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BFH-Urteil vom 22.4.1982 (III R 101/78) BStBl. 1982 II S. 580

1. Ein Grundstück und das an einem Nachbargrundstück bestehende Erbbaurecht sind zwei selbständige wirtschaftliche Einheiten, auch wenn Grundstück und Erbbaurecht demselben Steuerpflichtigen gehören.

2. Werden beide Grundstücke mit einer einheitlichen Lagerhalle bebaut, so ist bei Abschlägen für Großobjekte und wegen übergroßer bebauter Fläche auf die Halle als Ganzes und nicht auf die gegenständliche Begrenzung der wirtschaftlichen Einheiten abzustellen.

BewG i.d.F. vom 26. September 1974 §§ 2, 70, 88, 92.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines 5.205 qm großen Grundstücks. Sie besitzt außerdem an einem 8.932 qm großen Nachbargrundstück ein bis zum Jahre 2062 bestehendes Erbbaurecht. Im Jahre 1965 errichtete die Klägerin eine Lagerhalle, die mit 170 qm auf dem Eigengrundstück und mit 1.993 qm auf dem Erbbaugrundstück steht.

Zum 1. Januar 1974 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) für beide Grundstücke Einheitswertfeststellungen durch. Dabei behandelte das FA das Eigengrundstück und das Erbbaurecht als zwei selbständige wirtschaftliche Einheiten. Für das Eigengrundstück führte das FA eine Wertfortschreibung durch und stellte den Einheitswert auf 880.000 DM fest. Dabei gewährte das FA auf die Summe aller Gebäudesachwerte einen Abschlag für Großobjekte von 10 v. H. (vgl. Erlaß Nordrhein-Westfalen vom 13. Januar 1975, abgedruckt bei Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Anm. 23.1 zu § 88 BewG). Für das Erbbaurecht führte das FA eine Nachfeststellung durch und stellte den Einheitswert auf 584.500 DM fest. Hier gewährte das FA einen Abschlag für Großobjekte von nur 5 v. H., weil der Gebäudesachwert weniger als 700.000 DM beträgt.

Gegen beide Feststellungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein, über die das FA mit Einspruchsentscheidung vom 24. Mai 1977 einheitlich entschied. Für das Eigengrundstück gewährte das FA in der Einspruchsentscheidung noch zusätzlich einen Abschlag wegen übergroßer bebauter Fläche von 4 v. H. (vgl. Teil B Nr. 12 der Anlage 14 zu Abschn. 38 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens - BewRGr -). Der neue Einheitswert wurde ermäßigt. Den Antrag der Klägerin, für das Erbbaurecht den Abschlag für Großobjekte auf 10 v. H. zu erhöhen, lehnte das FA ab. Es lehnte für das Erbbaurecht auch den Abschlag wegen übergroßer bebauter Fläche ab, weil die bebaute Fläche weniger als 2.001 qm beträgt. Das FA vertrat dazu die Auffassung, in die Bewertung einer wirtschaftlichen Einheit könnten nur die Grundstücks- und Gebäudeteile einbezogen werden, die dieser wirtschaftlichen Einheit selbst zuzurechnen seien. Gebäudeteile einer angrenzenden wirtschaftlichen Einheit könnten dabei nicht berücksichtigt werden.

Mit der Klage begehrte die Klägerin für das Erbbaurecht weiterhin den Abschlag für Großobjekte von 10 v. H. und den Abschlag für übergroße bebaute Fläche von 4 v. H. Hilfsweise machte sie für beide Grundstücke folgendes geltend: Gehe man von der Richtigkeit der Auffassung des FA aus, daß bei der Bewertung der beiden wirtschaftlichen Einheiten jeweils nur die zugehörigen Gebäudeteile berücksichtigt werden könnten, dann müsse bei jeder wirtschaftlichen Einheit ein Abschlag für eine fehlende Außenwand gewährt werden (vgl. Teil B Nr. 5 der bereits zitierten Anlage 14). Denn bei den in den BewRGr aufgeführten Raummeterpreisen werde von der Annahme ausgegangen, daß ein Gebäude vier Seitenwände habe. Das sei hier bei Zugrundelegung der Auffassung des FA nicht der Fall; denn die gemeinsame Lagerhalle besitze auf der Grenzlinie zwischen den beiden Grundstücken keine Trennwand. Das FA erklärte sich auf den Hilfsantrag der Klägerin mit einem Abschlag von je 11.664 DM einverstanden.

