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BFH-Urteil vom 3.6.1982 (VI R 48/79) BStBl. 1982 II S. 710

1. Die Pauschalierung der Lohnsteuer für Teilzeitbeschäftigte muß nicht einheitlich für alle in Betracht kommenden Arbeitnehmer durchgeführt werden.

2. Bei der Inanspruchnahme des Arbeitgebers im Wege der Lohnsteuerhaftung muß das FA seine Ermessenserwägungen dann nicht kundtun, wenn der Arbeitgeber nach Abschluß einer Lohnsteuer-Außenprüfung seine Zahlungsverpflichtung schriftlich anerkannt hat. Die Überprüfbarkeit der Ermessensausübung selbst nach den dafür geltenden Grundsätzen bleibt davon unberührt.

EStG 1977 § 40a, § 42d; AO 1977 § 121 Abs. 2 Nr. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) beschäftigte in den Streitjahren 1974 bis 1976 nacheinander fünf Laufjungen, ohne sich deren Lohnsteuerkarten vorlegen zu lassen. Er behielt von den an sie gezahlten Bezügen keine Lohnsteuer ein, erhob die Lohnsteuer aber auch nicht im Wege der Pauschalierung, obwohl er die Löhne anderer Aushilfskräfte pauschal versteuerte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) nahm den Kläger wegen Nichteinbehaltung und -abführung der auf die Bezüge entfallenden Lohnsteuern nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung in Anspruch. Dabei erließ das FA keinen förmlichen Bescheid, weil der Kläger mit seiner Unterschrift unter den Prüfungsbericht die Mehrsteuern anerkannt und auf die Erteilung eines besonderen Bescheides verzichtet hatte. Es berechnete die Lohnsteuer mit jeweils 10 v.H. der gezahlten Bezüge.

Mit dem Einspruch beantragte der Kläger, die Lohnsteuer nicht zu erheben. Das FA wies den Einspruch zurück.

Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung des Nachforderungsbescheides begehrte, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Die Inanspruchnahme des Klägers sei unbillig. Er hätte zwar von den an die Laufjungen gezahlten Löhnen Lohnsteuern selbst dann einbehalten müssen, wenn von vornherein festgestanden hätte, daß wegen der geringen Höhe der Einkommen der Laufjungen die Lohnsteuer wieder zu erstatten sei. Nach Ablauf der Streitjahre komme eine Haftung des Klägers gleichwohl nur insoweit in Betracht, als im Ergebnis eine Jahressteuerschuld in der Person der einzelnen Laufjungen entstanden sei. Die Lohnsteuerhaftung begründe ein Gesamtschuldverhältnis, habe aber keinen Strafcharakter und könne auch nicht allein auf die Verletzung von Vorschriften über das Lohnsteuererhebungsverfahren gestützt werden. Der Kläger habe im Gegensatz zur Auffassung des FA nicht die Pauschalierung der auf die streitigen Löhne entfallenden Lohnsteuern nach § 40a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 gewählt. Das könne ihm allein wegen der vorschriftswidrigen Nichteinbehaltung und -abführung der Lohnsteuern nicht unterstellt werden. Die durch Unterschrift erfolgte Anerkennung der Lohnsteuernachforderung rechtfertige lediglich den Verzicht des FA auf Erlaß eines besonderen Haftungsbescheides. Im Streitfall bedeute die Inanspruchnahme des Klägers einen Ermessensfehlgebrauch, weil damit gerechnet werden müsse, daß die Einkünfte der Aushilfskräfte, deren Namen und Anschriften dem FA bekannt seien, unter der Grenze der Steuerpflicht gelegen hätten.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es trägt im wesentlichen vor: Die Ausführungen des FG widersprächen dem Inhalt des Lohnsteuerprüfungsberichts, wonach der Kläger lediglich die Bezüge der Laufjungen bei der Pauschalbesteuerung von Aushilfslöhnen nicht berücksichtigt habe. Der Kläger habe in den Streitjahren in größerem Umfang Aushilfslöhne pauschal versteuert. Das dahingehende Wahlrecht könne aber nur einheitlich ausgeübt werden. Das gelte auch dann, wenn bei Vorlage der Lohnsteuerkarte keine Lohnsteuer anfallen würde.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Inanspruchnahme des Klägers einen Ermessensfehlgebrauch durch das FA darstellt.

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG 1977 haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Nach § 42d Abs. 3 Satz 1 EStG 1977 sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer Gesamtschuldner, soweit die Haftung des Arbeitgebers reicht. Das Betriebsstätten-FA kann nach § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG 1977 die Steuerschuld oder Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen.

