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BFH-Urteil vom 11.5.1982 (VII R 18/82) BStBl. 1982 II S. 674

Der Prüfungsausschuß für die Steuerberaterprüfung hat die Note für jede schriftliche Arbeit jedenfalls dann aufgrund einer gemeinsamen Beratung festzusetzen, wenn sie vom Erst- und Zweitgutachter unterschiedlich begutachtet worden ist. Das gilt auch, wenn alle Mitglieder die Arbeit selbständig begutachten. Die rechnerisch von einem Sachbearbeiter vorgenommene Festsetzung der Note aufgrund der im Umlaufverfahren von den Mitgliedern des Ausschusses vorgeschlagenen Noten, ist unzulässig.

DVStB §§ 10 Abs. 5, 24 Abs. 1, 27 Abs. 1 und 2, 28 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) nahm an der Steuerberaterprüfung 1980 teil. Der Prüfungsausschuß des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzminister) führte die Begutachtung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten und die Notenfestsetzung vereinbarungsgemäß im Umlaufverfahren durch. Dabei wurde jede Aufsichtsarbeit von allen Mitgliedern des Prüfungsausschusses selbständig begutachtet und mit einer Note bewertet. Es sollte diejenige Note festgesetzt werden, für die sich die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses ausgesprochen hatte, bei Stimmengleichheit sollte die Stimme des Vorsitzenden entscheiden. Bei unterschiedlichen Noten, aus denen sich keine Mehrheit für eine Note ergab, war festgelegt, daß die endgültige Festsetzung in der Weise erfolgen sollte, daß die für die nachteiligste Note abgegebenen Stimmen den zunächst minder nachteiligen Noten solange hinzuzurechnen waren, bis sich eine erforderliche Mehrheit ergab.

Die Umsatzsteuer- und die Einkommensteuer-Klausur bewerteten die Prüfungsausschußmitglieder im Umlaufverfahren einheitlich jeweils mit der Note 4,5. Die Musterlösung für die Buchführungsklausur sah, soweit es für den Streitfall von Bedeutung ist, folgendes Bewertungsschema vor:

95 bis 100 Punkte Note 1;

50 bis 58 Punkte Note 4;

40 bis 49 Punkte Note 4,5;

30 bis 39 Punkte Note 5 und

20 bis 29 Punkte Note 5,5.

Der Erstgutachter Dr. Sch. vergab für sie 54 Punkte und bewertete sie mit der Note 4. Der Zweitgutachter gab 32 Punkte und bewertete die Arbeit mit der Note 5. Die übrigen vier Ausschußmitglieder begutachteten die Buchführungsklausur jeweils mit der Note 5. Eine mündliche Beratung des Prüfungsausschusses über eine endgültige Notenfestsetzung fand hinsichtlich aller Klausuren nicht statt. In die Begutachtungsbögen der Klausuren trug ein Sachbearbeiter des Finanzministers in der Vordruckspalte "Die Klausur ist demnach mit ... bewertet" die Endnoten 4,5 bzw. 5 ein. Danach wurden die Arbeiten dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses vorgelegt, der sie dem Finanzminister am 2. Februar 1981 mit dem Hinweis weitergab, daß die Gesamtnote für die schriftlichen Arbeiten 4,66 betrage, der Kläger damit von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei und die Steuerberaterprüfung nicht bestanden habe (§ 25 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften - DVStB -). Der Finanzminister teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 4. Februar 1981 mit.

Mit seiner Klage rügte der Kläger die Bewertung der schriftlichen Buchführungsarbeit. Er führte aus, die Bewertung durch den Erst- und Zweitgutachter sei bei einer Diskrepanz von 22 Punkten objektiv nicht nachvollziehbar. Bei mangelnder Übereinstimmung der Gutachter sei es nicht zulässig, daß die übrigen Ausschußmitglieder einfach dem nachteiligeren, mit formalen und materiellen Mängeln behafteten Gutachten folgten.

Der Kläger beantragte, die Entscheidung des Finanzministers aufzuheben.