Die Klage hatte im Hauptantrag Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gewährte für das Erbbaurecht den Abschlag für Großobjekte von 10 v. H. und den Abschlag für übergroße bebaute Fläche von 4 v. H. Die Vorinstanz war der Auffassung, daß trotz der Annahme zweier selbständiger wirtschaftlicher Einheiten bei der Wertermittlung von der Halle als Ganzem auszugehen sei.

Dagegen wendet sich das FA mit der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FA hat zu Recht das Eigengrundstück der Klägerin und das ihr am Nachbargrundstück zustehende Erbbaurecht als zwei selbständige wirtschaftliche Einheiten behandelt. Dem steht nicht entgegen, daß es sich auch beim Erbbaurecht bewertungsrechtlich um ein Grundstück handelt (§§ 68 Abs. 1 Nr. 2, 70 Abs. 1, 92 Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes i. d. F. vom 26. September 1974 - BewG -) und daß beide Grundstücke demselben Eigentümer gehören (§ 2 Abs. 2 BewG). Wann Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenzuziehen sind und wann sie je für sich als selbständige wirtschaftliche Einheiten zu behandeln sind, bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG nach der Verkehrsauffassung. Für das Erbbaurecht gilt jedoch insofern eine Besonderheit, als § 92 Abs. 1 Satz 1 BewG das Erbbaurecht bereits als wirtschaftliche Einheit ansieht. Das gilt dort zwar nur im Verhältnis zum belasteten Grundstück. Diese Regelung gilt jedoch allgemein. Das folgt aus der einheitlichen Wertermittlung für das Erbbaurecht und das belastete Grundstück. So ist nach § 92 Abs. 1 Satz 2 BewG für die Ermittlung der beiden Einheitswerte ein aus dem Grund und Boden, den Gebäuden und den Außenanlagen bestehender Gesamtwert zu bilden, der nach näherer Maßgabe der Regelungen in § 92 Abs. 2 und 3 BewG auf das Erbbaurecht und das belastete Grundstück zu verteilen ist. Würde man demgegenüber ein Eigengrundstück und das an einem Nachbargrundstück bestehende Erbbaurecht zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammenfassen, dann müßte insoweit für diese eine einheitliche Wertfeststellung erfolgen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BewG). Dieser einheitlichen Wertermittlung stünde jedoch die in § 92 Abs. 1 Satz 1 BewG für das Erbbaurecht vorgesehene besondere Wertermittlung entgegen.

2. Sowohl den Wert für das Eigengrundstück als auch den Gesamtwert nach § 92 Abs. 1 Satz 2 BewG hat das FA nach den Vorschriften über das Sachwertverfahren (§§ 83 ff. BewG) ermittelt. Es hat dabei die streitige Lagerhalle entsprechend ihrem umbauten Raum auf die beiden Grundstücke aufgeteilt. Entgegen der Auffassung des FA sind die von der Klägerin begehrten Abschläge für Großobjekte und für "Gebäude mit übergroßen bebauten Flächen" bei beiden Gebäudeteilen zu berücksichtigen. Mit diesen Abschlägen wird dem Umstand Rechnung getragen, daß bei Großobjekten und bei übergroßer bebauter Fläche die tatsächlichen Gebäudenormalherstellungskosten unter den durchschnittlichen Normalherstellungskosten (§ 85 BewG) liegen. Durch die genannten Abschläge ist eine Angleichung des Gebäudesachwerts an den gemeinen Wert (§ 9 BewG) bezweckt (vgl. auch Gürsching/Stenger, a. a. O., § 88 Anm. 1). Daraus folgt zwingend, daß diese Abschläge auf das ganze Gebäude (bzw. die beiden Gebäudesachwerte) vorzunehmen sind und daß insoweit nicht auf die gegenständliche Begrenzung der wirtschaftlichen Einheit abzustellen ist. Denn durch die geringeren Gebäudeherstellungskosten für Großobjekte und für Gebäude mit übergroßen bebauten Flächen wird der gemeine Wert nicht nur der Halle als Ganzes, sondern auch ihrer "Teile" beeinflußt. Das macht es notwendig, die Abschläge auch vom Gebäudesachwert der einzelnen Hallen"teile" vorzunehmen. Aus dem genannten Grund folgt dann zugleich, daß Abschläge wegen fehlender Trennwände zu unterbleiben haben. Auch insoweit ist bei der Wertermittlung auf den gemeinen Wert des ganzen Gebäudes und nicht auf die gegenständliche Begrenzung der einzelnen wirtschaftlichen Einheiten abzustellen. Die Entscheidung des FG erweist sich somit als richtig.