1. Das FA nahm den Kläger im Streitfall im Wege der Arbeitgeberhaftung im Sinne des § 42d EStG 1977 in Anspruch. Der Kläger ist entgegen der Auffassung des FA nicht Schuldner einer von ihm übernommenen pauschalen Lohnsteuer.

a) Der Kläger hat mit der Pauschalierung der Lohnsteuern von anderen Teilzeitbeschäftigten in den Streitjahren nicht auch sein Pauschalierungswahlrecht im Hinblick auf die an die Laufjungen gezahlten Löhne ausgeübt.

Nach § 40a Abs. 1 EStG 1975 kann der Arbeitgeber unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte bei Arbeitnehmern, die nur kurzfristig oder gegen geringen Arbeitslohn beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 10 v.H. des Arbeitslohns erheben. Voraussetzung dafür ist, daß er die pauschale Lohnsteuer übernimmt. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Arbeitgeber Schuldner der pauschalen Lohnsteuer (§ 40a Abs. 4 i.V.m. § 40 Abs. 3 EStG 1975). Die Vorschrift entspricht im wesentlichen den für das Streitjahr 1974 noch maßgeblichen Bestimmungen des § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG 1974 (§ 35b Abs. 1 Nr. 1 b der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1971) i.V.m. Abschn. 52c Abs. 1 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1972, wonach bei Übernahme der pauschalen Lohnsteuer durch den Arbeitgeber der Pauschsteuersatz 10 v.H. des Arbeitslohns betrug.

Die Voraussetzungen der jeweiligen Pauschalierungsvorschriften lagen in den Streitjahren nicht vor. Der Kläger verzichtete zwar auf die Vorlage der Lohnsteuerkarten durch die jeweils beschäftigten Laufjungen. Er nahm jedoch weder eine Pauschalversteuerung der an sie gezahlten Löhne vor, noch gab er eine Übernahmeerklärung in bezug auf darauf etwa entfallende pauschale Lohnsteuern ab.

aa) Dem FA ist nicht darin zu folgen, daß das Fehlen dieser Voraussetzungen unerheblich sei, weil das dem Arbeitgeber nach den genannten Vorschriften zustehende Pauschalierungswahlrecht nur einheitlich ausgeübt werden könne (so aber Nissen in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Stand März 1982, § 40a Rz. 7).

Weder der Wortlaut des § 40a EStG 1975 noch der des § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG 1974 enthält eine dahingehende Bestimmung. Vielmehr legt die allgemeingehaltene Formulierung beider Vorschriften die Auslegung nahe, daß der Arbeitgeber innerhalb der in Frage kommenden Gruppe von Arbeitnehmern diejenigen auswählen kann, deren Löhne er pauschal versteuern will.

Auch aus dem System und dem Zweck der Lohnsteuerpauschalierung folgt nichts anderes. Es mag zwar zutreffen, daß der einheitliche Pauschsteuersatz von 10 v.H. dem Umstand Rechnung trägt, daß für einen Teil der in Betracht kommenden Arbeitnehmer eine Jahressteuerschuld nicht besteht, bei anderen sich hingegen eine Jahressteuerbelastung von über 10 v.H. ergibt. Daraus folgt jedoch nicht zwingend eine einheitliche Behandlung aller betroffenen Arbeitnehmer. Denn das Pauschalierungsverfahren des § 40a EStG 1975 und des § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG 1974 (§ 35b Abs. 1 Nr. 1 b LStDV 1971) i.V.m. Abschn. 52c Abs. 1 LStR 1972 zielt nicht auf die Ermittlung eines Steueraufkommens ab, das sich auch bei Vorlage von Lohnsteuerkarten durch die betroffenen Arbeitnehmer ergeben würde. Der Pauschsteuersatz der genannten Vorschrift war zunächst nur Gegenstand der Verwaltungsregelung in Abschn. 52c Abs. 1 LStR 1972. Diese Regelung hatte zum einen einen deutlichen Vereinfachungscharakter, zum anderen wohnte ihr offenbar eine soziale Zielsetzung insofern inne, als der Arbeitgeber angesichts der geringen Höhe des Pauschsteuersatzes motiviert werden sollte, durch Übernahme der Steuer die nur in geringem Umfang entlohnten Arbeitskräfte steuerlich zu entlasten. Diese Regelung fand bei der Neufassung des EStG 1975 Eingang in § 40a EStG 1975, weil sie sich in dieser Form bewährt hatte (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes, BTDrucks 7/1470, 305). Der vereinfachende und soziale Charakter der Regelung hat sich dabei nicht verändert. Deshalb geht der Senat davon aus, daß der Gesetzgeber etwa mit diesem Verfahren typischerweise verbundene Steuerausfälle bewußt in Kauf genommen hat.