Das Finanzgericht (FG) Münster hob die Entscheidung des Vorsitzenden des Prüfungsausschusses beim Finanzminister vom 2. Februar 1981 und die Entscheidung des Finanzministers vom 4. Februar 1981 auf (Urteil vom 3. Dezember 1981 VII 900/81 StB, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1982, 269). Es führte zunächst aus, es teile nicht die vom FG Düsseldorf in dem Vorlagebeschluß vom 20. Juli 1981 II 91/81 StB (EFG 1982, 207) vertretene Auffassung, daß § 158 Nr. 1b, c und d des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. November 1975 (BGBl I 1975, 2735) mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar sei. Auf die Begründung im einzelnen wird Bezug genommen.

Die Aufhebung der Prüfungsentscheidung begründete das FG mit dem Vorliegen eines schweren Verfahrensfehlers. Es führte aus, daß die Bewertung der Buchführungsklausur nicht lediglich im Umlaufverfahren habe erfolgen dürfen, da der Erst- und der Zweitgutachter unterschiedliche Noten gegeben hätten. Bei abweichenden Noten von Erst- und Zweitgutachter liege eine den geltenden Verfahrensbestimmungen entsprechende Bewertung nur dann vor, wenn der gesamte Ausschuß aufgrund einer mündlichen Beratung die Note durch Mehrheitsbeschluß festgelegt habe. Bei im Umlaufverfahren abgegebenen unterschiedlichen Benotungen handele es sich nur um Benotungsvorschläge für die endgültige Entscheidung des gesamten Prüfungsausschusses. Wenn in §§ 24 Abs. 1 Satz 2, 10 Abs. 5 DVStB bestimmt sei, daß der Prüfungsausschuß die Note für die schriftlichen Prüfungsarbeiten festzusetzen habe und der Ausschuß mit Stimmenmehrheit entscheide, bedeute dies, daß die Entscheidung über die endgültige Notenvergabe durch den gesamten Ausschuß in Form einer Kollegialentscheidung zu treffen sei. Für die zur Entscheidung berufenen Personen müsse die Möglichkeit bestehen, ihre Einzelmeinungen gegenüber den anderen Mitgliedern darlegen und begründen zu können. Es sei erforderlich, daß zumindest jedes Einzelmitglied davon erfahre, daß unterschiedliche Meinungen vertreten würden und daß die endgültige Entscheidung von jedem Mitglied in der Kenntnis getroffen werde, daß hinsichtlich der zu bewertenden Prüfungsleistung unterschiedliche Auffassungen vertreten würden. Finde in einem solchen Falle eine gemeinsame Beratung des Prüfungsausschusses und eine Abstimmung über die endgültige Notenvergabe nicht mehr statt, liege nur eine rechnerische Addition von Einzelmeinungen der Ausschußmitglieder vor.

Aus § 28 Abs. 1 DVStB könne nicht abgeleitet werden, daß es in der Steuerberaterprüfung bei der Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten einer Beratung durch den gesamten Prüfungsausschuß nicht bedürfe. Wenn dort bestimmt sei, daß der Prüfungsausschuß im unmittelbaren Anschluß an die mündliche Prüfung über das Ergebnis der Prüfung berate, habe der Verordnungsgeber lediglich zum Ausdruck gebracht, daß sogleich im Anschluß an die mündliche Prüfung die endgültige Prüfungsentscheidung zu treffen und eine Vertagung auf einen späteren Zeitpunkt nicht zulässig sei.

Der Verfahrensfehler des Prüfungsausschusses sei auch wesentlich. Bei einem Punkteunterschied zwischen der Bewertung des Erstgutachters und des Zweitgutachters von 22 Punkten sei nicht auszuschließen, daß aufgrund eines Meinungsaustausches in Form einer Beratung der Prüfungsausschuß zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte kommen können. Bei einer Note von 4 oder 4,5 hätte die nach § 25 DVStB zu bildende Gesamtnote nicht die Zahl 4,5 überstiegen. Der Kläger hätte dann an der mündlichen Steuerberaterprüfung teilnehmen können.

