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BFH-Beschluß vom 22.6.1982 (VII B 115/81) BStBl. 1982 II S. 603

Eine neben der Revision "hilfsweise" eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist im Regelfall als bedingtes Rechtsmittel unzulässig.

FGO § 115 Abs. 3.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als unzulässig ab. Gegen dieses Urteil legte die Klägerin - in einem Schriftsatz verbunden - Revision und "hilfsweise" Nichtzulassungsbeschwerde ein. Zur Begründung führte sie aus: Die Revision sei wegen nichtordnungsmäßiger Besetzung des FG nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Zulassung statthaft. Die Nichtzulassungsbeschwerde werde auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. §§ 40, 44, 76, 100 FGO gestützt; die angegriffene Entscheidung beruhe auf Verfahrensmängeln. Es sei daher "der Revision bzw. der hilfsweise eingelegten Beschwerde" stattzugeben.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, da sie nur hilfsweise und damit bedingt eingelegt worden sei. Die Klägerin erwiderte: Die Nichtzulassungsbeschwerde sei als Eventualantrag gekennzeichnet. Eine prozessuale Verknüpfung in dieser Form sei zulässig (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Juni 1958 III 207/57 U, BFHE 67, 219, BStBl III 1958, 356; vom 3. Mai 1968 III B 38/67, BFHE 93, 25, BStBl II 1968, 685; vom 16. Juli 1971 III R 68/69, BFHE 103, 42, BStBl II 1971, 739, und vom 6. Februar 1979 VII R 82/78, BFHE 127, 135, BStBl II 1979, 374; Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 29. Oktober 1975 2 BvR 630/73, BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271). Die Verbindung der beiden Rechtsmittel enthalte verfahrensrechtlich keine Bedingung. Ein Rechtsmittel in Form eines Eventualantrags bringe lediglich zum Ausdruck, daß eine Reihenfolge der Prüfung durch das erkennende Gericht erbeten werde und es in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt werde, ob der Hilfsantrag zur Entscheidung kommen solle oder nicht.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie bedingt eingelegt worden ist.

Wegen der im Prozeßrecht erforderlichen Klarheit über das Schweben oder das Nichtschweben eines Rechtsstreits wird die bedingte Einlegung eines Rechtsmittels allgemein als unzulässig angesehen (vgl. BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271; Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 17. Oktober 1973 IV ZR 68/73, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Finanzgerichtsordnung, § 120, Rechtsspruch 88; Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 12. Februar 1960 III C 95.59, Deutsches Verwaltungsblatt - DVBl - 1960, 780, und vom 8. August 1961 VIII CB 152/60, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1961, 913). Ob ein Rechtsmittel bedingt eingelegt worden ist, ist eine Frage der Auslegung, der auch Prozeßhandlungen zugänglich sind (vgl. BFHE 127, 135, BStBl II 1979, 374; BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271; StRK, a. a. O.). Die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde ist als bedingt eingelegt anzusehen.

Das Wort "hilfsweise" wird im prozessualen Sprachgebrauch verwendet, um zum Ausdruck zu bringen, daß ein Hilfsantrag gestellt wird, d. h. ein Antrag, der nur für den Fall angebracht wird, daß der in erster Linie gestellte Antrag (Hauptantrag) keinen Erfolg hat. Die Verwendung des Wortes "hilfsweise" macht also ein Bedingungsverhältnis kenntlich. Seiner Verwendung im Zusammenhang mit der Einlegung eines Rechtsmittels kann im Regelfall keine andere Bedeutung beigemessen werden (vgl. BVerwG-Beschlüsse in DVBl 1960, 780, DÖV 1961, 913, und vom 17. Februar 1961 IV C 96.60/IV B 85.60, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 427.3, § 339 LAG Nr. 114). Im vorliegenden Fall wird das durch die Begründung von Revision und Nichtzulassungsbeschwerde bestätigt. Aus ihr ergibt sich deutlich, daß die Klägerin die Revision nach § 116 Abs. 1 Nr. 1 FGO ohne Zulassung für statthaft hält und die Nichtzulassungsbeschwerde nur für den Fall eingelegt wissen will, daß der erkennende Senat dieser Auffassung nicht folgt. Damit steht aber die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde unter einer Bedingung.