Diese Auffassung ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Der Arbeitnehmer kann nach Arbeitsrecht verlangen, daß der Arbeitgeber die Lohnsteuerkarte entgegennimmt und die Lohnsteuer im Abzugsverfahren einbehält (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juni 1978 3 AZR 156/77, Der Betrieb - DB - 1978, 2081, Arbeitsrechtliche Praxis Nr. 1 zu § 40a EStG, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1979, 110). Das kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn dem Arbeitnehmer die Lohnsteuer im Lohnsteuer-Jahresausgleich zu erstatten ist oder wenn er keine Lohnsteuer zu tragen hat (vgl. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: "Pauschalierung der Lohnsteuer" Anm. A S. 196 p). Diese arbeitsrechtliche Lage kann es mit sich bringen, daß im wesentlichen nur Löhne solcher Arbeitnehmer pauschal nach § 40a EStG 1975 versteuert werden, bei denen sich in Anbetracht der anzuwendenden Lohnsteuerklasse eine über 10 v.H. liegende Steuerbelastung ergeben würde (vgl. Popp, Betriebs-Berater - BB - 1978, 1256, 1258). Angesichts der weiten Fassung des § 40a EStG 1975 geht der Senat davon aus, daß der Gesetzgeber auch in solchen Fällen die Pauschalierung nach der genannten Vorschrift nicht grundsätzlich ausgeschlossen wissen wollte. Zwar mag die Vorstellung, daß im allgemeinen die Pauschalierung für Arbeitnehmer mit einer Steuerbelastung von 0 v.H. und solchen mit einer Steuerbelastung von über 10 v.H. angewendet werden wird, eine gedankliche Richtschnur des Gesetzgebers bei der Bemessung des Pauschsteuersatzes von 10 v.H. im Sinne der genannten Vorschriften gewesen sein. Sie ist aber nicht derart Gesetzeszweck geworden, daß die Anwendung dieses Steuersatzes insgesamt zu etwa dem Steueraufkommen, wie es sich im Lohnsteuerabzugsverfahren ergeben würde, führen soll. Im Gegenteil läßt sich der Gesetzesbegründung zu § 40b EStG 1975, in welchem ein auf Zukunftsicherungsleistungen zu berechnender Pauschsteuersatz von ebenfalls 10 v.H. vorgesehen ist, entnehmen, daß der Gesetzgeber zur Erreichung eines sozialpolitisch erwünschten Zieles durchaus bereit ist, auf eine genaue lohnsteuerliche Erfassung des zugewendeten Vorteils zu verzichten (vgl. BRDrucks 590/73, 40). Wegen der Ähnlichkeit beider Pauschalierungsvorschriften in ihrer sozialpolitischen Zielsetzung und in ihrer steuerrechtlichen Ausgestaltung geht der Senat davon aus, daß der Gesetzgeber auch bei einer Pauschalierung nach § 40a EStG 1975 auf die zutreffende Ermittlung der auf die in Rede stehenden Löhne insgesamt entfallenden Lohnsteuern verzichten wollte.

Gegen diese Auffassung spricht auch nicht die seit dem Veranlagungszeitraum 1981 ohnedies gestrichene Vorschrift des § 40a Abs. 3 Satz 2 EStG 1975, wonach das Betriebstätten-FA die Pauschalierung untersagen kann, wenn die Pauschalsteuer offensichtlich von der nach den §§ 39b bis 39d EStG 1975 insgesamt zu erhebenden Lohnsteuer abweicht. Denn es ist nach dem Wortlaut der Vorschrift Aufgabe des FA, durch Erlaß eines Untersagungsaktes zu verhindern, daß es zu einem krassen Unterschied zwischen einbehaltbarem und übernommenem Steueraufkommen kommt. Da aber in diesem Fall die Pauschalierung insgesamt zu untersagen ist, ist daraus ebenfalls zu folgern, daß es nicht Aufgabe des Arbeitgebers ist, bei Anwendung des Pauschalierungsverfahrens für ein im Abzugsverfahren erzielbares Steueraufkommen zu sorgen. Er muß also nicht auch die Arbeitnehmer, bei denen wegen der geringen Entlohnung keine Lohnsteuer einzubehalten ist, in die Pauschalierung einbeziehen. Dies gilt auch dann, wenn er auf die Vorlage der Lohnsteuerkarte verzichtet hat. Denn der Arbeitgeber hat zwar nach dem Gesetz nur die Möglichkeiten, sich die Lohnsteuerkarte vom Arbeitnehmer vorlegen zu lassen (§ 39b Abs. 1 EStG 1975) oder unter Verzicht auf die Lohnsteuerkarte den Arbeitslohn zu pauschalieren; eine dritte gesetzlich zugelassene Möglichkeit besteht nicht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1974 VI R 167/73, BFHE 114, 342, BStBl II 1975, 297). Daraus folgt jedoch kein Pauschalierungszwang im Falle des Verzichts auf die Lohnsteuerkarte. Vielmehr ist es allein dem Lohnsteuerhaftungsverfahren vorbehalten, die aus der Verletzung von Arbeitgeberpflichten erwachsenen steuerlichen Nachteile des Fiskus auszugleichen.