Mit seiner Revision rügt der Finanzminister die Verletzung des § 24 Abs. 1 DVStB. Er ist der Ansicht, diese Vorschrift regele nicht, in welcher Form die Notenfestsetzung durch den Prüfungsausschuß zu erfolgen habe. Es liege im Ermessen des Ausschusses, wie er bei der Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten verfahre (BFHE 120, 106, BStBl II 1976, 797; Bühring, Steuerberatungsgesetz, Ergänzungsheft Die Durchführungsverordnung, 1963, Anm. 4 zu § 9). Mit seiner Entscheidung, die Prüfungsarbeiten durch alle Prüfer im Umlaufverfahren zu bewerten, sei der Ausschuß über das Mindesterfordernis der Begutachtung durch zwei Prüfer hinausgegangen. Zugleich sei die Notenfestsetzung durch Mehrheitsentscheidung (§ 10 Abs. 5 DVStB) erfolgt. Eine mündliche Beratung sehe § 24 Abs. 1 DVStB nicht vor. Es gebe auch im Prüfungsrecht keinen dahin gehenden allgemeinen Grundsatz, auch nicht bei abweichenden Noten von Erst- und Zweitgutachter. Diese Frage sei in den verschiedensten Vorschriften sehr unterschiedlich geregelt (vgl. § 28 Abs. 1 einerseits und § 24 Abs. 1 DVStB andererseits). § 11 der Prüfungsordnung für Wirtschaftsprüfer vom 31. Juli 1962 (BGBl I, 529) überlasse die Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten im Grundsatz zwei Prüfern. Eine Notenfestsetzung durch den Ausschuß erfolge nur in Ausnahmefällen. Dabei sei eine mündliche Beratung nicht vorgeschrieben. Eine vergleichbare Regelung enthalte § 11 Abs. 1 des Juristenausbildungsgesetzes (JAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. April 1979 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GV NW - S. 260) für die juristischen Staatsexamen. Hier werde eine Beratung, soweit erforderlich, ausdrücklich angeordnet. § 12 Abs. 2 JAG i. V. m. § 8a Abs. 2 der Juristenausbildungsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. April 1979 (GV NW 267) sehe bei der Bewertung der häuslichen Arbeit eine mündliche Beratung des Prüfungsausschusses ohne Rücksicht darauf vor, ob die Prüfer bei der Begutachtung zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien oder nicht.

Eine Beratung des Prüfungsausschusses könne mithin nur verlangt werden, wenn sie ausdrücklich vorgeschrieben oder aber notwendig sei. Eine Beratung sei demgemäß im Rahmen des § 24 Abs. 1 DVStB nur erforderlich, wenn nicht alle Prüfer die Prüfungsarbeiten begutachteten. Würden dagegen die Aufsichtsarbeiten von jedem Prüfer bewertet, könne ohne Nachteil für den Kandidaten auf eine mündliche Beratung verzichtet werden. Stelle man auf das Mindesterfordernis der selbständigen Begutachtung durch zwei Prüfer ab, seien ihre in der Prüfungsarbeit vermerkten gutachtlichen Äußerungen bei der Durchsicht der Arbeiten durch die übrigen Prüfer für diese erkennbar. Sie könnten daher das Für und Wider der einen oder anderen Auffassung abwägen und sich insoweit eine Meinung bilden. Eine solche Verfahrensweise führe mindestens zu ebenso gerechten Ergebnissen wie die zulässige Begutachtung der Aufsichtsarbeiten durch nur zwei Prüfer mit anschließender Notenfestsetzung durch den Ausschuß in mündlicher Beratung, ohne daß die übrigen Prüfer die Arbeiten durchgesehen hätten.

