| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Beschluß vom 12.5.1982 (II B 76/81) BStBl. 1982 II S. 598

Zu den persönlichen Voraussetzungen der Prozeßkostenhilfe in einem einfach liegenden Fall.

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114 Satz 1, § 115 Abs. 2 und 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) schloß mit B einen "Bauherren-Betreuer-Vertrag" und einen Grundstückskaufvertrag. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) setzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 54.110 DM fest mit der Begründung, Gegenstand des Kaufvertrages sei ein Grundstück mit bezugsfertigem Gebäude gewesen.

Die Antragstellerin erhob Klage vor dem Finanzgericht (FG) mit dem Ziel der Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheides. Den gleichzeitig mit der Erhebung der Klage gestellten Antrag auf Prozeßkostenhilfe hat das FG abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.

Das FG ist im Ergebnis zutreffend zu der Ansicht gelangt, daß die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung aufbringen kann (§ 142 der Finanzgerichtsordnung - FGO -, § 114 Satz 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Prozeßkostenhilfe kann der Antragstellerin nicht bewilligt werden, da die Prozeßkosten die aus dem Vermögen der Antragstellerin aufzubringenden Teilbeträge und vier Monatsraten nicht übersteigen (§ 115 Abs. 3 ZPO).

1. Die Kosten der Prozeßführung sind mit 4.406,40 DM zu veranschlagen. Die Ansicht des FG, es könne nur die bisher angefallene Anwaltsgebühr mit 1.270 DM berücksichtigt werden, ist unzutreffend. Kosten der Prozeßführung i. S. des § 114 Satz 1 ZPO sind die rückständigen und die (voraussichtlich) noch entstehenden Kosten (§ 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO). Soll die Prozeßkostenhilfe ihre Aufgabe erfüllen, für Unbemittelte Erschwerungen des Zugangs zum Gericht zu beseitigen, muß das gesamte Kostenrisiko bei der Ermittlung der subjektiven Voraussetzungen der Prozeßkostenhilfe berücksichtigt werden. Allerdings darf ein Beteiligter durch die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe mit Festsetzung von Ratenzahlungen nicht schlechtergestellt werden als ein vergleichbarer Beteiligter ohne Prozeßkostenhilfe, der vor Abschluß des Verfahrens keine Beträge aufzubringen hat, weil im finanzgerichtlichen Verfahren keine Vorauszahlungen und Vorschüsse auf Gebühren und Auslagen erbracht werden müssen (vgl. § 65 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -) und der Prozeßbevollmächtigte keinen Vorschuß nach § 17 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) fordert. Dieser kostenrechtlichen Sonderheit hat das Gericht aber dadurch Rechnung zu tragen, daß es den Beginn der Ratenzahlungen erst auf einen Zeitpunkt nach Beiordnung eines Bevollmächtigten oder, falls keine Beiordnung erfolgt, nach Fälligkeit der Gerichtskosten bestimmt (vgl. Deutscher Bundestag - Bericht des Rechtsausschusses -, Drucksache 8/3694 S. 21, zu § 120 ZPO).

Danach berechnen sich die voraussichtlichen Prozeßkosten nach einem Streitwert von 54.110 DM wie folgt:

Gerichtskostengesetz

 

Kostenverzeichnis Nr. 1300,

 

Verfahren im allgemeinen,

 

eine Gebühr

497,00 DM

 

Kostenverzeichnis Nr. 1305,

 

Endurteil, zwei Gebühren

994,00 DM

 

außergerichtliche Kosten

 

Prozeßgebühr, § 31 Abs. 1 Nr. 1

 

§ 11 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO

1.270,00 DM

 

Verhandlungsgebühr, § 31 Abs. 1

 

Nr. 2 BRAGO

1.270,00 DM

 

Postgebühr, § 26 BRAGO

40,00 DM

 

13 v.H. Umsatzsteuer,

 

§ 25 Abs. 2 BRAGO

335,40 DM

 

-----------------

Prozeßkosten

4.406,40 DM

2. Dieser Betrag der Prozeßkosten übersteigt nicht den aus dem Vermögen der Antragstellerin aufzubringenden Teilbetrag und vier Monatsraten (§ 115 Abs. 3 ZPO).

a) Die Antragstellerin hat in der Erklärung nach § 117 Abs. 2 ZPO ihr Aktivvermögen mit 25.000 DM angegeben. Von diesem Betrag hat der Senat auszugehen. Das FG legt seiner Berechnung des verwertbaren Vermögens (Bankguthaben abzüglich Überziehungskredit) anscheinend ein Aktivvermögen von nur 20.000 DM zugrunde, möglicherweise weil es irrtümlich dieses mit dem Festgeldguthaben von 20.000 DM nach dem Stande vom 3. April 1981 gleichsetzt. Die Antragstellerin hat aber neben der Festgeldanlage noch Vermögenswerte auf Girokonto. Zwar lassen sich insofern anhand der Angaben der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren gewisse Umschichtungen erkennen. Verminderungen ihres Aktivvermögens gegenüber der Erklärung gemäß § 117 Abs. 2 ZPO hätte die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorbringen können und müssen. Der Hinweis auf eine einzelne Abhebung von 1.000 DM vom Girokonto reicht hierfür nicht aus, da es sich um die Abhebung der monatlichen Bezüge handeln kann.