Der Senat befindet sich mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zu seinem Urteil vom 3. November 1972 VI R 270/69 (BFHE 107, 381, BStBl II 1973, 128). Er hat dort zwar u.a. ausgeführt, die Besteuerung kurzfristig beschäftigter Arbeitnehmer nach § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG in der vor dem 1. Januar 1975 gültigen Fassung setze eine einheitliche Behandlung der betroffenen Arbeitnehmer voraus, weil sonst das Steueraufkommen in ungerechtfertigter Weise gekürzt werden würde. Der Sachverhalt dieses Urteils wies jedoch die Besonderheit auf, daß dort das FA die Pauschalbesteuerung durch Verwaltungsakt zugelassen und von der Einbeziehung der Löhne sämtlicher kurzfristig beschäftigter Arbeitnehmer abhängig gemacht hatte. Das Urteil besagt nichts darüber, ob dies auch in den Fällen zu gelten hat, in denen das FA einen solchermaßen einschränkenden Verwaltungsakt nicht erlassen hat bzw. nicht erlassen kann.

bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Wege der Auslegung der der pauschalen Besteuerung anderer Teilzeitbeschäftigter nach § 42a Abs. 2 Nr. 3 EStG 1974 und § 40a EStG 1975 zugrunde liegenden Übernahmeerklärung des Klägers.

Der Senat hält es an sich für möglich, auch eine solche Erklärung nach § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dahin auszulegen, daß der Arbeitgeber sämtliche in Frage kommenden Arbeitnehmer pauschal besteuern und die pauschale Lohnsteuer übernehmen wolle. Denn die Vorschrift des § 133 BGB ist im öffentlichen Recht anwendbar und gilt auch für Erklärungen des Bürgers gegenüber der Behörde (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 10. Juli 1963 VI C 91.60, BVerwGE 16, 198). Doch sind im Streitfall die Voraussetzungen für eine Auslegung der Übernahmeerklärung in dem genannten Sinne nicht gegeben. Nach § 133 BGB ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Diese Vorschrift hat ein allgemeines Verständnis dahin erfahren, daß es darauf ankommt, wie der Empfänger die Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen durfte (vgl. Urteil des BVerwG vom 12. Januar 1973 VII C 3.71, BVerwGE 41, 305). Im Streitfall sind aber keine Umstände ersichtlich, aus denen das FA auf den Willen des Klägers hätte schließen können, die lohnsteuerlichen Verhältnisse sämtlicher in Betracht kommender Arbeitnehmer im Pauschalverfahren abzuwickeln. Hierfür wäre nach Auffassung des Senats zumindest erforderlich gewesen, daß der Kläger dem FA die Art der Tätigkeit und die voraussichtliche Zahl der betroffenen Arbeitnehmer angibt (vgl. Nissen, DB 1963, 184). Daß dies geschehen sei, hat auch das FA nicht vorgetragen.

b) Der Kläger hat nach Abschluß der Lohnsteuerprüfung auch keinen Antrag auf Pauschalierung von nachzuerhebender Lohnsteuer nach § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1977 oder auf Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40a EStG 1977 gestellt. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß die Unterschrift des Klägers unter dem Prüfungsbericht trotz der formalen Anerkennung der im Pauschalierungswege berechneten Lohnsteuer nicht in diesem Sinne ausgelegt werden kann. Die schriftliche Anerkennung der Zahlungsverpflichtung hat - abgesehen von der nachstehend unter 2a dargelegten Wirkung - lediglich die verfahrensrechtliche Bedeutung, daß das FA nach § 42d Abs. 4 EStG 1977 vom Erlaß eines Haftungsbescheides und eines Leistungsgebotes absehen kann.