Der Auffassung des FG, der Verzicht auf eine Beratung mit Meinungsaustausch widerspreche dem Wesen von Kollegialentscheidungen, könne nicht gefolgt werden. Kollegialentscheidungen setzten keineswegs stets eine mündliche Beratung voraus. Sie könnten vielmehr im schriftlichen Verfahren (Umlaufverfahren) oder nach mündlicher Beratung ergehen. Der Forderung des FG, daß sich die Gremiumsmitglieder im Zeitpunkt ihrer Einzelentscheidung der Tragweite und Bedeutung im Hinblick auf die zu treffende Gesamtentscheidung bewußt sein müßten, werde das streitige Notenfestsetzungsverfahren gerecht. Die Ausschußmitglieder wüßten, daß sie mit ihrer Begutachtung gleichzeitig ihre Stimme für die Entscheidung des Ausschusses i. S. des § 10 Abs. 5 DVStB abgäben und daß ein Kandidat möglicherweise bereits aufgrund der Ergebnisse der schriftlichen Prüfungsarbeiten die Prüfung nicht bestehe.

Das FG sehe die Aufgabe der Prüfer im Rahmen der Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten nicht richtig. Diese hätten in erster Linie ihre Auffassung bei der selbständigen Begutachtung der Prüfungsarbeiten zum Ausdruck zu bringen. Die Begründung könne nicht einer Beratung des Prüfungsausschusses vorbehalten bleiben.

Der Finanzminister beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß § 158 Nr. 1b, c und d StBerG mit dem GG vereinbar ist.

Das FG hat zu Recht in der Art und Weise, in der der Prüfungsausschuß die Note für die Buchführungsklausur festgesetzt hat, einen Verfahrensfehler gesehen, der zur Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes führen muß. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 DVStB ist jede schriftliche Arbeit von mindestens zwei Mitgliedern des Prüfungsausschusses selbständig zu begutachten. In Satz 2 der genannten Vorschrift ist bestimmt, daß der Prüfungsausschuß die Note festsetzt. Aus dem Zusammenhang beider Sätze ergibt sich, daß zwischen der Begutachtung jeder schriftlichen Arbeit durch mindestens zwei Mitglieder des Prüfungsausschusses einerseits und der Festsetzung der Note durch den Prüfungsausschuß andererseits, zu unterscheiden ist. Diese Unterscheidung zwischen der Einzelbegutachtung jeder schriftlichen Arbeit durch die Mitglieder des Prüfungsausschusses und der Festsetzung der Note durch den Prüfungsausschuß ist auch dann zu beachten, wenn, was § 24 Abs. 1 Satz 1 DVStB ausdrücklich zuläßt (... von mindestens zwei Mitgliedern des Prüfungsausschusses ...) alle sechs Mitglieder des Prüfungsausschusses die schriftliche Arbeit selbständig begutachten. Die im Streitfall von sämtlichen Mitgliedern des Prüfungsausschusses bei der selbständigen Begutachtung der schriftlichen Arbeit erteilten abweichenden Noten sind deshalb wegen der in § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DVStB getroffenen Unterscheidung grundsätzlich nur Benotungsvorschläge für die endgültige Entscheidung des gesamten Prüfungsausschusses (so zutreffend Niehues, Schul- u. Prüfungsrecht 1976, Rdnr. 419).

