, und Art. 14 des Steueränderungsgesetzes 1979 - StÄndG 1979 - vom 30. November 1978, BGBl I 1978, 1849, 1860) nach seinem § 1 einen Anspruch auf Kindergeld bestimmten Personen "für ihre Kinder", nicht etwa den Kindern selbst. Die Höhe des Kindergeldes beträgt nach § 10 BKGG für das erste Kind 50 DM, für das zweite Kind 100 DM und für das dritte und jedes weitere Kind je 200 DM monatlich. Mit diesen Regelungen ist der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck gekommen, den Familien, die Kinder haben, einen gewissen Ausgleich zu gewähren für die Mehrbelastung, die ihnen durch das Aufziehen und die Ausbildung der Kinder im Vergleich zu den Ledigen, den kinderlos Verheirateten und den kinderarmen Familien erwächst (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 24. Mai 1967 1 BvL 18/65, BVerfGE 22, 28, 34; vom 14. Juli 1970 1 BvL 10/67, BVerfGE 29, 71, 79f; vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104, 131; BStBl II 1977, 526). Durch die Gewährung des Kindergeldes wird die Leistungsfähigkeit dessen gestärkt, der ein oder mehrere Kinder unterhält, und andererseits der gesetzliche Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Eltern unberührt gelassen. Die Gewährung des Kindergeldes hat das Gesetz nicht davon abhängig gemacht, daß der Unterhaltspflichtige das Kindergeld auch tatsächlich zur Erfüllung seiner Unterhaltspflicht verwendet, es also dem Kind zukommen läßt, für das es bestimmt ist. Auch wenn der Unterhaltspflichtige das ihm gezahlte Kindergeld zur Bestreitung des Unterhalts für das Kind verwendet, bleibt das, was dem Kind zukommt, nur eine Leistung des Unterhaltspflichtigen (vgl. BSG-Urteil in NJW 1974, 2152; Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - München vom 30. Oktober 1979 25 W 1400/79, NJW 1980, 894; Aye/Bley/Göbelsmann/Gurgel/Müller/Schroeter, Sozialversicherung, I § 25 SGB - Kindergeld -; Bauer, NJW 1978, 871; Roberz, NJW 1978, 2086).

Die früheren Vorschriften des § 12 Abs. 1 bis 3 BKGG, in denen der Anspruch auf Kindergeld als grundsätzlich nicht pfändbar, nicht verpfändbar und nicht abtretbar behandelt wurde, sind durch Art. II § 12 Nr. 1 SGB aufgehoben worden. Nunmehr richtet sich die Übertragung, Verpfändung und Pfändung des Anspruchs auf Kindergeld nach den für Sozialleistungen allgemein geltenden Vorschriften des Art. I §§ 53 und 54 SGB. Daß auch das Kindergeld zu den Sozialleistungen gehört, stellt Art. I § 25 SGB klar.

Nach Art. I § 54 Abs. 2 SGB können Ansprüche auf einmalige Geldleistungen nur gepfändet werden, "soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Leistungsberechtigten, der Art des beizutreibenden Anspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung der Geldleistung, die Pfändung der Billigkeit entspricht".

Nach Art. I § 54 Abs. 3 SGB können Ansprüche auf laufende Geldleistungen - also die Ansprüche auf das monatliche Kindergeld - wie Arbeitseinkommen gepfändet werden

"1. wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche,

2. wegen anderer Ansprüche nur, soweit die in Absatz 2 genannten Voraussetzungen vorliegen und der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilfsbedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird".

Da im vorliegenden Fall die Ansprüche des Klägers auf das monatliche Kindergeld wegen anderer als gesetzlicher Unterhaltsansprüche, nämlich wegen Steueransprüchen gepfändet worden sind, hängt die Rechtmäßigkeit der Pfändung zunächst davon ab, ob die in Art. I § 54 Abs. 2 SGB genannten Voraussetzungen vorliegen. Die Ansprüche des Klägers sind demnach nur pfändbar, soweit nach den Umständen des Falles, insbesondere nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers, der Art des beizutreibenden Steueranspruchs sowie der Höhe und der Zweckbestimmung des Kindergeldes, die Pfändung der Billigkeit entspricht.

Die Frage, ob nach den Umständen des Falles die Pfändung der Billigkeit entspricht, kann entgegen der Auffassung des FG nicht durch die Berufung auf die Zweckbestimmung des Kindergeldes verneint werden (vgl. Bauer, NJW 1978, 871; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 319 Anm. 17).