Die Klägerin wendet sich gegen diese Auffassung mit der Begründung, ein Rechtsmittel in Form eines Eventualantrags bringe lediglich zum Ausdruck, daß eine Reihenfolge der Prüfung durch das erkennende Gericht erbeten und es in dessen Ermessen gestellt werde, ob ein Hilfsantrag zur Entscheidung komme. Sie verkennt, daß sich das Gericht mit einem Eventualantrag nur zu befassen hat, wenn es den Hauptantrag ablehnt. Es liegt also ein eindeutiges Bedingungsverhältnis vor. Das muß erst recht für ein hilfsweise eingelegtes Rechtsmittel gelten. Das Urteil des Reichsgerichts (RG) vom 2. März 1934 III 117/33 (RGZ 144, 71), auf das sich die Klägerin in diesem Zusammenhang beruft, besagt nichts anderes, da es einen anderen Fall betrifft. Das RG bestätigt dort zunächst, daß eine bedingte Klageerhebung unzulässig ist, und führt dann aus, daß eine Klage nicht als bedingt erhoben gedeutet werden kann, wenn der Kläger dem Gericht zunächst einen Klagegrund zur Entscheidung unterbreitet, hilfsweise aber noch einen zweiten.

Die Klägerin beruft sich zu Unrecht auf das Urteil des erkennenden Senats (BFHE 127, 135, BStBl II 1979, 374). Aus dieser Entscheidung ergibt sich (ebenso wie aus dem Beschluß des BVerfG in BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271), daß Revision und Nichtzulassungsbeschwerde bezüglich ihrer Zulässigkeit zwangsläufig in einem gegenseitigen innerprozessualen Bedingungsverhältnis stehen und Hinweise in der Rechtsmittelschrift allein auf dieses Bedingungsverhältnis noch nicht rechtfertigen, das Rechtsmittel als unter einer Bedingung eingelegt anzusehen. So liegt der Fall hier aber nicht. Der Rechtsmittelschrift ist deutlich zu entnehmen, daß die Klägerin vom erkennenden Senat zunächst eine Prüfung der Zulässigkeit der Revision und im Falle einer positiven Entscheidung kein weiteres Eingehen auf die Nichtzulassungsbeschwerde erwartet. Die Klägerin hat also nicht lediglich auf das innerprozessuale Bedingungsverhältnis zwischen den beiden Rechtsmitteln hinweisen wollen.

Der Beschluß des BVerfG (BVerfGE 40, 272, BStBl II 1976, 271), auf den sich die Klägerin ebenfalls beruft, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob in dieser Entscheidung das BVerfG nicht seine Kompetenzen überschritten hat, indem es seine Auslegung des Inhalts einer Prozeßhandlung (der bedingten Einlegung einer Revision) an die Stelle einer anderen Auslegung des BFH setzte. Denn jedenfalls hat das BVerfG seine Auffassung, das Rechtsmittel sei als nicht bedingt eingelegt anzusehen, damit begründet, daß es sich um die Rechtsmittelschrift eines Nichtjuristen gehandelt habe. Im vorliegenden Fall ist die hilfsweise Nichtzulassungsbeschwerde vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, einem Rechtsanwalt, eingelegt und begründet worden. Es kann vorausgesetzt werden, daß ein Rechtsanwalt den Begriff "hilfsweise" in der üblichen Bedeutung der juristischen Terminologie verwendet.

Auch auf die BFH-Entscheidungen (BFHE 93, 25, BStBl II 1968, 685; BFHE 103, 42, BStBl II 1971, 739, und BFHE 67, 219, BStBl III 1958, 356) beruft sich die Klägerin zu Unrecht. Die beiden erstgenannten Urteile betreffen nicht den Fall der hilfsweisen Einlegung einer Revision oder einer Nichtzulassungsbeschwerde. Im letztgenannten Urteil geht es um die Frage, ob ein vorsorglich eingelegtes Rechtsmittel wirksam ist und grundsätzlich die Kostenpflicht begründet. Die Wirksamkeit eines Rechtsmittels ist aber von dessen Zulässigkeit zu unterscheiden. Tipke/Kruse (Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 115 FGO Anm. 79), auf die sich die Klägerin ebenfalls berufen hat, sagen nichts anderes. Die Wirksamkeit der von der Klägerin eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde steht aber außer Zweifel.