Nach dem vom Prüfungsausschuß praktizierten und vorher vereinbarten Verfahren stellte die Einzelbegutachtung jeder schriftlichen Arbeit durch sämtliche Mitglieder des Prüfungsausschusses und die Festsetzung der Note durch den Prüfungsausschuß einen einheitlichen Vorgang dar. Es kann hier dahinstehen, ob das mit der in § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DVStB getroffenen Regelung vereinbar ist und ob dem Wortlaut der genannten Vorschrift nicht entnommen werden muß, daß eine Festsetzung der Note durch den Prüfungsausschuß nur dann vorliegt, wenn sie nach Abschluß der Einzelbegutachtung durch eine gemeinsame Beratung sämtlicher Mitglieder des Prüfungsausschusses und in Kenntnis der erteilten Noten geschieht. Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, könnte man der vom Finanzminister vertretenen Auffassung, daß bei im Umlaufverfahren von sämtlichen Ausschußmitgliedern vorgeschlagenen Noten deren rechnerischer und vorher vereinbarter Vollzug zugleich auch die Festsetzung der Note durch den Prüfungsausschuß bedeute, allenfalls dann zustimmen, wenn sämtliche Ausschußmitglieder dieselbe Note vorgeschlagen hätten. Denn in diesem Falle würde die zu erteilende Note sich auch bei einer anschließenden Beratung des Prüfungsausschusses in der Regel nicht ändern. Die als Benotungsvorschläge zu verstehenden Einzelgutachten sämtlicher Ausschußmitglieder (§ 24 Abs. 1 Satz 1 DVStB) können die in § 24 Abs. 1 Satz 2 DVStB vorgeschriebene Festsetzung der Note durch den gesamten Prüfungsausschuß jedenfalls dann nicht entbehrlich machen, wenn der Erst- und Zweitgutachter stark voneinander abweichende Noten erteilt haben. Das trifft nach den Feststellungen des FG zu. Danach hat der Erstgutachter die Buchführungsklausur am 2. November 1980 mit der Note 4 bewertet (54 Punkte), der Zweitgutachter am 7. Dezember 1980 mit der Note 5 (32 Punkte) und der Vorsitzende des Prüfungsausschusses als letzter der Mitglieder des Prüfungsausschusses am 18. Januar 1981, ebenso wie die drei anderen Ausschußmitglieder in der Zwischenzeit, mit der Note 5. Es liegt im Wesen dieses sich über mehr als zwei Monate erstreckenden Umlaufverfahrens, daß z. B. der Erstgutachter, der die Note 4 vorgeschlagen hat, weder die Begutachtungen der anderen fünf Ausschußmitglieder, noch auch die sich bei Einhaltung des vereinbarten Verfahrens über die Festsetzung der Note durch den Prüfungsausschuß ergebende Gesamtnote gekannt hat. Das gilt in abgestuftem Maße auch für den Zweit-, Dritt-, Viert- und möglicherweise sogar für den Fünftgutachter, weil bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden und damit des letzten Gutachters den Ausschlag gibt (vgl. § 10 Abs. 5 Satz 2 DVStB). Ein solches System der Notenvergabe, bei dessen Anwendung im Einzelfalle wegen abweichender Noten die Mitglieder des Prüfungsausschusses gar nicht wissen können, welche Note für die schriftliche Prüfungsarbeit festgesetzt worden ist, entspricht nicht den Anforderungen des § 24 Abs. 1 Satz 2 DVStB, dies insbesondere im Hinblick darauf, daß Regelungen der Ausbildungsnote und damit auch des Zustandekommens der Noten der schriftlichen Prüfungsarbeiten in den Schutzbereich des Grundrechts der Berufsfreiheit fallen. Den Mitgliedern des Prüfungsausschusses muß bei abweichenden Gutachten Gelegenheit gegeben werden, ihre Gutachten zu erläutern und in eine Erörterung darüber einzutreten, worauf die abweichenden Gutachten beruhen können. Eine solche Beratung schließt die Möglichkeit ein, daß einzelne Mitglieder des Ausschusses ihr Votum ändern, was wiederum zu einer Änderung der vom Prüfungsausschuß festzusetzenden Gesamtnote führen kann. Darauf wird es entscheidend insbesondere dann ankommen, wenn die von den Ausschußmitgliedern in ihren Gutachten erteilten Noten in noch stärkerem Maße voneinander abweichen als im vorliegenden Streitfall. Der Wortlaut des § 24 Abs. 1 Satz 2 DVStB, daß der Prüfungsausschuß die Note jeder schriftlichen Arbeit festsetzt, ist deshalb jedenfalls bei abweichender Begutachtung durch die Ausschußmitglieder so auszulegen, daß diese Festsetzung in gemeinsamer Beschlußfassung und in Kenntnis der von sämtlichen Ausschußmitgliedern vorgeschlagenen Noten geschieht.