Das FG hat zunächst zutreffend darauf hingewiesen, daß die Aufgabe des Kindergeldes darin besteht, den finanziellen Aufwand der Eltern für Unterhaltsleistungen an Kinder durch die Leistung eines Beitrags zu der durch Pflege und Erziehung von Kindern entstehenden Familienlast zu mindern. Es hat aber zu Unrecht das Kindergeld als eine "zweckgebundene, dem Wohle des Kindes dienende Sozialleistung" beurteilt. Das BKGG bringt nirgends zum Ausdruck, daß das Kindergeld in einem solchen Sinne "zweckgebunden" sei. Der Berechtigte hat zwar nach § 1 BKGG "Anspruch auf Kindergeld für seine Kinder". Das BKGG sagt aber nirgends, daß der Berechtigte das aufgrund dieses Anspruchs erlangte Kindergeld nur zu einem bestimmten, dem Wohl des Kindes dienenden Zweck verwenden dürfe. Das BKGG beschränkt sich vielmehr darauf, mit dem Kindergeld die durch das Aufziehen und die Ausbildung von Kindern entstehende besondere Belastung des Lebens der Eltern (teilweise) auszugleichen, indem es die Leistungsfähigkeit der Eltern stärkt; es begnügt sich also damit, daß sich dies mittelbar auch auf das Kind auswirkt (vgl. Art. I § 1 Abs. 1 Satz 2, § 25 SGB; Aye/Bley/Göbelsmann/Gurgel/Müller/Schroeter, a. a. O.; BSG-Urteil in NJW 1974, 2152).

Die Ausführungen von Müller/Wolff in NJW 1979, 299, auf die sich das FG zur Begründung seiner Meinung beruft, das Kindergeld sei eine an das Wohl des Kindes zweckgebundene Sozialleistung, halten einer Überprüfung nach dem durch das Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers nicht stand.

Die Vorschriften des Art. I § 54 SGB enthalten hinsichtlich der Pfändbarkeit von Ansprüchen auf Sozialleistungen unterschiedliche Regelungen. Danach sind

1. Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen unpfändbar (Abs. 1),

2. Ansprüche auf einmalige Geldleistungen nur unter bestimmten Voraussetzungen pfändbar (Abs. 2),

3. Ansprüche auf laufende Geldleistungen

a) wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche pfändbar (Abs. 3 Nr. 1),

b) wegen anderer Ansprüche ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen pfändbar (Abs. 3 Nr. 2).

Die Vorschriften des Abs. 2 und des Abs. 3 Nr. 2 über die Pfändbarkeit von einmaligen Geldleistungen und von laufenden Geldleistungen bei Pfändung wegen anderer Ansprüche als gesetzlicher Unterhaltsansprüche setzen für die Pfändbarkeit voraus, daß "nach den Umständen des Falles ... die Pfändung der Billigkeit entspricht". Der Gesetzgeber fordert also in jedem konkreten Falle, daß diese Voraussetzung erfüllt ist.

Damit ist die Auffassung von Müller/Wolff nicht vereinbar, die Gesetzesfassung schließe nicht aus, daß bei bestimmten Sozialleistungen die Pfändung "in der Regel der Billigkeit widerspricht, so daß der gesetzestechnisch vorgesehene Ausnahmefall in der Sache zur Regel wird" (NJW 1979, 299, r. Sp., Abs. 1); von einer "grundsätzlichen Unbilligkeit der Pfändung" müsse man gerade beim Kindergeld ausgehen (NJW 1979, 299, r. Sp., Abs. 2).