Vom Aktivvermögen in Höhe von 25.000 DM sind laut Erklärung der Antragstellerin Bankschulden aus einem Überziehungskredit in Höhe von 5.387,22 DM abzuziehen. Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren vorgetragen, daß ihr darüber hinaus für ihren Rechtsanwalt an Kosten und Gebühren aus anderen Rechtsstreiten 716,28 DM und 2.500 DM inzwischen angefallen seien. Ferner stehe nach einer finanzgerichtlichen Entscheidung nunmehr fest, daß sie 8.192 DM an Einkommensteuer für die Jahre 1972 bis 1976 nachzuzahlen habe. Nach Abzug dieser Beträge vom Aktivvermögen verbleiben 8.204,50 DM.

Gemäß § 115 Abs. 2 ZPO ist bei der Berechnung des einzusetzenden Vermögens § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) entsprechend anzuwenden. Nach der aufgrund der Ermächtigung in § 88 Abs. 4 BSHG ergangenen Verordnung des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit vom 9. November 1970 (zuletzt geändert durch die Zweite Änderungsverordnung vom 6. Dezember 1979, BGBl I 1979, 2004) ist als nichtverwertbarer sonstiger Geldbetrag bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen ein Betrag von 4.000 DM anzusehen (§ 1 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung). Wendet man diese Vorschrift auf die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe entsprechend an, verbleiben der Antragstellerin als verwertbares Vermögen 4.204,50 DM.

b) Die Verwertbarkeit dieses Vermögens ist nicht gemäß § 88 Abs. 1 Nr. 2 BSHG ausgeschlossen, weil nicht anzunehmen ist, daß die Antragstellerin dieses Vermögen zur Sicherung einer angemessenen Lebensgrundlage alsbald verwenden wird. Die Antragstellerin hat nach ihrer Erklärung gemäß § 117 Abs. 2 ZPO monatliche Einkünfte von 1.398,60 DM. Belastungen aus Steuern, Versicherungen und Werbungskosten hat sie weder in der Erklärung angegeben noch sonstwie geltend gemacht. Schätzt man diese Ausgaben sowie einen erhöhten Bedarf wegen Gehbehinderung und Diät auf höchstens monatlich 398,60 DM, so verbleibt der Antragstellerin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.000 DM, von dem sie nach dem Willen des Gesetzgebers noch Raten zur Bezahlung der Prozeßkosten aufzuwenden hätte (Tabelle zu § 114 ZPO). Insoweit können bei Anwendung der Tabelle die Zahlungen an den Enkel in Höhe von 200 DM monatlich für dessen Studium nicht berücksichtigt werden, da sie nicht aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht geleistet werden. Die Unterhaltspflicht des Vaters als dem näheren Verwandten aufsteigender Linie hindert die Inanspruchnahme der Antragstellerin als Großmutter (§ 1606 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Eine Leistungsunfähigkeit des Vaters (§ 1607 BGB) ist nicht dargetan. Dagegen spricht auch, daß Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) nicht bewilligt worden sind.

Das Vorbringen der Antragstellerin, sie werde irgendwann die Kosten für ein privates Altenheim aufbringen müssen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung der Verwertbarkeit ihres Vermögens. Diese Erwartungen der Antragstellerin sind zu unbestimmt, als daß sie berücksichtigt werden könnten. Zudem ist die Antragstellerin darauf hinzuweisen, daß sie nach ihren Angaben erhebliche Beträge als Kaufpreis aus der Veräußerung ihres Grundstücks beansprucht und eingeklagt hat.

c) Wird das Nettoeinkommen der Antragstellerin mit monatlich 1.000 DM angesetzt, so ergibt sich, da Unterhaltsleistungen aufgrund gesetzlicher Vorschriften nicht vorliegen, It. Tabelle zu § 114 ZPO eine Monatsrate von 60 DM. Das verwertbare Vermögen der Antragstellerin in Höhe von 4.204,50 DM sowie vier Monatsraten ergeben einen Betrag von 4.444,50 DM. Da die Prozeßkosten diesen Betrag voraussichtlich nicht übersteigen, kann Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden.