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BFH-Urteil vom 21.5.1982 (III R 127/80) BStBl. 1982 II S. 582

Zu den Voraussetzungen, unter denen ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück gemäß § 69 BewG als Grundvermögen bewertet werden kann.

BewG i.d.F. vom 26. September 1974 § 69.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Streitig ist, ob eine landwirtschaftlich genutzte Fläche dem Grundvermögen zuzurechnen ist.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin von Grundbesitz in M.

Die Fläche liegt im Bereich des 1968 bestandskräftig gewordenen Bebauungsplans der Stadt M. Sie wurde zum maßgeblichen Stichtag (1. Januar 1974) und in den folgenden Jahren weiterhin landwirtschaftlich genutzt. Mit Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1974 hat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) diesen Grundbesitz als eine wirtschaftliche Einheit - unbebautes Grundstück - dem Grundvermögen zugerechnet und hierfür einen Einheitswert festgestellt.

Der Einspruch hiergegen blieb erfolglos.

Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) den angefochtenen Verwaltungsakt aufgehoben. Es führte zur Begründung aus, die Voraussetzungen des § 69 des Bewertungsgesetzes (BewG) seien nicht erfüllt. Dies gelte auch für § 69 Abs. 3 BewG, wonach eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, die in einem Bebauungsplan erfaßt sei, nur dann dem Grundvermögen zuzurechnen sei, wenn sie als Bauland ausgewiesen sei. Das Grundstück der Klägerin sei jedoch nur zum Teil Bauland, da auch Verkehrsflächen ausgewiesen seien.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung der §§ 2, 69 Abs. 1 und Abs. 3 BewG. Danach sei die streitbefangene Fläche Grundvermögen. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG in der ab Januar 1974 geltenden Fassung (s. Art. 2 Nr. 12b und Nr. 30 des Vermögensteuerreformgesetzes - VStRG - vom 17. April 1974, BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233) sind Flächen grundsätzlich dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn sie

a) in einem Bebauungsplan als Bauland festgesetzt sind,

b) ihre sofortige Bebauung möglich ist,

c) die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen begonnen hat oder schon durchgeführt ist.

Zu a): Nach den Feststellungen des FG ist die hier streitige Fläche im rechtskräftigen und genehmigten Bebauungsplan der Stadtgemeinde als Bauland ausgewiesen.

Zu b): Der Bebauung standen am 1. Januar 1974 weder rechtliche noch tatsächliche Hinderungsgründe entgegen. Nach den insoweit unbestrittenen Ausweisungen im Bebauungsplan, die den Feststellungen des FG zugrunde liegen und deshalb gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Senat bindend sind, war das Flurstück X für eine mögliche sofortige Bebauung ausreichend erschlossen; denn ein Bauvorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes ist bereits dann zulässig, wenn die Erschließung gesichert ist (vgl. § 30 des Bundesbaugesetzes - BBauG - i. d. F. vom 23. Juni 1960, BGBl I 1960, 341, BStBl I 1960, 446, inhaltsgleich mit § 30 BBauG vom 18. August 1976, BGBl I 1976, 2257).

Diese Voraussetzung ist auch dann gegeben, wenn die Erschließungsanlagen spätestens bis zur Fertigstellung der zu erschließenden baulichen Anlagen benutzbar sind (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Mai 1980 III R 15/78, BFHE 130, 466, BStBl II 1980, 490). Der nach dem Bebauungsplan ausgebaute Teil der K-Straße führte zu diesem Zeitpunkt bis in unmittelbare Nähe des Flurstücks X. Die Fläche konnte somit sofort bebaut werden. Hierfür ist ausreichend, wenn sie über feste Wege erreichbar und die Bebauung unter Einsatz moderner Maschinen möglich ist (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 69 BewG Anm. 28). Die Kanalisation und die Anlagen für die Energieversorgung hätten ohne weiteres während der Durchführung eines Bauvorhabens erstellt werden können, weil sie für diejenigen Liegenschaften bereits verlegt waren, die im Bebauungsplan grün markiert sind, an das streitbefangene Grundstück angrenzen und deren Rohbauabnahme bis zum maßgeblichen Stichtag erfolgt war.

Der subjektive Wille der Klägerin, das streitige Grundstück auch weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich.

Zu c): Auch die dritte Voraussetzung ist gegeben, da nach dem Bebauungsplan die Bebauung innerhalb des Plangebiets in benachbarten Bereichen einige Zeit vor dem Nachfeststellungszeitpunkt begonnen hatte.

2. Die Ausnahmevorschrift des § 69 Abs. 3 Satz 2 BewG ist unstreitig nicht erfüllt, da eine Hofstelle oder andere Flächen in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit einer Hofstelle nicht in die streitige, vom FA neu gebildete, wirtschaftliche Einheit einbezogen wurden.

3. Das FG hat gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 BewG zutreffend unterschieden zwischen Flächen, die nach dem hier maßgebenden § 9 Abs. 1 Nr. 1 a bis h BBauG 1960 im Bebauungsplan als Bauland festgesetzt sind und solchen, die gemäß § 9 Abs. 1 Nrn. 2 bis 16 BBauG 1960 nicht in diese Festsetzung miteinbezogen sind. Das FG hätte danach jedoch die Flächen, die eindeutig dem Bauland zuzuordnen sind, tatsächlich und rechtlich abgrenzen und gemäß § 69 Abs. 3 BewG dem Grundvermögen zurechnen müssen. Außerdem hätte es, wie das FA zu § 69 Abs. 1 BewG zu Recht rügt, Feststellungen dazu treffen müssen, ob die Flächen, für die gemäß § 9 Abs. 1 Nrn. 2 bis 16 BBauG 1960 eine bauliche Nutzung i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 a bis h BBauG 1960 nicht in Betracht kommt, trotz land- und forstwirtschaftlicher Bewirtschaftung gemäß § 69 Abs. 1 und 2 BewG dem Grundvermögen zuzurechnen sind.

4. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, da sie auf einer abweichenden Rechtsauffassung beruht. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Der Rechtsstreit ist daher gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Die Vorinstanz wird nunmehr die nach den Ausführungen des erkennenden Senats erforderlichen Prüfungen nachzuholen haben. Führen die tatsächlichen Feststellungen zu dem Ergebnis, daß die streitigen Flächen dem Grundvermögen zuzurechnen sind, so sind sie trotz ihrer unterschiedlichen baurechtlichen Einordnung entsprechend ihrer Zweckbestimmung und wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit als eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens als unbebautes Grundstück zu bewerten (§ 2 Abs. 1 und 2 BewG). In diesem Zusammenhang wird das FG auch Feststellungen zur Höhe des vom FA angesetzten, von der Klägerin aber bestrittenen Wertes der Grundstücksfläche nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 treffen müssen.