Die Vorschriften des Abs. 2 und des Abs. 3 Nr. 2 nennen als Maßstab für die Prüfung, ob die Pfändung nach den Umständen des Falles der Billigkeit entspricht, u. a. die "Zweckbestimmung der Geldleistung". Unter Berufung auf Roberz (NJW 1978, 2081) nehmen Müller/Wolff (NJW 1979, 299, r. Sp., Abs. 2) an, eine zur Unbilligkeit der Pfändung führende Zweckbestimmung sei den Kindergeldansprüchen "immanent". Denn nach dem Willen des Gesetzgebers solle das Kindergeld "dem Wohle der Kinder dienen". Dabei müssen Müller/Wolff einräumen, daß diese Zweckbestimmung "nicht ausdrücklich gesetzlich fixiert" ist und "die Kinder im Regelfall nicht unmittelbar anspruchsberechtigt sind". Müller/Wolff übersehen, daß für die Auslegung eines Gesetzes der objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend ist, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist (vgl. Entscheidungen des BVerfG vom 21. Mai 1952 2 BvH 2/52, BVerfGE 1, 299, 312; vom 12. November 1958 2 BvL 4/56 usw., BVerfGE 8, 274, 307; vom 15. Dezember 1959 1 BvL 10/55, BVerfGE 10, 234, 244; vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 130; vom 21. Mai 1968 2 BvL 10/66 u. 3/67, BVerfGE 24, 1, 15; vom 5. Juli 1972 2 BvL 6/66 usw., BVerfGE 33, 265, 294; vom 19. Juni 1973 1 BvL 39/69 u. 14/72, BVerfGE 35, 263, 278; vom 5. November 1974 2 BvL 6/71, BVerfGE 38, 154, 163; vom 9. Mai 1978 2 BvR 952/75, BVerfGE 48, 247, 256), daß daher der Wille des Gesetzgebers bei der Auslegung des Gesetzes nur insoweit berücksichtigt werden kann, als er in dem Gesetz selbst einen hinreichend klaren Ausdruck gefunden hat (vgl. Entscheidungen des BVerfG in BVerfGE 11, 130; vom 9. Januar 1962 1 BvR 662/59, BVerfGE 13, 284, 286). Durch die Vorschriften des BKGG kommt lediglich der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck, denjenigen, die durch das Aufziehen und die Ausbildung von Kindern belastet sind, eine gewisse Entlastung zu verschaffen. Eine auf das Wohl der Kinder Gerichtete Zweckbestimmung des Kindergeldes kann entgegen der Auffassung von Müller/Wolff auch nicht daraus abgeleitet werden, daß der nach § 1 BKGG Anspruchsberechtigte das Kindergeld "für seine Kinder" erhält. In dieser Vorschrift kommt nur zum Ausdruck, daß die Gewährung von Kindergeld an das Vorhandensein eigener Kinder geknüpft ist.

Daß das Kindergeld "den Kindern zugute kommen" solle (vgl. Müller/Wolff in NJW 1979, 299, r. Sp., Abs. 2; Roberz in NJW 1978, 2081) kann auch nicht aus der weitergeltenden Vorschrift des § 12 Abs. 4 BKGG hergeleitet werden, wonach "als auf ein Kind entfallendes Kindergeld" der Betrag gilt, "der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Kindergeldes auf alle Kinder, für die dem Berechtigten Kindergeld geleistet wird, ergibt". Diese Vorschrift verpflichtet den Berechtigten nicht, das Kindergeld den Kindern zugute kommen zu lassen; auch sie läßt ihm die Freiheit, es für seine eigenen Zwecke zu verwenden.

Für ihre Auffassung, das Kindergeld könne seine Eigenschaft als staatlicher Beitrag zur Minderung der den Berechtigten erwachsenden laufenden Unterhaltskosten für die Kinder nur gerecht werden, wenn es vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt werde, berufen sich Müller/Wolff zu Unrecht darauf, daß schon die früheren Pfändungsverbote in den Kindergeldgesetzen die richtige Verwendung des Kindergeldes hätten schützen wollen. Denn es kann hier nicht auf frühere Pfändungsverbote ankommen, nachdem die Vorschriften des § 12 Abs. 1 bis 3 BKGG über die Pfändung, Verpfändung und Übertragung des Anspruchs auf Kindergeld durch Art. II § 12 Nr. 1 SGB aufgehoben worden sind und sich nunmehr die Pfändung eines Anspruchs auf Kindergeld nur noch nach den Vorschriften des Art. I § 54 Abs. 2 und 3 SGB richtet. Die Meinung von Müller/Wolff, die Erwägungen, die den Pfändungsverboten der Kindergeldgesetze zugrunde gelegen hätten, hätten auch nach dem Inkrafttreten des SGB "ihre volle Gültigkeit" behalten, mißachtet den durch Art. II § 12 Nr. 1 und Art. I § 54 SGB klar zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers, nunmehr die Pfändbarkeit von Ansprüchen auf Kindergeld anders zu regeln als bisher.

Schließlich berufen sich Müller/Wolff für die von ihnen vertretene Zweckbindung des Kindergeldes auch zu Unrecht auf § 48 SGB. Diese Vorschrift betrifft laufende Geldleistungen, "die der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind", und gestattet, solche Geldleistungen statt an den Leistungsberechtigten an seinen Ehegatten oder seine Kinder auszuzahlen, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Das Kindergeld ist keine Geldleistung im Sinne dieser Vorschrift, da es nicht der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt ist, sondern nur die durch das Aufziehen und die Ausbildung der Kinder entstehende Mehrbelastung teilweise ausgleichen soll.

Die vom FG für seine Auffassung ebenfalls zitierten Ausführungen von Hübschmann/Hepp/Spitaler (a. a. O.) beschränken sich auf die Bemerkung, daß bei Kindergeldern nach ihrer Zweckbestimmung die Pfändung in der Regel nicht der Billigkeit entspreche. Welche Zweckbestimmung gemeint ist, läßt diese Bemerkung nicht erkennen.