2. Das FA hat mit der Inanspruchnahme des Klägers im Haftungswege von seinem nach § 42d Abs. 3 Satz 2 EStG 1977 pflichtgemäß auszuübenden Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht.

a) Hierbei ist nicht von Bedeutung, daß das FA seine Ermessenserwägungen, auch in der Einspruchsentscheidung, nicht dargelegt hat. Der Senat hat zwar entschieden, die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens setze voraus, daß das FA seine Ermessenserwägungen kundtut, weil sonst die FG nicht in der Lage seien, die Ermessensentscheidungen zu überprüfen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801). Doch konnte im Streitfall das FA hiervon absehen. Der Kläger hat durch seine Unterschrift unter den Prüfungsbericht die vom Prüfer ermittelten Mehrsteuern anerkannt und auf die Erteilung eines besonderen Bescheides verzichtet. Damit hat er zu erkennen gegeben, daß ihm die Gründe bekannt sind, die zu seiner Inanspruchnahme, und zwar im Haftungswege, führten. Nach § 121 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung bedarf ein schriftlicher Bescheid keiner Begründung, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist, die Auffassung der Finanzbehörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist. Dies muß um so mehr gelten, wenn eine Spezialvorschrift, wie hier § 42d Abs. 4 EStG 1977, dem FA gestattet, aufgrund des Anerkenntnisses des Betroffenen von der Erteilung eines besonderen Bescheides abzusehen.

b) Davon zu unterscheiden ist die Frage der Überprüfbarkeit der Ermessensausübung selbst. Diese ist trotz der Anerkennung der Mehrsteuern durch den Steuerpflichtigen nicht ausgeschlossen. Die schriftliche Anerkennung der Zahlungsverpflichtung durch den Arbeitgeber nach Abschluß der Lohnsteuer-Außenprüfung beinhaltet keinen Rechtsbehelfsverzicht (vgl. BFH-Urteil vom 13. November 1964 VI 267/63 U, BFHE 81, 502, BStBl III 1965, 181; Nissen in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, a.a.O., § 42d Rz. 57). Ebensowenig enthält sie einen Verzicht auf Einwendungen, die sich aus den dem Steuerpflichtigen bekannten Gründen für seine Inanspruchnahme ergeben. Denn trotz der Anerkennung der Mehrsteuern durch den Steuerpflichtigen liegt das Schwergewicht der Bedeutung seiner Unterschrift nach dem Willen des Gesetzes auf dem Verzicht auf Erteilung eines besonderen Bescheides.

Die demnach mögliche Überprüfung der finanzamtlichen Ermessensausübung im Streitfall führt zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Nach § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dürfen die FG eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörden nur auf Ermessensüberschreitung und auf Ermessensfehlgebrauch hin überprüfen. Es ist ihnen grundsätzlich verwehrt, ihre eigene Ermessensentscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Finanzbehörden zu setzen (BFH-Urteil vom 24. September 1976 I R 41/75, BFHE 120, 212, BStBl II 1977, 127). Eine Ausnahme besteht nur bei der sogenannten Ermessenseinengung, wenn nämlich nur eine bestimmte Entscheidung möglich ist, während jede andere notwendig zu einem Ermessensfehler führen müßte (BFH-Urteil in BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801 unter 2.b). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Ausgehend von der Feststellung, daß es keinen allgemeinen Rechtssatz gibt, nach dem zunächst der Arbeitnehmer als Steuerschuldner heranzuziehen ist, hat der Senat bereits im Urteil in BFHE 114, 342, BStBl II 1975, 297 entschieden, es sei bei einem oder wenigen gering beschäftigten und entlohnten Arbeitnehmern geboten, von dem Erlaß eines Haftungsbescheides gegen den Arbeitgeber abzusehen. Dies setze, wenn keine Lohnsteuerkarten vorgelegen haben, voraus, daß nicht mit der Entstehung eines materiellen Steueranspruchs gegen die betroffenen Arbeitnehmer gerechnet werden könne, und daß ihre Namen und Anschriften bekannt seien. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor. Das FG hat in aus Rechtsgründen nicht zu beanstandender Weise festgestellt, es müsse damit gerechnet werden, daß die Einkünfte der Laufjungen in den Streitjahren unter der Grenze zur Steuerpflicht lagen. Auch sind Namen und Anschriften der Laufjungen nach den Feststellungen des FG dem FA bekannt. Es erscheint somit ermessensfehlerhaft, den Kläger für eine Steuer in Anspruch zu nehmen, die nach der materiellen Rechtslage höchstwahrscheinlich nicht geschuldet wird. Wollte das FA dennoch von der Entstehung einer materiellen Steuerschuld ausgehen, hätte es ohne Schwierigkeiten zunächst Ermittlungen bei den Laufjungen selbst über den Umfang der von ihnen verrichteten Aushilfstätigkeiten und der bezogenen Löhne anstellen können und müssen.