Die gegen die vorstehend dargelegte Rechtsauffassung vom Finanzminister erhobenen Einwendungen schlagen nicht durch. Der Senat hat zwar in seinem Urteil in BFHE 120, 106, BStBl II 1976, 797 ausgeführt, es liege im Ermessen des Ausschusses, wie er bei der Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten verfahre. Dieses Urteil hat sich aber nicht mit der im vorliegenden Fall streitigen Frage der Festsetzung der Note für eine schriftliche Arbeit befaßt, die bei einer Begutachtung durch sämtliche Mitglieder des Prüfungsausschusses im Umlaufverfahren verschieden begutachtet worden ist. Die in jenem Urteil für die schriftliche Arbeit vom Prüfungsausschuß endgültig beschlossene Note beruhte auf den übereinstimmenden Notenvorschlägen der zwei vom Vorsitzenden mit der Begutachtung betrauten Mitglieder des Prüfungsausschusses.

Daß § 24 Abs. 1 DVStB eine gemeinsame Beratung des Prüfungsausschusses nicht ausdrücklich vorsieht, ist nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls bei abweichenden Begutachtungen durch die Prüfungsausschußmitglieder unbeachtlich. Sie ist im übrigen auch in § 27 DVStB, in dem die Bewertung der mündlichen Prüfung geregelt ist, nicht ausdrücklich vorgeschrieben, obwohl sie im Hinblick auf die in § 26 Abs. 3 DVStB getroffene Regelung notwendigerweise stattfinden muß. In § 27 Abs. 2 DVStB ist lediglich, wie in § 24 Abs. 1 Satz 2 DVStB, bestimmt, daß die Noten in der mündlichen Prüfung vom Prüfungsausschuß festgesetzt werden. Der Verordnungsgeber hat als selbstverständlich vorausgesetzt, daß nach Abschluß der in Abs. 1 geregelten Teile der mündlichen Prüfung der gesamte Prüfungsausschuß über die Note berät.

Auch die in § 28 Abs. 1 Satz 1 DVStB ausdrücklich getroffene Regelung, daß im unmittelbaren Anschluß an die mündliche Prüfung der Prüfungsausschuß über das Ergebnis der Prüfung berät, vermag die Rechtsauffassung des Finanzministers zur Auslegung des § 24 Abs. 1 DVStB nicht zu unterstützen. § 28 Abs. 1 Satz 1 DVStB befaßt sich nicht mit der Festsetzung von Einzelnoten für die schriftlichen Arbeiten oder für die in der mündlichen Prüfung erbrachten Leistungen, sondern unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einzelnoten mit dem Gesamtergebnis der Prüfung. Schon aus diesem Grunde konnte sich der Verordnungsgeber einer anderen Ausdrucksweise bedienen als für die Festsetzung der einzelnen Noten der vorangegangenen schriftlichen und mündlichen Prüfung. Es können deshalb nicht, wie es der Finanzminister tut, Rückschlüsse der Art gezogen werden, daß der Prüfungsausschuß zwar nach Abschluß der schriftlichen und mündlichen Prüfung gemeinsam über das Ergebnis zu beraten habe, daß das aber bei der Festsetzung der Noten der schriftlichen Prüfungsarbeiten, auch wenn sie unterschiedlich begutachtet worden sind, nicht erforderlich sei.

Welche Regelungen in anderen Prüfungsordnungen über die Benotung schriftlicher Arbeiten getroffen worden sind, ist im Hinblick darauf, daß § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DVStB eine eigenständige Regelung darstellt, unbeachtlich. Im übrigen sieht auch § 11 Abs. 2 der vom Finanzminister zitierten Prüfungsordnung für Wirtschaftsprüfer vor, daß bei größeren Abweichungen der die schriftlichen Arbeiten selbständig bewertenden zwei Mitglieder des Prüfungsausschusses der Prüfungsausschuß die Note festsetzt, wenn die Berichterstatter sich nicht einigen oder sich in ihren Bewertungen nicht bis auf eine Stufe annähern. Das kann nur aufgrund einer gemeinsamen Beratung geschehen. Was nach dieser Vorschrift ausnahmsweise geschieht, nämlich die Festsetzung der Note durch den Prüfungsausschuß, ist in § 24 Abs. 1 Satz 2 DVStB grundsätzlich vorgeschrieben.

Die Ausführungen des FG darüber, daß der Verfahrensfehler für die vom Prüfungsausschuß getroffene Prüfungsentscheidung wesentlich gewesen ist, sind nicht zu beanstanden.