Infolge seiner irrigen Rechtsauffassung hat das FG unterlassen, gemäß Art. I § 54 Abs. 2 und 3 SGB zu prüfen, inwieweit nach den Umständen des Falles die Pfändung der Ansprüche des Klägers auf Kindergeld der Billigkeit entspricht, und ob bei Bejahung dieser Frage der Kläger durch die Pfändung nicht hilfsbedürftig im Sinne der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird. Es hat dementsprechend in dieser Hinsicht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die es dem erkennenden Senat ermöglichen könnten, über diese Fragen selbst zu entscheiden. Da somit die Sache nicht entscheidungsreif ist, war sie an das FG zurückzuverweisen.

Bei der erneuten Entscheidung wird das FG folgendes beachten müssen:

Die Vorschriften des Art. I § 54 SGB über die Pfändung von Ansprüchen auf Sozialleistungen stellen eine Sonderregelung dar gegenüber den Vorschriften der §§ 829 ff. ZPO über die Pfändung von Forderungen (vgl. Urteil in BFHE 127, 304, BStBl II 1979, 427). Wenn der Leistungsberechtigte, wie im vorliegenden Fall, neben dem Anspruch auf laufende Geldleistungen (Kindergeld) ein Arbeitseinkommen hat, ist dieses im Rahmen der durch Art. I § 54 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 SGB geforderten Prüfung, ob nach den Umständen des Falles die Pfändung des Anspruchs auf laufende Geldleistungen (Kindergeld) der Billigkeit entspricht, zu berücksichtigen. Denn zu den Umständen des Falles rechnet das Gesetz ausdrücklich auch die Einkommensverhältnisse des Leistungsberechtigten, demnach auch ein Arbeitseinkommen. Die Möglichkeit der vom HZA vorgenommenen Zusammenrechnung des Kindergeldes und des Arbeitseinkommens ergibt sich daher aus Art. I § 54 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 SGB.

Die Pfändungsvorschriften des Art. I § 54 SGB schließen trotz ihrer Eigenschaft als Spezialvorschriften nicht aus, daß bei der Pfändung eines Anspruchs auf laufende Geldleistungen zumindest die für Arbeitseinkommen vorgesehenen Pfändungsgrenzen (vgl. §§ 850c und d ZPO) eingehalten werden (vgl. BFHE 127, 304, BStBl II 1979, 427; BT-Drucks 7/868 S. 32). Denn Ansprüche auf laufende Geldleistungen können nach Art. I § 54 Abs. 3 SGB "wie Arbeitseinkommen" gepfändet werden. Im vorliegenden Fall stellt sich allerdings die Frage, ob der unpfändbare Grundbetrag, der sich nach § 850c ZPO für die Summe des Kindergeldes und des Arbeitseinkommens ergibt, dem Kindergeld oder dem Arbeitseinkommen zu entnehmen ist. Da der Anspruch auf das Kindergeld gemäß Art. I § 54 Abs. 3 SGB "wie Arbeitseinkommen" gepfändet werden kann, liegt es nahe, davon auszugehen, daß gewissermaßen zwei, also mehrere Arbeitseinkommen vorliegen, und die Vorschriften des § 850e Nr. 2 ZPO anzuwenden, die für einen solchen Fall vorsehen, daß der unpfändbare Grundbetrag in erster Linie dem Arbeitseinkommen entnommen wird, das die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Schuldners bildet. Gegen eine Anwendung des § 850e ZPO spricht allerdings, daß die Zusammenrechnung des Anspruchs auf die laufende Geldleistung mit einem Arbeitseinkommen in Art. I § 54 Abs. 2 SGB Gegenstand einer besonderen Billigkeitsregelung geworden ist. Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß nicht der "wie Arbeitseinkommen" pfändbare Anspruch auf Kindergeld, sondern das (eigentliche) Arbeitseinkommen die wesentliche Grundlage der Lebenshaltung des Klägers bildet. Selbst wenn daher die Regelung des § 850e Nr. 2 ZPO nicht anwendbar wäre, müßte diese Tatsache dennoch im Rahmen der Billigkeitsregelung des Art. I § 54 Abs. 2 SGB berücksichtigt werden mit dem Ergebnis, daß der unpfändbare Grundbetrag in erster Linie dem (tatsächlichen) Arbeitseinkommen zu entnehmen ist.

Die Frage, ob die Pfändung des Anspruchs des Klägers auf Kindergeld nach Art. I § 54 Abs. 3 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 SGB der Billigkeit entspricht, ist eine Rechtsfrage, keine Ermessensfrage. Daran ändert nichts der Umstand, daß der Erlaß der Pfändungsverfügung selbst im Ermessen des HZA gestanden hat (vgl. BFHE 127, 304, BStBl II 1979, 427).